Albert Knapp – Was bleibt?

Der Glaube bleibt! früh weintest, glaubtest du,
Von Jesu Geist regiert;
Drum hat dich früh Gerechtigkeit
Und Ruh und edler Mut geziert.
Du fandest ihn, der Sünder sühnet,
Aus dessen Kreuz das Leben grünet.
Der Glaube bleibt!

Die Liebe bleibt! er, der uns Arme liebt,
Gab dir sein Lieben auch;
Drum hast du uns erquickt und nicht betrübt
Bis zu dem letzten Hauch.
Dein Heiland hat dich nun gerettet,
Doch ewig an uns festgekettet.
Die Liebe bleibt!

Die Hoffnung bleibt! aus Lieb und Glaube dringt
Sie wunderstark empor,
Hebt sich mit Adlersflügeln auf, und schwingt
Sich durch des Himmels Tor.
So hat dein Hoffen auch gesieget,
und ob der Leib im Grabe lieget:
Die Hoffnung bleibt!

Einst wird der Glaub ein Schaun der Herrlichkeit;
Der Hoffnung wird ihr Teil,
Dass sie geharret in der Prüfungszeit;
Sie erbt das volle Heil.
Doch Liebe bleibt, was sie gewesen:
Ein süßes, wandelloses Wesen.
Die Liebe bleibt!

Die Liebe bleibt! o Jesu, dort im Licht
Der Himmel schwebest du,
und wendest doch dein huldvoll
Angesicht uns auf der Erde zu!
In dir sind Eins all deine Lieben,
Sei’s hier im Todestal, sei’s drüben.
Die Liebe bleibt!

Albert Knapp – Jesus über Alles.

Eines wünsch ich mir vor allem Andern,
Eine Speise früh und spät;
Selig lässt im Tränental sichs wandern,
Wenn dies Eine mit uns geht:
Unverrückt auf einen Mann zu schauen,
Der mit blutgem Schweiß und Todesgrauen
Auf sein Antlitz niedersank
und den Kelch des Vaters trank.

Ewig soll er mir vor Augen stehen,
Wie er, als ein stilles Lamm,
Dort so blutig und so bleich zu sehen,
Hängend an des Kreuzes Stamm;
Wie er dürstend rang um meine Seele,
Dass sie ihm zu seinem Lohn nicht fehle,
Und dann auch an mich gedacht,
Als er rief: Es ist vollbracht!

Ja, mein Jesu, lass mich nie vergessen
Meine Schuld und deine Huld!
Als ich in der Finsternis gesessen,
Trugest du mit mir Geduld;
Hattest längst nach deinem Schaf getrachtet,
Eh es auf des Hirten Ruf geachtet,
und mit teurem Lösegeld
Mich erkauft von dieser Welt.

Ich bin dein! – sprich du drauf Amen!
Treuster Jesu, du bist mein!
Drücke deinen süßen Jesusnamen
Brennend in mein Herz hinein!
Mit dir alles tun und alles lassen,
In dir leben und in dir erblassen:
Das sei bis zur letzten Stund
Unser Wandel, unser Bund.

Albert Knapp – Das Fräulein

„In einem Tal, von Felsen hoch umfasst,
Darüber Sonn‘ und Sterne längst erblasst,
Unheimlich dämmernd, nur von falbem Schein,
Saß eine Tote, kam erst kaum herein;
Auf ihrer Bank sind And’re noch gereiht,
Erst gestern gab man ihr das Grabgeleit.

Die Welt im Herzen, hatte sie gelebt,
Selbstsüchtig, arg, nach Ehre nur gestrebt,
Unrein im Innersten; doch konnte sie
Fromm, edel sich verhüllen, dass man nie,
Ob auch misstrauend, auf die Tiefe kam.
Bis sie des Todes Faust von hinnen nahm.

Dort sitzt sie nun, gerade wie sie war.
Doch schüttelt sie’s: „Warum ist’s hier nicht klar?
„Warum so schauerlich, so todesschwül?
Und die Genossen sind so fremd, so kühl?
Warum nicht bin ich in des Himmels Haus?“
Doch gibt sie drum ihr Innres nicht heraus.

Ein frommes Lied hebt sie zu singen an;
Es tönet schlecht, es ist nicht wohlgetan!
Die Stimme klingt wie hohler Scherbenton:
„Ich glaube doch an Gott und Seinen Sohn!
Ihm weih‘ ich kindlich meinen Lobgesang!“
So lügt sie fort, sie log ihr Lebenlang.

Sie finget fort: „Auf, Seele, sei vergnügt!
Du warest fromm und hast den Tod besiegt.
„Gestorben bin ich zwar das ist mir leid,
Doch trag‘ ich bald ein schönes Ehrenkleid!“
Da dunkelt’s näher um die Berge her,
Graß, wetterleuchtend steigt ein Wolkenmeer.

