Fichte, Johann Gottlieb – Dies irae.

Jenen Tag, den Tag der Fülle,
Fällt die Welt in Graus und Stille,
David zeugt’s und die Sibylle.

Angst ergreift die Creaturen,
Wie sie in azurnen Fluren
Seh’n des nah’nden Richters Spuren.

Die Posaun‘ im Wundertone
Regt auf, was in Gräbern wohne,
Sich zu stellen vor dem Throne.

Und der Tod gibt her mit Beben;
Seinen Raub dem neuen Leben;
Dann wird das Gericht anheben,

Und des Richters mächt’gem Schalten
Eine Rolle sich entfalten,
Um das Weltgericht zu halten.

Was hier floh‘ die Offenbarheit,
Tritt allda heraus in Klarheit,
Wird gerichtet nach der Wahrheit.

Was sag ich dann? Wen erkühren,
Meine Sache da zu führen,
Wo selbst Reine Fehler spüren?

Herrscher, dessen furchtbar’n Grösse
Ich erheb_ in meiner Blösse,
Gnadenquell dein Spruch mich löse.

Dass sodann ich nicht entfliehe
Deinem Schirm‘, o Jesu; siehe,
Ich war Ziel ja deiner Mühe.

Hast am Kreuz, an mächt’ger Fassung,
Mir erworben Sünd’erlassung,
Bleib‘ ich dann in der Umfassung.

Richter, Tilger meiner Sache,
Gieb, dass ich in dir erwache,
Eh‘ erscheint der Tag der Rache!

Nieder werf‘ ich mich in Demuth,
Hin zerfliess‘ ich dir in Wehmuth;
Ob der Schuld sieh‘ meine Demuth!

Gnade, die Marien offen,
Die des Schächers Reu‘ getroffen,
Lässt auch mich Erbarmen hoffen.

Zwar mein Fleh’n ist zu geringe;
Doch du thatest grosse Dinge,
Dass dem Feu’rpfuhl ich entginge.

Stell mich rechts zu deinen Schaaren,
Vor den Böcken wolls’t mich wahren,
Lass mich nicht mit ihnen fahren.

Wo die Weg‘ auf immer scheiden,
Jene geh’n zu ew’gen Leiden,
Lass mich heim zu deinen Freuden.

Denk in welcher Jammermiene
Ich gesuchet deine Sühne,
Dass mir selig‘ End‘ erschiene!