Joachim Neander – Nach dem Gebrauch des H. Abendmahls.

Auff, auff! mein Geist, erhebe dich zum Himmmel,
Weich von dem Unbeständigen getümmmel,
Dadurch die Welt ihr blindes Volk betriegt;
Ich habe nun vom Himmels Manna gessen,
Bin an des guten Hirten Tisch gesessen,
Der alte Feind zu meinen Füssen liegt.

Was frag‘ ich nun nach Ehre, Lust und Schätzen?
Ein Lebens-strom der kan mich gnug ergätzen,
Der Durst ist hin, wie bin ich so erquickt!
Nun wird die Seel‘ in Wollust fetter werden,
Den Vorschmack hab ich schon auff dieser Erden,
Doch mache mich, o JEsu, mehr geschickt!

Gebeut als HErr dem theur erkaufften Kinde;
Gib, dass ich Krafft in dir als König finde;
Sey mein Prophet, so werd ich GOtt gelehrt;
Bist du mein Haupt, dann hab ich dich zum Führer;
Bist du mein Mann, so bist du mein Regierer;
Als Hoherpriester ist dein Opffer wehrt.

Was will ich mehr als diesen Himmels-Fürsten?
Ich werd hinfort in Ewigkeit nicht dürsten,
Weil mich der tränckt, der selbst das Leben ist.
Kein Hunger wird forthin die Seele pressen,
Dann mir ein Theil vom Manna zugemessen,
Das du allein, o süsser JEsu, bist.

Ich lebe nun, und wil mich GOtt ergeben,
Doch nicht ich, sondern CHristus ist mein Leben.
So lebe dann in mir, O GOttes Sohn;
Ich bin gewiss, dass droben und auff Erden
Barmhertzigkeit und Güte folgen werden,
Als ein durchs Blut des Lams erworb’ner Lohn.

Des Seligen Herren
Joachim Neanders
Berühmten Reformirten Predigers zu Bremen,
Geistreiche
Glaub- Liebes
und
Bundes-Lieder.

Gedruckt in Amsterdam, zu finden
Bey Samuel Schoonwald,
Buch-händler in der Kalberstrasse. 1725

Joachim Neander – Vor dem H. Abendmahl.

O Menschenfreund! O JEsu lebens Quell!
O Brünnlein voller Gnad, O mein erretter!
Erbarme dich, o kräfftiger vertretter!
Gedenck am mich! O mein Immanuel!
Ich stehe hier mit Furcht und Angst belegt,
Ich klag es dir, du Prüfer meiner Nieren.
Du bist ein Artzt, der Krancke Seelen trägt,
Du bist ein Hirt, der sein Schaaf selbst will führen.

Ich bin betrübt, ich fühle was mich plagt,
Mein Auge darff ich kaum zu dir auffheben,
Von ferne steh und seh‘ ich nach den Leben,
Nach dir, o Seligmacher ich nur tracht.
Aus Demuth schlag‘ ich auf die harte Brust,
Hie ligt die Sund, so mich von dir geschieden;
Ich schäme mich auch der verborg’nen Lust,
In welcher offt die Hertzen heimlich sieden.

Wo soll ich hin? Ich will zum Lebens-GOtt,
Es soll mich nichts von meinem Fels abtreiben.
Trotz Teuffel! JEsu will ich mich verschreiben,
Tod, Höll, dein Sieg und Stachel ist ein Spott!
Ich bin ein Glied an dem sieghafften Haupt,
Das Teuffel, Tod und Hölle hat bezwungen,
Ich bin durch Ihn, der Sünden-Rach entraub’t,
Es ist dem Held aus Davids Stamm gelungen.

Zu dir allen, O Heil Brun, ich nun komm,
Ich dürste sehr nach frischen Wasserquellen,
An deiner Tafel will ich mich einstellen,
Verstoss mich nicht, du bist geneigt und fromm.
Verborg’nes Manna, speise meine Seel,
Du offner Strohm kanst meinen Durst bald stillen,
Du treuer Hirt, dir ich mich gantz befehl,
Lass Hertz und Zung stäts seyn nach deinem Willen.

Des Seligen Herren
Joachim Neanders
Berühmten Reformirten Predigers zu Bremen,
Geistreiche
Glaub- Liebes
und
Bundes-Lieder.

Gedruckt in Amsterdam, zu finden
Bey Samuel Schoonwald,
Buch-händler in der Kalberstrasse. 1725

Joachim Neander – Der im Licht Wandlende

Jehova ist mein Licht und Gnadensonne,
Jevoha ist die Vollenkommenheit,
Jehova ist die reine Seelenwonne.
Jehova ist der Brunn voll Heiligkeit.
In diesem Licht kann ich viel Wunder seh’n,
die Vollenkommenheit ist meine Ruh,
Die Seelen-Freud Erquicket mich dar zu
in Heiligkeit muss ich auch zu ihm gehn.

