Dora Rappard-Gobat – Im Heiligtum

Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar!
Psalm 84, 5.

HErr! Als du sterbend hattest überwunden,
Da ward von unsichtbarer Hand zerrissen
Des Tempels Vorhang, der in Finsternissen
Den Weg zum Gnadenstuhle hielt umbunden.

Nun ist der Zugang frei, die Bahn gefunden!
Dein Blut besprengt die Herzen und Gewissen,
Und wer auf deine Nähe ist beflissen,
Der wohnt im Heiligtum all Tag und Stunden .

Dank, Dank sei dir, o Jesu! Dir alleine
Singt dein erlöstes Volk nun seine Lieder;
Es möchte leben dir, nur dir zum Ruhme.

Auch auf dies Büchlein blick in Gnaden nieder;
Mach es in deiner Hand zum Glöcklein reine,
Manch Herz zu laden ein zum Heiligtume.

Wilhelm Wackernagel – Psalm 121, 3.

Ja wohl! Der uns behütet wird nicht schlafen,
Auf Seinen Augen kann kein Schlummer liegen,
Sein Lichtsschwert muss die Finsternis besiegen
Und dunkler Mächte Taten schnell bestrafen.

Mit holder Stimm‘ voran Er geht den Schafen,
Die Er erworben durch Sein blutig Siegen,
Und nimmermehr sie können unterliegen
Und ob sie auch des Feindes Pfeile trafen.

So sie nur treu und fest die Augen heben
Zu jenen Bergen, wo die Füße stehen
Des, der durch Nacht und Tod vorangegangen.

Er kühlt die Stirn durch Seines Geistes Wehen
Und bleibt ihr treuer Hirt im Erdenleben,
Bis droben Seine Arme sie umfangen.

Renaud – Psalm 2.

Es rast die Welt in wildem Grimm:
Und soll ihr nicht gelingen!
„Hinweg mit Gott und seinem Christ!
Die Fessel, die uns lästig ist,
Des Glaubens soll zerspringen!“

Und Gott, er lacht und spottet drob!
Dem sich der Himmel beuget,
Er spricht: „Es bleibt mir unverletzt,
Den ich zum König eingesetzt,
Der Sohn, den ich gezeuget!“

„Der Heiden Fülle geb‘ ich ihm;
Er wird ihr Vater heißen;
Sein Zepter soll mit Schwerteswucht
Die Feinde werfen in die Flucht,
Wie Töpfe sie zerschmeißen.“

O hört’s, ihr Großen dieser Welt:
Der Sohn kommt zum Gerichte;
Küsst ihn, dass nicht sein Zorn entflammt
Und eure Zuversicht zusamt
Dem Spotte werd zu nichte!

Julius Leopold Pasig – Psalm 126.

Wenn der Herr einst wird erlösen
Von aller Trübsal, allem Bösen
Sein Zion, das gefangen lag;
Wenn die Bande werden springen,
Die uns hienieden schwer umfingen,
Und nun erscheint der Freiheitstag:
dann wirds wie ein Traum
Uns sein, wir werdens kaum
Glauben wollen,
Dass schon herbei
Gekommen sei
Der Tag, der uns macht ewig frei.

Doch wenn wir vom Traum erwachen,
Wie wird dann unser Mund voll Lachen
Und unsre Zung voll Rühmen sein!
Seinen Namen wird man preisen
In mehr als tausendfachen Weisen,
Wenn er uns führt ins Leben ein.
Voll Freuden singt man dann:
Der Herr hat Viel getan
An uns Armen!
Herr, wende doch
Das schwere Joch
Der Bande, die uns drücken noch!

Die hier säen unter Tränen
Mit vielem Seufzen, vielem Sehnen
Nach jenes Lebens Süßigkeit,
Ernten werden sie mit Freuden,
Was weinend einst sie hier ausstreuten,
Dort in dem Land der Herrlichkeit.
Denn wer hienieden geht
und unter Tränen sät
Edeln Samen:
Der wird voll Freud
Zur Garbenzeit
Dort sammeln für die Ewigkeit.