Dumpf donnert’s, und wie Geißeln fährt der Blitz;
Noch singet sie: „Du kommst von Deinem Sitz
„Zu Deinem Kind, o Vater!“ Sturm und Strahl!
Auf ihrer Stirne flackerts rot und fahl,
Da wird ihr Ton Entsetzen und Geheul!
Und oben wendet sich’s vom ew’gen Greu’l.“

Knapp, Albert – Dies Irae

Jenen Tag, den Tag der Wehen,
Muss die Welt in Brand vergehen,
Wie Prophetenspruch geschehen.

Weh! wie zittern dann die Schaaren,
Wird der Richter niederfahren,
Alles streng zu offenbaren!

Die Posaun‘ in Wundertönen,
Die durch alle Gräber dröhnen,
Ruft zum Thron den Erdensöhnen.

Tod, Natur, sie schau’n mit Beben
Alle Creatur sich heben,
Antwort vor Gericht zu geben.

Und ein Buch wird vorgetragen,
Das da wird von Allem sagen,
Weltgerichtsspruch aufzuschlagen.

Also vor des Richters Walten
Wird, was heimlich, sich entfalten,
Vor der Rache nichts behalten.

Ach! wie werd‘ ich denn bestehen?
Wen zum Anwalt mir erflehen,
Wenn Gerechte schier vergehen?

Herr, vor dessen Macht wir beben,
Freie Gnade kannst du geben;
Rett‘, o Gnadenquell, mein Leben!

Liebevoller Jesu, siehe!
Wie ich Ziel war deiner mühe,
Dass ich jenem Zorn entfliehe!

Mir nach war dein Schritt gewendet,
Du am Kreuz für mich verpfändet,
So viel Müh‘ sei nicht verschwendet!

Rächer, mit der heil’gen Waage,
Tilge wider mich die Klage
Vor dem grossen Rügetage!

Sieh, ich seufze schuldbeladen,
Schamroth über solchen Schaden;
Hör‘ mein Flehen, Gott, in Gnaden!

Du, der schuldfrei sprach Marien,
Und dem Schächer noch verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen!

Unwerth ist mein Fleh’n zu nennen,
Doch du Treuer, wollst mir gönnen,
Nicht in ew’ger Glut zu brennen!

Zu den Schafen mich geleite,
Von den Böcken in die Weite
Stelle mich zur rechten Seite!

Wenn Verworfne dein Verdammen
Niederstürzt in Pein und Flammen,
Ruf mit Sel’gen mich zusammen!

Flehend neig‘ ich Haupt und Hände,
Glimmt mein Herz, wie Asche; wende
Dich zu mir an meinem Ende!

O des Tages voller Zähren,
Wann vom Staube wiederkehren
Zum Gericht die Sünderschaaren!
Gott, dann wollst du gnädig fahren!

Jesu, frommer König, du,
Führe sie zu deiner Ruh!

Knapp, Albert – Abend ist es, Herr, die Stunde

1. Abend ist es, Herr, die Stunde
ist noch wie in Emmaus,
daß aus deiner Jünger Munde
jene Bitte kommen muß:
Bleib bei uns im Erdental,
halt mit uns dein Abendmahl,
und dein Friedensgruß erfülle
Herz und Herz mit heil’ger Stille.

2. Hingesunken ist die Sonne.
Deine Leuchte sinket nicht.
Herrlichkeit und ew’ge Wonne
sind vor deinem Angesicht.
Weithin schimmert Stern an Stern,
aber du, o Glanz des Herrn,
überstrahlest alle Sterne
in der weiten Himmelsferne.

3. Selig, wem du aufgegangen,
wem du in der armen Welt,
wo nur eitle Lichter prangen
friedlich seinen Geist erhellt.
Wenn die Tage nun entflohn
blickt er auf zu deinem Thron,
und auch auf den dunklen Wegen
strahlt ihm Gottes Heil entgegen.

4. Herr, die Nacht, die nun erschienen
mahnt mich an den letzten Tag,
ob ich mit getrosten Mienen
vor dein Antlitz treten mag.
Wandelt ich im Licht vor dir,
oder war es Nacht in mir?
Wer den Tag zum Schlaf genommen,
solchem kann kein Schlummer kommen.

5. Ist mein Tag ein Tag gewesen,
o dann schlaf ich friedlich ein.
Meine Glieder wirst du lösen
und des Hauptes Hüter sein.
Dann zum neuen Tageslauf
wach ich neu erleuchtet auf,
bis mein letzter Tag sich hebet
und im ew’gen Licht verschwebet.

Text: Albert Knapp (1798–1864)
Melodie: Freu dich sehr, o meine Seele (Genf 1551)
Quelle: GB Württemberg 1912, Nr. 39