Veith, Johann Emmanuel – Dies Irae

Tag des Zornes, Tag der Zähren
Wird die Welt in Asche kehren,
Wie Sibyll‘ und David lehren.

Welch Entsetzen, welch Erbeben!
Wird herab der Richter schweben,
Alles strenge zu erheben.

Hehr wird die Posaun‘ erschallen,
Rufend durch der Gräber Hallen,
Vor den Thron zu kommen, Allen!

Tod, Natur wird staunend sehen
Das Geschöpf hervor nun gehen,
Vor dem Richter Rede stehen.

Auch das Buch wird sich entfalten,
Worin Alles ist enthalten,
Draus das Urtheil zu gestalten.

Wird nun das Gericht beginnen,
Kommt an’s Licht des Herzens Sinnen,
Wird der Rache nichts entrinnen.

Was will, Armer, ich dann sagen?
Wessen Schutze mich antragen,
Wenn selbst die Gerechten zagen?

König, hehr und furchtbar schaltend,
Gnadenspender, zwanglos waltend,
Mich beleb‘ auch neugestaltend.

Denk‘ des Weges voll Beschwerden,
Den du für mich gingst auf Erden,
Lasse d’rum mir Gnade werden!

Suchtest mich mit müden Schritten,
Hast für mich am Kreuz gelitten,
Nicht umsonst sei so gestritten!

Richter der gerechten Sache,
Deiner Huld mich theilhaft mache,
Vor dem Tage deiner Rache!

Meine Schuld macht mich erbangen,
Schamroth decket meine Wangen,
Lass mein Fleh’n zu Dir gelangen!

Der Maria’s Herz gewendet,
Und dem Räuber Heil gespendet,
Mir auch süsse Hoffnung sendet.

Ist mein Fleh’n nicht dir zur Ehre,
Gütigster, doch gütig wehre,
Dass nicht Flamme mich verzehre!

Bei den Schafen, deinen Knechten,
Lass ich stehn, nicht bei den Schlechten,
Stelle mich zu deiner Rechten!

Wenn dann Flammen den Verweg’nen,
Engel deiner Schaar begegnen,
Wolle mich mit diesen segnen!

Vor dir flehend ich mich neige,
Und zerknirscht im Staub mich beuge:
Meinem Ende Huld erzeige!

Tag der Thränen, nie gesehen,
Da der Mensch wird auferstehen
Aus dem Staube, vorgeladen
Zum Gerichte, schuldbeladen!
Ihn verschon‘, o Gott der Gnaden!

Milder Jesu, Herr, verzeihe,
Ihnen Fried‘ und Ruh verleihe!