Carl Gerok – Ps. 84,2-3

Herz, mein Herz, welch sanfte Lust
Hegst du heut‘ in stiller Brust?
Aug, mein Aug, welch mildes Glück
Strahlet dein verklärter Blick?
Ist’s das holde Himmelblau?
Ist’s die bunte Blumenau?
Ist’s der Vögel Morgenpsalm?
Ist’s der Tau auf Gras und Halm?
Schön ist meines Gottes Welt,
Blumenflur und Himmelszelt,
Süß das Wehn der Morgenluft,
Rosenglanz und Nelkenduft.
Aber was mich fröhlich macht,
Heut‘ ist’s mehr als Erdenpracht,
Heut‘ ist meines Herren Tag!
Selig, wer es fassen mag.
Süßer noch als Vogelsang
Tönt mir heute Glockenklang,
Sanfter weht als Frühlingswind
Friede Gottes um sein Kind.
Heut im schmucken Kämmerlein
Kehrt mein Heiland bei mir ein,
Heut im schönen Gotteshaus
Teilt man Himmelsgüter aus.
Wie der Tau sich niedersenkt,
Kraut und Blumen milde tränkt,
So mit Gottes Wort und Geist
Wird die Seele heut‘ gespeist.
Wie die Lerche jubiliert,
Jubelnd sich im Blau verliert,
Also steigt mein brünstig Herz
Heut in Andacht himmelwärts.
Sei willkommen, Tag des Herrn,
Friedensengel, Morgenstern,
Labequell im Wüstensand,
Glockenlaut vom Heimatland!
Nachgeschmack vom Paradies,
Draus die Sünde mich verstieß,
Vorgefühl der Himmelsrast
Nach der Erde Müh und Last!
Tröst auch heute die betrübt,
Sammle was im Herrn sich liebt,
Löse die gebunden sind,
Locke das verlorne Kind!
Bringe der verstörten Welt
Einen Gruß vom Himmelszelt,
Ruf auch mir vom Vater zu:
Heil dir, Gottes Kind bist du!

Johann Kolross – Psalm 127 (modernisiert)

Psalm 127.

Wo Gott zum Haus nicht gibt sein Gunst,
So arbeit jedermann umsonst.
Wo Gott die Stadt nicht selbst bewacht,
So ist umsonst der Wächter Macht.

Vergebens, dass ihr früh aufsteht,
Dazu mit Hunger schlafen geht,
Und esst eur Brot mit Ungemach:
Denn wems Gott gönnt, gibt ers im Schlaf.

Nun End sein Erben unsre Kind,
Die uns von ihm gegeben sind:
Gleich wie die Pfeil ins Starken Hand,
So ist die Jugend Gott bekannt.

Es soll und muss dem gschehen wohl,
Der dieser hat sein Köcher voll;
Sie werden nicht zu Schand noch Spott,
Vor ihrem Feind bewahrt sie Gott.

Ehr sei dem Vater und dem Sohn
Samt heilgem Geist in Einem Thron:
Welchs ihm auch also sei bereit
Von nun an bis in Ewigkeit.

Kolross, Johann – Der CXXVII. Psalm.

Benjamin Schmolck – Die Ruhe nach der Unruhe. (Aus Psalm 4, 9.)

Mel. Gottlob, es geht nunmehr zu Ende.

1. Ich lieg und schlafe ganz mit Frieden,
Denn du allein, Herr, hilfest mir.
Die Wohnung, die mir nun beschieden,
Stellt eine sichre Kammer für.
Mein Grab muss mir ein Bette sein,
O wie so süße schlaf ich ein!

2. Ich lieg und schlaf in Jesu Armen,
Er drücket mir die Augen zu.
Mich überschattet sein Erbarmen,
Und seine Lieb ist meine Ruh.
Wär auch mein Grab wie Jakobs Stein,
So schlaf ich dennoch lieblich ein.

3. Ich lieg und schlaf, mein Herze wachet,
Die Seele schauet Jesum an,
Der meine Beine grünend machet,
Sobald er schwenkt die Lebensfahn.
Dann wird mein Glaube Schauen sein,
Indessen schlaf ich fröhlich ein.

4. Ich lieg und schlafe nun im Stillen,
Stört mich mit euren Tränen nicht.
Beruhigt euch in Gottes Willen,
Ihr, denen jetzund weh geschicht.
Dort werden wir vereinigt sein.
Nun, gute Nacht! So schlaf ich ein.

Johann Anastasius Freylinghausen – Der 34. Psalm.

Weise: Folget mir, ruft uns das Leben.

1. Mein Herz soll den Herren loben
Und mein Geist soll stets erhoben
Rühmen seine Güt und Macht,
Die er an mir hat vollbracht.
Meine Seele soll ihn preisen,
Mein Mund soll ihm Dank erweisen,
Dass mein Lob auch tröstlich werd
Allen, die das Kreuz beschwert.

