Johann Heermann – Zion klagt mit Angst und Schmerzen,

1. Zion klagt mit Angst und Schmerzen,
Zion, Gottes werte Stadt,
Die er trägt in seinem Herzen,
Die er sich erwählet hat.
Ach, spricht sie, wie hat mein Gott
Mich verlassen in der Not
Und lässt mich so harte pressen!
Meiner hat er ganz vergessen.

2. Der Gott, der mir hat versprochen
Seinen Beistand jederzeit,
Der lässt sich vergebens suchen
Jetzt in meiner Traurigkeit.
Ach, will er denn für und für
Grausam zürnen über mir?
Kann und will er sich der Armen
Jetzt nicht wie vorhin erbarmen?

3. Zion, o du Vielgeliebte!
Sprach zu ihr des Herren Mund,
Zwar du bist jetzt die Betrübte,
Seel‘ und Geist ist dir verwund’t;
Doch stell alles Trauern ein!
Wo mag eine Mutter sein,
Die ihr eigen Kind kann hassen
Und aus ihrer Sorge lassen?

4. Ja, wenn du gleich möchtest finden
Einen solchen Muttersinn,
Da die Liebe kann verschwinden,
So bleib ich doch, der ich bin.
Meine Treu bleibt gegen dir,
Zion, o du meine Zier;
Mein Herz hast du mir besessen,
Deiner kann ich nicht vergessen.

5. Lass dich nicht den Satan blenden,
Der sonst nichts als schrecken kann!
Siehe, hier in meinen Händen
Hab‘ ich dich geschrieben an.
Wie mag es denn anders sein?
Ich muss ja gedenken dein;
Deine Mauern will ich bauen
Und dich fort und fort anschauen.

6. Du bist mir stets vor den Augen,
Du liegst mir in meinem Schoß
Wie die Kindlein, die noch saugen,
Meine Treu‘ zu dir ist groß;
Dich und mich kann keine Zeit,
Keine Not, Gefahr und Streit,
Ja der Satan selbst nicht scheiden.
Bleib getreu in allem Leiden.

Heermann, Johann – Ach Jesu, dessen Treu‘

Ach Jesu, dessen Treu‘
Im Himmel und auf Erden
Durch keines Menschen Mund
Kann g’nug gepriesen werden;
Ich danke dir, daß du
Ein wahrer Mensch gebor’n,
Hast von mir abgewandt,
Daß ich nicht bin verlor’n.

Vornämlich wird in mir
All‘ Herzensangst gestillet,
Wenn mich dein süßer Nam‘
Mit seinem Trost erfüllet;
Kein Trost so liebreich ist,
Als den mir giebt dein Nam‘,
Der süße Jesus-Nam‘,
Du Fürst aus Davids Stamm!

O Jesu, höchster Schatz,
Du kannst nur Freude bringen,
Es kann Nichts lieblicher
Als Jesu Name klingen.
Ich kann nicht traurig sein,
Weil Jesus heißt so viel
Als Heiland oder Held,
Der selig machen will.

Wenn Satan sich bei mir
Mit Anfechtung will regen,
So ist mir Jesu Nam‘
Zum Trost, Schutz, Fried‘ und Segen,
Zur Weisheit und Arz’nei
In aller Angst und Noth,
Daß ich nicht fürchten darf
Den Teufel und den Tod.

Daß ich ein Zornkind bin,
Das macht die schnöde Sünde:
Dein Jesus-Nam‘ macht mich
Zu einem Gnadenkinde;
Er nimmt von mir hinweg
Die Schuld und Missethat,
Bringt mir die Seligkeit
Und deines Vaters Gnad‘.

Ei nun, so heil’ge mich,
Der ich bin ganz beflecket,
Dein heil’ger Jesus-Nam‘,
Der alle Sünd‘ zudecket;
Er kehre ab den Fluch,
den Segen zu mir wend‘,
Sei meine Stärk‘, dadurch
Sich alle Schwachheit end‘.

Er sei mein Licht, das mich
In Finsterniß erleuchte;
Er sei des Himmels Thau,
Der mich in Hitz‘ anfeuchte;
Er sei mein Schirm und Schild,
mein Schatten, Schloß und Hut,
Mein Reichthum, Ehr‘ und Ruhm;
Er sei mein höchstes Gut.

Er sei mein Himmelsweg,
Die Wahrheit und das Leben;
Er wolle mir zuletzt
Aus Gnaden dieses geben,
Daß ich alsdann in ihm
Dies Leben schließe wohl,
Wenn meine Sterbenszeit
Und Stunde kommen soll.

Inmittelst helf‘ er mir,
So lang‘ ich hier noch wandle,
Daß ich in meinem Thun
Treu und aufrichtig handle.
Er steh‘ mir allzeit bei
Mit seines Geistes Gab‘
Wenn ich in meinem Amt
Was zu verrichten hab‘.