Jehova ist ein unbegreifflich Wesen,
Da mein Verstand sich willig in verliert.
In seinem Wort ist dieses klar zu lesen,
Wie wunderbar der kluge Rath regiert;
Wer hat den Sinn des Geistes je erkannt?
Wer gab den Rath, der wahr von Ewigkeit
Vernunfft sey still; die See ist viel zu breit,
Und allzutieff, O kluger Unverstand!

Jehova, Grund und Leben aller Dinge,
Du bist fürwar ein unzugänglich Licht.
Gib, dass im Licht mein Wandel mir gelinge,
Ach führe mich mit deinem Angesicht!
Du bist mein Licht, und bist im Licht allein,
Du hassest den, der Finsternüssen liebt,
Du liebest den, der Recht und Licht dir gibt,
O lass mich stäts bey deinen Strahlen seyn.

Jehova, GOtt mit mir zu allen Zeiten,
Mit dir ich nun Gemeinschafft haben kann.
Wann du mich wirst mit deinen Augen leiten,
So wirst du mich zu Ehren nehmen an.
O blinde Welt! o Welt! Ich warne dich,
Fleuchst du dis Licht, und lauffest in der Nacht,
Die arme Seel ist ewig ümgebracht.
Nur Licht und Recht vereinigt GOtt und mich.

Des Seligen Herren
Joachim Neanders
Berühmten Reformirten Predigers zu Bremen,
Geistreiche
Glaub- Liebes
und
Bundes-Lieder.

Gedruckt in Amsterdam, zu finden
Bey Samuel Schoonwald,
Buch-händler in der Kalberstrasse. 1725

Joachim Neander – Der am Morgen Singende

O aller-höchster Menschen-Hüter!
Du unbegreifflich höchstes Gut,
Ich will dir opffern Hertz und Muth;
Stimt an mit mir, gedenckt der Güter,
All ihr Gemüther.

HErr, deiner Krafft ich nur zuschreibe,
Dass ich noch Othem schöpffen kan,
Du nimmst dich gnädig meiner an,
Du Vatter-Hertz, mich nicht vertreibe,
Heut bey mir bleibe.

Israels GOTT, da ist mein Wille,
Der sich dir willig untergiebt,
Dich über ALLES gerne liebt,
Das ist mein Wunsch, in früher Stille,
O Gnaden-Fülle!

Dein Angesicht mich heilig leite,
Dein Auge kräfftig auff mich seh‘,
Ich reise, geh‘ sitz oder steh‘,
Mich zu der Ewigkeit begleite,
HErr, mich bereite.

Lass Seel und Leib, so du gegeben,
Stäts seyn in deiner Furcht bereit,
Als Waffen der Gerechtigkeit,
Auch in dem Tod dir anzukleben,
O Seelen-Leben!

Gesegne mich auff meinen Wegen,
Mein Thun und Lassen lencke du,
In Unruh bleibe meine Ruh‘,
Biss ich zuletzt mich werde legen,
In Fried und Segen.

Des Seligen Herren
Joachim Neanders
Berühmten Reformirten Predigers zu Bremen,
Geistreiche
Glaub- Liebes
und
Bundes-Lieder.

Gedruckt in Amsterdam, zu finden
Bey Samuel Schoonwald,
Buch-händler in der Kalberstrasse. 1725

Joachim Neander – Der erwachende Christ

Zu deinem Felss und grossem Retter,
Hinauff! hinauff! O träge Zeel!
Dem starcken Feindes Untertretter,
dich früh mit danckbarkeit befehl.

Mein höchstes Guth, allein zu lieben,
Mein treuer Beystand, Zebaoth,
Ich will in deinem Lob mich üben,
O du versöhnter Sünders-GOtt!

Nur dir, mein HErr, hab‘ ich zu dancken,
Dass ich diss Tages-Licht anseh‘;
Mein Gott, mein Gott, lass mich nit wancken,
In Seelen Aengsten bey mir steh‘,

Was ich gedenck und heimlich mache,
Das weist du wol und kennest mich;
Ich bin bey dir, wann ich erwache,
Du bist bey mir, ich kenne Dich.

Ich schloss die matten Augen-Lieder
Für deinem Angesichte zu;
Nun öffnest du sie selber wieder,
Du, meiner Seelen stille Ruh.

Wach‘ auff mein Hertz, wacht auff ihr Sinnen!
Seyd munter, lebhafft, fanget an
Ein neues Lied früh zu beginnen,
Lobsinget dem, der ALLES kan.

Des Seligen Herren
Joachim Neanders
Berühmten Reformirten Predigers zu Bremen,
Geistreiche
Glaub- Liebes
und
Bundes-Lieder.

