Couard, Christian Ludwig – Dies Irae

Tag des Zorns, in Aschenhülle
kleid’st du einst der Welten Hülle,
David zeugt’s und die Sibylle.

Welch‘ Entsetzen weckt die Kunde:
Jetzt ist da des Richters Stunde!
Alles prüft er aus dem Grunde.

Hat Posaunenhall geboten,
Gehn aus ihrer Gruft die Toten,
Zu des Richters Thron entboten.

Tod, Natur mit Schreckensspuren
Sehn erstehn auf allen Fluren
Zum Gericht die Kreaturen.

Und ein Buch wird aufgedecket,
Welches alle Welt entdecket,
Die zu Richtenden erschrecket.

Prüfend wird der Richter sehen,
Was im Finstern ist geschehen,
Nichts wird ungestraft hingehen.

Alle Ausflucht ist entschwunden,
Und kein Helfer zu erkunden,
Wo kein Reiner wird gefunden.

Herr, voll Majestät und Gnaden,
Der uns frei zum Reich geladen,
Rette mich, wend‘ allen Schaden!

Dort, o Jesu, sei dein Lieben,
Das vom Himmel dich getrieben,
Noch der Trost, der mir verblieben!

Littest für mich Angst und Hassen,
Wollt’st für mich am Kreuz erblassen,
O, wie könntest du mich lassen!

Herr, von dem, was ich verbrochen,
Lass mich doch sein losgesprochen,
Eh‘ der Richttag angebrochen!

Ach, vor Scham muss ich erröten,
Schuldbeladen vor dich treten,
Reuig „Herr verschone!“ beten.

Der du gnädig einst Marien,
Und dem Schächer hast verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Wertlos zwar sind meine Bitten,
Doch weil du für mich gelitten,
Reiß‘ mich aus der Hölle Mitten!

Woll’st mich zu den Schafen stellen,
Nicht den Böcken zugesellen,
Mir ein gnädig urteil fällen!

Wenn dann die Verdammten wimmern,
Wo der Hölle Gluten flimmern,
Lass dein Gnadenlicht mir schimmern!

Angstvoll und gebeugt hienieden,
Fleh‘ ich, Herr, lass deinen Frieden
Mir im Tode sein beschieden!