Berger, Johann Wilhelm – Mein Auge wacht

1. Mein Auge wacht
noch in der stillen Nacht;
drum ist mein Herz bedacht,
dich, Herr, zu loben.
Ach schenk es mir,
froh zu lobsingen dir
mit deinen Kindern hier
und Engeln droben!

2. Die stille Zeit
sei, Jesu, dir geweiht!
Nichts soll die Einsamkeit
mit dir entweihen.
Schließ selber du
mein Herz vor allem zu,
damit es sich in Ruh
mag in dir freuen.

3. Wie preis ich dich,
mein Jesu, dass du mich
aus Gnaden kräftiglich
zu dir gezogen!
Ach hätte doch
mit größrer Treue noch
sich deinem sanften Joch
mein Herz gebogen!

4. Es schmerzt mich tief,
daß, seit dein Geist mich rief,
ich dir noch erst entlief
durch Reiz der Sünden.
Mein treuer Hirt,
wie war ich oft verwirrt
und konnte, wie verirrt,
die Ruh nicht finden.

5. Doch deine Hand
war nicht von mir gewandt,
sie zog mich durch das Band
der Liebe wieder.
Dein Gnadenlicht
verließ den Sünder nicht,
dein holdes Angesicht
sah auf mich nieder.

6. Du riefst – ich kam,
gebeugt und voller Scham;
dein Vaterherze nahm
mich auf voll Liebe.
Da schmolz mein Herz
in reuevollem Schmerz;
du zogst es himmelwärts
im Liebestriebe.

7. O Gott voll Huld,
du trägst mich mit Geduld,
vergabst so oft die Schuld,
als ich dich flehte;
und dann sprachst du
mir wieder freundlich zu
und schenktest süße Ruh
mir im Gebete.

8. Herr, ich bin dein
und will es ewig sein;
ach zieh mich ganz hinein,
dass ich nicht wanke!
Wann kommt die Zeit,
dass ich dir ganz geweiht,
in heilgem Schmuck bereit,
als Sieger danke?

9. Doch deine Gnad,
die angefangen hat,
wird auch nach deinem Rat
das Werk vollenden.
Ich trau es dir.
Ach stärk den Glauben mir;
dann laß ich für und für
mich deinen Händen.

10. Mein einzig Gut,
in dem mein Sehnen ruht,
du machst mich wohlgemut
in deiner Liebe.
O fache dann
das Fünklein stärker an,
daß ich dich lieben kann
mit vollem Triebe!

11. Im Sturm der Welt
sei du mein heimlich Zelt,
der Anker, der mich hält,
wenn alles zaget.
In Not und Pein
nimm mich, o Liebe, ein;
so harr ich kindlich dein,
bis dass es taget.

12. Preis, Lob und Ehr
sei dir je mehr und mehr,
Jehova hoch und hehr,
in Jesu Namen,
im Staube hie,
oft unter Streit und Müh,
und einst in Harmonie
der Engel. Amen.

Text: Johann Wilhelm Berger (1747–1829)
Melodie: Nun schläfet man (1669)
Quelle; GB Württemberg 1912, Nr. 78