Gedruckt in Amsterdam, zu finden
Bey Samuel Schoonwald,
Buch-händler in der Kalberstrasse. 1725

Joachim Neander – Grund der Seeligkeit

Ich bin dein GOtt, dein höchstes Gut,
Ich bin mit dir versöhnet;
Es hat gekostet theures Blut,
So offt durch Sünd verhöhnet;
Gottlose mach Ich HErr gerecht,
Und der da war dess Teuffels Knecht,
Wird mein Kind und mein Erbe.

//Der Bund-Genoss.//

Ach HErr, ich bin viel zu gering
So grosser Vatter-Treue;
Der als ein GOttes Hasser gieng
Zu lästern ohne Reue;
Was bin ich HErr? was ist mein Haus?
Du köntest mich wol stossen aus
Mit deinem Fuss der Rache.

//Der Bundes-GOtt.//

Nein, nein; mein freyer Gnaden-Bund,
Ein Bund von Fried und Güte,
Ein Bürge, der im Mittel stund,
Mach’t, dass ich dich behüte.
Ein GOtt dess Sünders ich nun bin;
Doch must du haben CHristi Sinn,
Und nicht in Sünden bleiben.

//Der Bund-Genoss.//

So schaff‘ in mir ein reines Hertz,
Du Schöpffer aller Dinge;
Zerknirsche mich durch Reu und Schmertz,
Den alten Adam zwinge,
Ich kan ja gar nichts ohne dich,
O GOtt dess Bundes stärcke mich,
Von Rath und That groszmächtig!

//Der Bundes-GOtt.//

Ich habe schon an dich gedacht
Durch ewiges Erbarmen;
Dein JEsus hat es fest gemacht;
Lauff, lauff, zu seinen Armen!
Zur Weissheit und Gerechtigkeit,
Zur Heiligung ist Er bereit,
Erlösung ist er worden.

Des Seligen Herren
Joachim Neanders
Berühmten Reformirten Predigers zu Bremen,
Geistreiche
Glaub- Liebes
und
Bundes-Lieder.

Gedruckt in Amsterdam, zu finden
Bey Samuel Schoonwald,
Buch-händler in der Kalberstrasse. 1725

Neander, Joachim – Zeuch mich

Zeuch mich, zeuch mich mit den Armen
Deiner großen Freundlichkeit,
Jesu Christe, dein Erbarmen
Helfe meiner Blödigkeit;
Wirst du mich nicht zu dir ziehen,
Ach so muß ich von dir fliehen.

O du Hirte meiner Seelen,
Suche dein verirrtes Schaf;
Wem soll ich mich sonst befehlen?
Weck mich aus dem Sündenschlaf.
Guter Meister, laß mich laufen
Nach dir und nach deinem Haufen.

Wie ein Wolf den Wald erfüllet
Mit Geheul bei finstrer Nacht:
Also auch der Satan brüllet,
Um mich wie ein Löwe wacht.
Herr, er will dein Kind verschlingen,
Hilf im Glauben ihn bezwingen.

Seelenmörder, alte Schlange,
Tausendkünstler, schäme dich,
Schäme dich, mir ist nicht bange,
Denn mein Jesus tröstet mich;
Weil er ziehet, muß ich laufen,
Er will mich ihm selbst erkaufen.

Zeuch mich in den Liebesseilen,
Zeuch mich kräftig, o mein Gott,
Ach wie lange, lange Weilen,
Machst du mir, Herr Zebaoth;
Doch ich hoff in allen Nöthen,
Wenn du mich gleich wolltest tödten.

Mutterherze will zerbrechen
Ueber ihres Kindes Schmerz:
Du wirst dich an mir nicht rächen,
O du mehr als Mutterherz.
Zeuch mich von dem bösen Haufen,
Nach dir, Jesu, will ich laufen.

Mützell – Geistliche Lieder der evangelischen Kirche aus dem sechszehnten Jahrhundert

Neander, Joachim – Wo soll ich hin

Wo soll ich hin, wer hilfet mir?
Wer führet mich zum Leben?
Zu Niemand, Herr, als nur zu Dir,
Will ich mich frei begeben.
Du bist’s, der das Verlorne sucht,
Du segnest, was sonst war verflucht:
Hilf, Jesu, dem Elenden!

Herr, meine Sünden ängsten mich,
Der Todesleib mich plaget;
O Lebensgott, erbarme Dich,
Vergieb mir, was mich naget.
Die weißt es wohl, was mir gebricht;
Ich fühl’s, doch sagen kann ich’s nicht:
Hilf, Jesu, dem Betrübten.

