Adolph Ludwig Follen – Dies Irae

Tag des Zornes, wenn er taget:
Feuerloh die Zeit zernaget:
Wie Sibyll mit David saget.

Ha! wie wird dann sein ein Beben,
Wird der Richter sich erheben,
Allwärts strenges Recht zu geben!

Der Posaune seltsam Hallen
Wird in allen Gräbern schallen;
Zu dem Richtstuhl Geister wallen.

Tod und Leben staunend sehen,
Wie herfür die Leichen gehen,
Dem Gerichte Rede stehen.

Und man wird das Buch entfalten,
Darin Alles steht enthalten;
Darnach wird der Richter schalten.

Also wenn da sitzt der Richter,
Dunkles tritt in helle Lichter,
Rache trifft die Bösewichter.

Weh! wie arm bin ich zu sagen!
Welchem Schirmvogt soll ich klagen,
Da Gerechte schier verzagen?

Der du, Fürst furchtbarer Grösse,
Nur verdammst das heillos Böse,
Born der Liebe, mich erlöse!

Denk, o frommer Christ, in Gnaden,
Ich war Ursach deinen Pfaden,
Wend‘ an jenem Tag den Schaden!

Suchend mich, sankst du in harter
Müh‘, um mich am Kreuz Erstarrter!
Nicht umsonst sei solche Marter!

Richter der gerechten Rache!
Das Geschenk „Vergebung“ mache,
Eh‘ der Rachetag erwache!

Stöhnend, gleich dem Bösewichte,
Roth von Schuld im Angesichte,
Bet‘ ich: Herr, Gott, gnädig richte!

Der du schuldfrei sprachst Marien,
Der dem Schächer du verziehen
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Unser Beten ist nicht theuer,
Doch du Gnadenreicher, Treuer,
Rette mich vor ew’gem Feuer!

Zu den Schäflein lass mich leiten,
Fern den Böcken lass mich schreiten,
Herr, zu deiner rechten Seiten.

Gott, wann du verruchte Bruten
Dann verdammst zu Höllengluten,
Rufe mich mit deinen Guten.

Brünstig Fleh’n zu dir ich sende,
Asche wird mein Herz elende,
Herre Gott, verwalt‘ mein Ende!

O du Tag, du Tag der Zähren,
Der aus Asche wird verklären,
Reif zum Spruch, das Volk der Erden!
Dem, o Gott, lass Gnade werden.

Frommer Jesu! Herre du:
Schenke denen Rast und Ruh!