Zeller, Albert – „Geh nur hin, es lebt dein Sohn!“

„Geh nur hin, es lebt dein Sohn!“
Also hast du, Herr, gesprochen,
Das ist deines Glaubens Lohn:
Als dein Herz von Gram gebrochen,
War ich deine Zuversicht,
Ja, dein Sohn, er stirbet nicht!

Zwar er kommt nicht mehr zu dir,
Wie er sonst dir kam entgegen;
Denn ich nahm ihn hin zu mir,
Ihn im Himmel zu verpflegen;
Aber du kommst zu ihm hin,
Weil ich mit euch Beiden bin.

Wer an mich, das Leben, glaubt,
Wird auch mit mir auferstehen,
Für ein Kleines nur geraubt,
Werdet ihr euch wieder sehen:
Was versank in Todesgraun,
Herrlich werd ichs auferbaun.

Was du hier von ihm erblickt,
War in Schwachheit noch gebunden,
Wenn von Liebe ganz erquickt
Du es köstlich auch gefunden;
O wie wird dir dann geschehn,
Siehst du ihn in Klarheit stehn!

Was ihr einstens werdet sein,
Ist ja lang noch nicht erschienen,
Und kein Auge sieht hinein,
Wie sie leuchten, die mir dienen,
Wenn die Kraft, die mich verklärt,
An den Meinen sich bewährt.

Liebe fort! Dein bestes Teil
Ist die Liebe hier auf Erden;
Welche Wonne, welches Heil,
Wird auch sie verkläret werden,
Wenn die angestammte Kraft
Alle ihre Wunder schafft!

Wein und geh im Frieden heim,
Lebe Dem, der ihn gegeben,
Und du schmeckst den Honigseim
Hier schon von dem ewgen Leben:
Der dein Kind in Armen hält,
Ist der Vater aller Welt.

Duld und harre glaubend aus,
Er reift dir, du ihm entgegeni:
Blicke Hoffend nur hinaus!
Im Verborgnen sprosst mein Segen,
Und die Zeit und Stunde kommt,
Wann sie dir an höchsten frommt.

Zeller, Albert – O dass wir weise würden

O dass wir weise würden
In aller unsrer Pein
Und unsres Leidens Bürden
Würfen auf ihn allein,
Den Herrn, den stets Getreuen
Und seinen starken Arm,
Was brauchten wir zu scheuen
Der Hölle ganzen Schwarm!

Wir schwanken und wir beben
Als wie ein Espenlaub;
Will sich ein Sturm erheben,
Sind wir ihm schon ein Raub,
Noch eh er uns erschüttert
Den Stamm mit voller Macht,
Dass er von ihm erzittert
Und seufzt und dröhnt und kracht.

O dass wir fester stünden
In seiner Gnade Hort,
Ach unser Leben fänden
In seiner Treue Wort!
Nur tiefre Wurzeln schlügen
Wir in dem guten Grund
Und bessre Früchte trügen
Wir selbst von solcher Stund!

Dass wir einmal entrännen
Aus unsrer Selbstsucht Haft
Und Gottes Luft gewännen
Und seiner Freiheit Kraft:
Ach unser Götzendienen
Wär gründlich abgetan,
Wir sähn mit heitern Mienen
Tod und Verderben nahn.

Wenn sich die Wetter türmen,
Bliebs Licht in unsrem Land;
Wir jauchzten mit den Stürmen
Und in dem Feuerbrand.
Wann stehn wir so gelassen
Und so gerüstet da,
Wann lernen wir es fassen,
Was uns zu lieb geschah?

O dass wir lebten, stürben
Hinfort uns selbst nicht mehr,
Den Himmel nur erwürben
Ohn anderes Begehr!
Es sind ja alle Leiden
Von dieser armen Zeit
Nicht wert der ewgen Freuden
Und ihrer Herrlichkeit.

Zeller, Albert – Wenn wir nur dir gefallen

Wenn wir nur dir gefallen,
Gilt alles Andre gleich,
Wir sterben oder wallen
Noch in der Sonne Reich.

Wohl mir, dass ich dich kenne,
Dass du das Leben bist,
Dass ich dich Heiland nenne
Und meinen Jesum Christ.

Ob uns ein kurzer Schlummer,
Ob Todesschlaf befällt,
Das macht uns keinen Kummer
Vor dir, du Herr der Welt.

Wir bleiben ja dein eigen,
Du hältst des Lebens Bund,
Und brichst gewiss das Schweigen
Für uns zu rechter Stund.