Du sprichst, ich soll mich fürchten nicht;
Du rufst: Ich bin das Leben!
Drum ist mein Trost auf Dich gericht’t,
Du kannst mir Alles geben.
Im Tode kannst Du bei mir stehn,
In Noth als Herzog vor mir gehn:
Hilf, Jesu, dem Zerknirschten!

Du bist der Arzt, der Kranke trägt,
Auf Dich will ich mich legen.
Du bist der Hirt, der Schwache pflegt,
Erquicke mich mit Segen.
Ich bin gefährlich krank und schwach,
Heil und verbind, hör an die Klag‘:
Hilf, Jesu, dem Zerschlagnen!

Ich thue nicht, Herr, was ich soll,
Wie kann ich doch bestehen?
Es drücket mich, das weißt Du wohl,
Wie wird es endlich gehen?
Elender ich, wer wird mich doch
Erlösen von des Todes Joch?
Ich danke Gott durch Christum!

Schaff – Deutsches Gesangbuch

Neander, Joachim – In der stillen Einsamkeit

In der stillen Einsamkeit
Findest Du Dein Lob bereit;
Großer Gott, erhöre mich;
Meine Seele suchet Dich!

Der Du alle Sterne führst
Und der Jahre Lauf regierst,
Unveränderlich bist Du,
Nimmer still, und doch in Ruh‘.

Diese kalte Winterlust
Kräftig in die Herzen rufst:
„Seht, wo ist der Sommer hin?
Nur der Herr erwecket ihn!“

Gleich wie Wolle fällt der Schnee
Und bedecket Land und See;
Wehet aber Gottes Wind,
So zerfließet er geschwind.

Reif, wie Asche, nah und fern
Streuet aus die Hand des Herrn;
Wer kann bleiben vor dem Frost,
Wenn es weht von Nord und Ost?

O Beherrscher der Natur!
Allem zeigst Du Zeit und Spur;
Frühling, Sommer, Herbst und Eis
Nahn und fliehn auf Dein Geheiß.

Folgte Deines Worts Befehl
Auch so willig meine Seel‘!
O daß, Jesu, Deine Lieb‘
In mir lenkte jeden Trieb!

Friert da draußen Alles ein,
Soll mein Herz doch brennend sein;
Leuchte, o mein Heil, in mir,
O so glüht und lebt es Dir!

Schaff – Deutsches Gesangbuch

Neander, Joachim – Komm o komm Du Geist des Lebens

Komm, o komm, Du Geist des Lebens,
Wahrer Gott von Ewigkeit!
Deine Kraft sei nicht vergebens,
Sie erfüll uns jederzeit:
So wird Geist, ja Licht und Schein
In dem dunkeln Herzen sein.

Gieb in unser Herz und Sinnen
Weisheit, Rath, Verstand und Zucht,
Daß wir Andres nicht beginnen,
Denn was nur Dein Wille sucht;
Dein Erkenntniß werde groß
Und mach uns vom Irrthum los!

Zeige, Herr, die Wohlfahrtsstege!
Führ uns auf der rechten Bahn,
Räume alles aus dem Wege
Was im Lauf uns hindern kann.
Wirke Reu‘ an Sünden Statt,
Wenn der Fuß gestrauchelt hat!

Laß uns stets Dein Zeugniß fühlen,
Daß wir Gottes Kinder sind,
Die auf Ihn alleine zielen,
Wann sich Noth und Drangsal find’t!
Denn des Vaters Liebesruth‘
Ist uns allewege gut.

Reiz uns, daß wir zu Ihm treten
Frei, mit aller Freudigkeit;
Seufz auch in uns, wann wir beten,
Und vertritt uns allezeit:
So wird unsre Bitt‘ erhört
Und die Zuversicht vermehrt.

Wird uns dann um Trost auch bange,
Daß das Herz oft rufen muß:
Ach, mein Gott, mein Gott, wie lange!
Ei, so mache den Beschluß;
Sprich der Seele tröstlich zu,
Und gieb Muth, Geduld und Ruh‘!

O Du Geist der Kraft und Stärke,
Du gewisser neuer Geist,
Fördre in uns Deine Werke,
Wenn der Feind uns fliehen heißt;
Schenk uns Waffen in dem Krieg,
Und erhalt in uns den Sieg!

Herr, bewahr auch unsern Glauben,
Daß kein Teufel, Tod, noch Spott
Uns denselben möge rauben;
Du bist unser Schutz und Gott!
Sagt das Fleisch gleich immer nein,
Laß Dein Wort gewisser sein!

Wann wir endlich sollen sterben,
So versichre uns je mehr
Als des Himmelreiches Erben
Jener Herrlichkeit und Ehr‘,
Die Gott giebt durch Jesum Christ,
Und nicht auszusprechen ist.

Schaff – Deutsches Gesangbuch