2. Kommt nur her und helft mir singen,
Helft mir ihm Dankopfer bringen,
Dass er mein Gebet und Flehn
Hat so gnädig angesehn.
Da mich große Furcht umfangen,
Ist sein Licht mir aufgegangen;
Da ich dacht, wie wirds noch gehn,
Ließ er Hilfe mir geschehn.

3. Dies ist unsers Gottes Weise;
Sagts nur nach zu seinem Preise,
Dass er keinen hilflos lässt,
Der ihn anschaut und hält fest,
Der wie Jakob mit ihm ringet
Und im Glauben ihn bezwinget;
Deckt ihn gleich die finstre Nacht,
Gott ists, der sie lichte macht.

4. Ich kann selbst nebst vielen andern,
Die durchs Tal des Kreuzes wandern,
Auch hievon ein Zeuge sein,
Dass, wenn uns drückt Not und Pein
Und wir um Errettung schreien,
Er uns Hilfe lässt gedeien;
Eh wir sollten untergehn,
Muss sein Engel für uns stehn.

5. Schmeckt und sehet doch die Liebe,
Die mit freiem, süßem Triebe
Aus dem Herzen Gottes fleußt
Und so reichlich sich ergeußt.
Wohl dem, der sich ihr vertrauet!
Der kann, wenn dem Bösen grauet,
Ruhig und gelassen sein,
Fiel auch gleich der Himmel ein.

6. Denn wer Gott im Glauben ehret,
Seinen Fuß von Sünden kehret,
Dessen Gut bleibt doch bestehn,
Sollt die Welt auch untergehn.
Wenn die Reichen darben müssen,
Hat, wer sich auf Gott beflissen,
Aus des höchsten Gnadenguss
Reichtum, Füll und Überfluss.

7. Drum kommt her und lasst euch lehren,
Wie man soll den Herrn verehren,
Dass man gute Tage seh
Und dem Fluch der Welt entgeh.
Lernet euch vor Gott recht beugen
Und, wenns übel gehet, schweigen;
Tut das Gute, übt nicht Rach,
Suchet Fried und jagt ihm nach.

8. Selig, wer sich lässt so finden!
Wahrlich, man kann nicht ergründen,
Mit wie zarter Liebesbrunst
Gott auf ihn wirft seine Gunst.
Aug und Ohr des Herrn steht offen,
Wenn ihn eine Not betroffen;
Dahingegen Gottes Rach
Andre trifft mit Weh und Ach.

9. Denn Gott liebet nur die Frommen
Und wer bös ist, muss umkommen;
Wer ein niedrig Herze hat,
Wird aus seiner Fülle satt.
Ein zerschlagner Geist empfindet,
Wie sich Gott mit ihm verbindet;
Scheints oft, Gott sei ihm nicht nah,
Eh mans meint, so ist er da.

10. Hier sind noch die Kreuzesstunden,
Sind wir darin treu erfunden,
So kommt eine andre Zeit,
Die nichts weiß vom Tod noch Leid.
Dort wirds erst recht besser werden,
Wenn uns Gott von dieser Erden
Dahin führt, wo er regiert
Und die Liebe triumphiert.

11. Hallelujah sei gegeben
Unserm Gott, der unser Leben
Von so mancher Not macht frei,
Unsre Banden reißt entzwei.
Er helf uns und allen Frommen,
Auch dahin, wo er ist, kommen,
Wo man immer frisch und froh;
Amen, es gescheh also.

Johann Anastasius Freylinghausen – Der 23. Psalm.

Weise: Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen.

1. Jehovah ist mein Hirt und Hüter,
Nun wird kein Mangel treffen mich.
Auf grüner Auen seiner Güter
Erquicket er mich süßiglich;
Er leitet mich zu frischen Quellen,
Da häufig sich mir zugesellen
Viel krank und matte Schäfelein.
Wenn ich in Ohnmacht sinke nieder,
So holt er meine Seele wieder
Und flößt ihr Lebensbalsam ein.

2. Er führet mich auf rechten Wegen,
Er geht voran, ich folge nach;
Und wenn ich gleich in finstern Stegen
Und Tälern voller Ungemach
Durch dick und dünn, durch Dorn und Hecken
Muss wandern, soll mich doch nichts schrecken;
Denn du bist bei mir stetiglich,
Du bist mein Licht, mein Stern, mein Führer,
Dein Stab und Stecken mein Regierer,
Auf deinen Achseln ruhe ich.