Schön ists, dieweil ich wohne
In diesem Bau der Zeit;
Noch schöner vor dem Throne
Der ewgen Herrlichkeit.

So lass uns fröhlich wachen
Und ruhig schlafen ein!
Es sind ja deine Sachen;
So müssen sie gedeihn.

Wir sind getrost und heiter
In Lust und in Beschwer,
Wir sind bei dir, und weiter
Begehrt das Herz nicht mehr.

Zeller, Albert – Gibst du, o Erde, deine Toten wieder?

Gibst du, o Erde, deine Toten wieder?
Lebt Alles, was da lebte, wieder neu?
Die Lerche jubelt ihre alten Lieder,
Der Himmel glänzt in alter sanfter Bläu.
Die Quellen rauschen, wie in alten Tagen
Vom Fels hernieder durch den grünen Wald,
Und meine Blumen winken mir und sagen,
Schon nahe mir die teuerste Gestalt.

O welches Ahnen, welches selge Bangen,
Und welcher tiefe Friede wunderbar!
Darf ich die lieblichste aufs Neu umfangen?
Wird Alles wieder, wie es einstens war?
So viel verschwunden und so tief Behagen,
Als wäre Alles fest und wandellos,
Verstummet selbst die leiseste der Klagen,
Ein stilles Ruhen wie im Mutterschoß!

Klar schau ich in den tiefen Strom der Zeiten,
Klar in des eignen Herzens tiefsten Grund,
Klar in der Nähe, in den fernsten Weiten
Der Dinge großen, frohen Lebensbund,
Und was ich selbst in diesem heilgen Kreise,
Ein Mann und Freier schaffen will und soll,
Und Alles rings von meines Gottes Preise,
Von seinem Licht und seiner Gnade voll.

Hat eine Frühlingswolke ungesehen
Mir ihren Tau ins Angesicht gesprengt?
Ich fühle meine Augen übergehen,
Den letzten Bann gelöst, der mich beengt:
Was willst du Herz? Ists Wonne oder Trauer,
Von der dir selber nichts mehr hat geahnt?
Ist es vielleicht ein leiser Geisterschauer,
Der dich noch an die letzte Wandlung mahnt?

Kann dich des Todes finstres Bild erschrecken
In deines Gottes lichter Gegenwart?
Muss es dich nicht zu höherm Leben wecken,
Von seiner Allmacht Wundern rings umschart?
Weißt du doch längst, dass Einer durch die Fluren
Der Erde als ihr Herr und Meister ging,
Siehst du doch rings des großen Siegers Spuren,
Von dem der Tod den Todesstreich empfing!

O leben, süße, teure Himmelsgabe
Aus meines Gottes schöpfungsvoller Hand,
Du reiches Dasein vor und nach dem Grabe,
Du aller Güter heilges Unterpfand,
Du Erdenfrühling, holder Himmelsbote,
Dass alles Schöne ewig wiederkehrt,
Und nur dem warmen Leben, nicht dem Tode,
Das blühnde All zum Eigentum gehört!

O süßer Lenz, in dem mit heilgem Schauer
Ich meiner Liebe junge Rose brach,
Du hast mich nicht getäuscht, und selbst der Trauer
Folgt deines Segens reichste Strömung nach.
Was auch der Kelch der ewig frischen Rose
Mir Ungeahntes schweigend noch verhüllt,
Ich traue kindlich meinem Himmelslose,
Bis Gottes letzter Ratschluss sich erfüllt.

Zeller, Albert – Lasst den Toten ihre Toten

Lasst den Toten ihre Toten,
Lasst sie graben Grab für Grab!
Aber ihr, des Lebens Boten,
Greifet froh zum Wanderstab!

Blickt hinauf und nicht zurücke,
Haltet in dem Lauf nicht still,
Wenn das Herz von seinem Glücke
Auch im Tod nicht lassen will!

Suchet nicht in Modergrüften,
Was der Erde längst entschwebt,
Und in reinen Himmelslüften
Auferstanden, selig lebt!

Geht hinaus in alle Weiten,
Tuet, wie der Herr euch heißt,
Und verkündiget mit Freuden
Seine Gnade, seinen Geist!

Rühmt euch keines Staubgebor‘nen,
Wie er auch begnadigt sei,
Trauert nicht als die Verlornen,
Wenn sein ird’scher Tag vorbei!

Eingetragen ist sein Leben
In das göttliche Geschick;
Was Gott gab, das wird er geben
Schöner, als er‘s nahm, zurück.

Alles ist ja euer eigen,
Was von Schätzen ruht und lebt
Und in unsichtbarem Reigen
Durch der Himmel Fülle schwebt,

Tod und Leben, Macht und Krone,
Was vor Gott euch wohlgefällt,
Mag es oben, unten wohnen,
Es sei Kephas, sei die Welt.

Aber ihr, ihr seid des Einen,
Der dazu erschienen ist,
Erd‘ und Himmel zu vereinen,
Ihr gehöret Jesu Christ,

Der mit seinem teuren Blute
Euer Selbst erkaufet hat
Und mit göttlich treuem Mute
Litt und starb an Eurer Statt.

Wenn das Haupt einst der Gemeinde
Gottes ew‘ger Majestät
Als der Sieger aller Feinde
Im Triumph entgegen geht,

Und das Reich im Morgenschimmer
Strahlt von der Vollendung Glanz,
Fehlen auch die Seinen nimmer,
Blätter in dem Siegeskranz.

Zeller, Albert – Was kannst du fordern, als das Deine

Was kannst du fordern, als das Deine,
Du Herr, der mir ja Alles gab?
Was bleibt vom Meinen denn das Meine,
Zieht deine Hand von mir sich ab?

Darf ich von Opfergaben sprechen,
Die ich dir bringen soll und will? –
Wenn du willst Blüten, Früchte brechen,
So hält dir deine Pflanze still.

Trag ich nicht Alles nur zu Leben
Von deiner Allmacht Schöpferhuld?
Was du gebeutst1gebietest, das muss geschehen:
Dein ist das Recht, mein ist die Schuld.

Was ists, das ich zu opfern habe,
Als meines Herzens Widerstreit,
Den Hang und Drang nach süßer Labe,
Nach Glück und ird‘scher Seligkeit?

Du suchest nicht, was uns gehöret,
Du suchest uns, uns ganz und gar;
Wir aber nehmen tief betöret
Nur den Verlust, nicht dich gewahr,

Der du in allen unsern Nöten
Dich selber nur uns geben willst
Und selbst im schmerzenreichen Töten
Nur unser tiefstes Sehnen stillst.

Wärst du nicht selbst für uns gestorben,
Wie könnten wir solch Tun versteh‘n?
Du hast im Tod für uns geworden,
Auf dass wir ein zum Leben geh‘n.

So nimm das Herz, das dir gehöret,
Nimm es mit seinem ganzen Leid!
Wer zu der Fahne Christi schwöret,
Der muss auch halten seinen Eid.

Du nimmst die Lieben uns vom Herzen;
Die Liebe selber nimmst du nicht,
Und aus dem Quell der bitter‘n Schmerzen
Ein Strom von Seligkeiten bricht.

Drum stille von den Opfergaben!
Du warst das Opfer, du allein
Wir aber, was wir sind und haben,
Sind dein und bleiben ewig dein.

Zeller, Albert – Wie Vieles hofft das Herz in seinem Wahn

Wie Vieles hofft das Herz in seinem Wahn,
Was es darf nun und nimmermehr empfahn1empfangen!
Wie viel, was es zu hoffen nie gewagt,
Wird ihm zu Teil, noch eh es drum gefragt!
So anders geht es immer als sein Sinn,
Und zum Verlust wird selber der Gewinn:
Es hofft so gut und hat so gründlich schlecht,
Wird Tag für Tag ums beste Gut geschwächt,
Bis mans, von Wunsch und Reu‘ stets neu bewegt,
Am Ende still und tot zu Grabe trägt.
Und ist das weise, arme Seele? sprich!
Meint es der Herr mit dir so jämmerlich?
Hoff gut, hab gut, mach gut, und leide still,
Was seine Gnade dir bescheren will,
Und nach der Erde schnell durchmess‘nem Lauf
Geht dir der Himmel überherrlich auf.

Zeller, Albert – Ich will mein Kreuz mit Freuden tragen

Ich will mein Kreuz mit Freuden tragen
Vom Morgen- bis zum Abendstrahl,
So lang der Herr es mir lässt tagen
Auf Höhen und im tiefen Tal,
Ja durch den Strom der bitter‘n Leiden,
Der an des Lebens Ufer schlägt:
O möge Gott mich nur begleiten,
So lang ein Hauch in mir sich regt!

Was ist mein Kreuz und meine Freude?
Dass ich den irren Wandersmann,
Der auf Stromes düstrer Seite
Kommt klagend und verzagend an,
Darf durch die Flut hinüber tragen
Ans Ufer, das ihm Rettung beut1bietet
Und auf den Lauf von seinen Tagen
Aufs Neue Licht und Hoffnung streut.