3. Ein Mahl voll Himmelssüßigkeiten,
Ein Mahl von Fett, von Mark und Wein
Hast du bereitet, dass von weiten
Es sehn, die mir nicht günstig sein.
Du salbest mich mit Öl der Freuden,
Da weiß ich denn von keinem Leiden,
Bin voller Trost und Freudigkeit;
Den Durst des Geistes wohl zu stillen,
Muss mich dein voller Becher füllen,
Der Becher deiner Lieblichkeit.

4. Drum soll mich nun fort nichts bewegen,
Von dir, mein Hirt, zu setzen ab;
Mir folget nichts als lauter Segen
Und Gutes nach bis in mein Grab.
Der Tod mag Leib und Seele trennen,
Ich weiß, du wirst mir dennoch gönnen,
Zu sein ein Kind in deinem Haus;
Der Knecht mag nicht darin verbleiben,
Den Sohn kann niemand draus vertreiben,
Ob er gleich müsst zur Welt hinaus.

5. Hallelujah sei dir gesungen,
O holder Hirt, o süßes Lamm!
Ach, hätt ich hundert tausend Zungen,
Zu rühmen dich, mein Bräutigam!
Doch du willst nicht viel Zungen haben,
Nur Eins ist, das dein Herz kann laben,
Ein Herz, das dich nur liebt allein;
Das wollst du mir, o Jesu, schenken,
So will ich stets bei mir gedenken:
Mein Hirt ist mein und ich bin sein.

Johann Anastasius Freylinghausen – Der 42. Psalm.

Weise: Wo ist meine Sonne blieben.
Oder: Meine Armut macht mich schreien.

1. Wie ein Hirsch vom Durst gequälet,
Wenn ihm fehlet
In der Hitz ein frischer Quell,
Schreiend sich nach Wasser sehnet,
Also stöhnet
Nach dir, o Gott, meine Seel.

2. Meine Seele sich verzehret
Und begehret
Von dir, Strom der Süßigkeit,
Noch allhier getränkt zu werden
Auf der Erden
In des Durstes Peinlichkeit.

3. Ach, wenn, spricht sie, solls geschehen,
Dass zu sehen
Ich vermag dein Angesicht?
O wenn soll mit allen Frommen
Ich doch kommen
Hin zu deinem klaren Licht?

4. Denn jetzt bin ich so ungerne
Dir noch ferne;
Jeder Tag hat seine Not,
Weil der finstern Kräfte Scharen
Mich anfahren;
Wo ist, sagen sie, dein Gott?

5. Dürft und könnte ich doch laufen
Mit dem Haufen,
Der mit Preis und Lobgesang
Dich in Salems Hütten ehret
Und vermehret
Deinen Ruhm mit Saitenklang.

6 Aber dies muss ich entbehren
Und mit Zähren
Bei mir schütten aus mein Herz;
Ich muss Klagelieder singen
Und mit Ringen
Täglich häufen meinen Schmerz.

7. Stille, stille, Seele, stille!
Und, o Wille,
Gib dich in Gelassenheit.
Hoff auf Gott, so wird dein Klagen
Samt den Plagen
Sich verwandeln bald in Freud.

8. Unterdessen währts so lange,
Dass mir bange,
Dass ich finde keine Ruh.
Ich muss fühlen seine Ruten,
Seine Fluten
Schlagen ja auf mich nur zu.

9. Aber Gott bleibt doch die Liebe,
Darum übe
In dem Glauben die Geduld;
So wird dich bei Nacht und Tage
Statt der Plage
Noch erquicken seine Huld.

10. Ich will glauben, hoffen, dulden;
Meine Schulden
Haben es gar wohl verschuldt,
Dass mein Fels, der mein vergisset,
Mir zumisset
Tränenbrot statt seiner Huld.

11. Aber wenn die Feinde höhnen
Meine Tränen,
Dies ist mir ein bittrer Tod;
Wenn die Spötter in dem Zagen
Zu mir sagen:
Lieber, wo ist nun dein Gott?

12. Dennoch stille, Seele, stille!
Und, o Wille,
Gib dich in Gelassenheit.
Du sollst, so du nicht wirst wanken,
Ihm doch danken
In der Zeit und Ewigkeit.