O welche Wonne, welch Entzücken,
Wenn seine Rettung ganz gelingt!
Wie nehm‘ ich fröhlich auf den Rücken,
Was mir die nächste Stunde bringt!
O könnt ich immer davon zeugen!
Doch anders will es Gottes Rat,
Ich muss verstummen und mich beugen,
Auch wenn sich Tod und Unheil naht.

Wie braust der Strom oft so gewaltig
In trüben Wogen wild einher!
Wie droht die Not so tausendfaltig,
Wie wird die teure Last so schwer,
Dass es mir ist, als wenn ich trüge
Auf meinen Schultern eine Welt:
Da schau ich eines Kindes Züge,
Das leise mich umschlungen hält.

Es ist mein Heiland, den ich trage!
Wie hab ich das so sehr verkannt?
Zum Jubel wird die stumme Klage,
Er reicht mir lächelnd seine Hand,
Und neue Kraft durchströmt die Glieder
Vom Haupt zur Sohle wunderbar,
Der Sturm verbraust und ruhig wieder
Fließt das Gewässer, rein und klar.

Kurz war die himmlische Erscheinung,
Ich trag die alte Kreuzeslast;
Doch hab ich ihre tiefste Meinung
Ins innerste Gemüt gefasst:
Ich habe meinen Herrn gesehen
In seiner Kindeslieblichkeit,
Ich darf zufrieden weiter gehen
Durch alle Strömung dieser Zeit.

Und reißt sie heute oder morgen
Mich nieder mit der lieben Last,
Ich will darum nicht weiter sorgen,
Bin ich hienieden doch nur Gast:
Der mein und aller Menschen Sünden
Auf seines Lammesschultern trug,
Er lässt auch mich die Heimat finden,
Wenn er einst spricht: Es ist genug!

Zeller, Albert – Hindurch, hindurch mit Freuden!

Hindurch, hindurch mit Freuden!
Das soll die Losung sein!
Hindurch durch alle Leiden,
Durch Kreuz und Not und Pein!

Hindurch, hindurch mit Freuden
Mit Gottes Helm und Sieg
Durch Leiden und durch Streiten
In seinem heil‘gen Krieg!

Hindurch die öden Strecken
Von unsrer Wanderschaft,
Durch Klüfte und durch Schrecken
Mit seinem starken Schaft!

Hindurch durch das Gestrüppe,
Das an uns zerrt und reißt,
Und wie die ganze Sippe
Von kleinem Jammer heißt!

Hindurch durch alle Schmerzen,
Durch Kummer, List und Zorn!
Wir tragen tief im Herzen
Die Rose ohne Dorn!

Und wenn es schwül und traurig
Und trostlos allwärts steht
Und das Gewölke schaurig
Fast bis zur Erde geht:

Hindurch mit Adlerflügeln,
Mit Danken und Gebet,
Hin, wo auf ew‘gen Hügeln
Der Tempel Gottes steht!

Hindurch! hindurch mit Freuden
Selbst durch des Todes Nacht!
Hindurch die letzten Leiden,
Bis dass es heißt: „Vollbracht!“

Zeller, Albert – Lässt auch die Jungfrau von dem Schmuck?

Lässt auch die Jungfrau von dem Schmuck?
Die Braut von ihrem Schleier?
Der Sänger unter Not und Druck
Vom Lied und seiner Leier?

Von seiner Schleuder selbst der Knab?
Von seinem Schwert der Ritter?
Der Pilger von dem Pilgerstab
In Nacht und Ungewitter?

Lässt auch die Mutter von dem Kind,
Und wärs im Löwenrachen?
Der Schiffer unter Sturm und Wind
Vom Ruder und vom Nachen?

Ein Edler je von seinem Recht?
Von seinem sauren Lohne
Selbst der im Staub geborne Knecht?
Der König von der Krone?

Von Allem, was es meint und minnt,
Ein Herz voll lieb und Treue?
Es hegts, es ehrt es hochgesinnt
Und herzt es stets aufs Neue?

Ich freu mich jeder Lieblichkeit
Und jedes Schmucks hienieden,
Was Der und Dem in dieser Zeit
Von Lust und Kraft beschieden:

Und halt mein eignes Kleinod fest
Und trag es auf dem Herzen,
Wie Keiner von dem Seinen lässt,
Und will es nicht verscherzen.

Ich freue mich an seinem Schein
Und halt es an die Sonne
Im stillen Kämmerlein allein
Als meine Lust und Wonne.