In Jesu Namen bin
Ich heute aufgestanden,
In ihm vollbring‘ ich heut‘,
Was mir kommt unter Handen.
In seinem Namen ist
Der Anfang schon gemacht:
Das Mittel und der Schluß
Wird auch durch ihn vollbracht.

Dir leb‘ ich und in dir,
In dir will ich auch sterben.
Herr, sterben will ich dir,
In dir will ich ererben
Das ew’ge Himmelreich,
Daß du erworben mir
Von dir verklärt, will ich
Dir dienen für und für.

Johann Heermann – Was willst du dich betrüben,

Was willst du dich betrüben,
o meine liebe Seel’?
Tu den nur herzlich lieben,
der heißt Immanuel!
Vertrau doch ihm allein;
er wird gut alles machen
und fördern deine Sachen,
wie dir wird selig sein.

Denn Gott verlasset keinen,
der sich auf ihn verläßt.
Er bleibt getreu den Seinen,
die ihm vertrauen fest.
Läßt sich’s an wunderlich,
laß du gar nichts dir grauen;
mit Freuden wirst du schauen,
wie Gott wird helfen dir.

Auf ihn magst du es wagen
getrost mit frischem Mut;
mit ihm wirst du erjagen,
was dir ist nütz und gut.
Denn was Gott haben will,
das kann niemand verhindern
aus allen Menschenkindern,
soviel ihr’ sind im Spiel.

Er richt’s zu seinen Ehren
und deiner Seligkeit.
Soll’s sein, kein Mensch kann’s stören,
wenn’s ihm war noch so leid.
Will’s denn Gott haben nicht,
so kann’s niemand forttreiben,
es muß zurückebleiben.
Was Gott will, das geschieht.

Drum ich mich ihm ergeben,
dem sei es heimgestellt.
Nach nichts mehr ich sonst strebe
denn nur, was ihm gefällt.
Sein Will’ ist mein Begier.
Der ist und bleibt der beste,
das glaub’ ich steif und feste.
Wohl dem, der glaubt mit mir!

Johann Heermann – Das Gleichnis vom Acker

Da nun viel Volk zu Christo kam mit Haufen
aus allen Städten hin und her gelaufen,
wollt’ er durch Gleichnis ihre Herzen rühren
und zu Gott führen.

Ein Säemann, sprach er, säete seinen Samen,
von dem fiel etlich’s an den Weg; bald kamen
und fraßen’s auf die Vögel haufenweise
als ihre Speise.

Was sie noch übrig von den Körnlein ließen,
das ward vertreten ganz und gar mit Füßen;
es mußte da verderben in der Erden
und zu nichts werden.

Etliches fiel auf den Fels und mußt’ umkommen;
denn ihm ward aller Saft und Kraft benommen.
Viel ward von Dorn und Distel verdecket
und gar erstecket.

Das aber auf ein gut Land war gefallen,
trug hundertfältig seine Frucht für allen.
Itz rief der Herr: Wer Ohren hat zu hören,
lasse sich lehren!

Die Jünger baten, dieses zu erklären.
Wohlan, sprach Jesus, ich will euch gewähren
und meine Reden von himmlischen Sachen
verständlich machen!

Ihr habt die Gnad’: euch ist’s von Gott gegeben.
Die andern, so aus Hoffart sich erheben,
die hören’s, daß sie blind und taub an Sinnen
nichts wissen können.

Der Samen ist das Wort. Die an den Wegen
sind, die es hören und doch sein nicht pflegen.
Bald nimmt’s der Teufel weg, daß sie nicht gläuben,
noch in Gott bleiben.

Die auf dem Felsen nehmen’s an mit Freuden
und glauben, doch solange sie nichts leiden.
Kommt Kreuz, so fallen sie dahin und laufen
von Gott mit Haufen.

Was unter Dornen fällt, sind, die es hören
und lassen sich die schnöde Welt betören
mit Sorgen, Wollust, Geizen und viel Prangen,
dem sie anhangen.

Das gute Land sind, die das Wort fein merken,
behalten und daraus den Glauben stärken,
daß sie von Gott auch nicht nur mit Gedanken
im Kreuze wanken.

Gib, Jesu, daß ich mich zur Predigt dringe,
sie fleißig hör’ und edle Früchte bringe,
daß ich mein Kreuz geduldig auf mich fasse
und dich nicht lasse!

Johann Heermann – Es gingen zween Menschen hin,

Es gingen zween Menschen hin,
die hatten beide einen Sinn,
im Tempel anzubeten.

Der erste war ein Ordensmann,
der fing für Gott zu prahlen an
und kam mit Stolz getreten.
Ich danke dir, sprach er zu Gott,
daß ich mein Herz durch Sündennot
gleich andern nicht beflecket.
Dort steht ein Zöllner bei der Tür,
er darf wie ich nicht gehn herfür,
sein’ eigne Sünd’ ihn schrecket.
ln Ehbruch hab ich nicht gelebt,
dem Raub und Unrecht widerstrebt,
ganz rein ist mein Gewissen.
Was dein Gesetze schreibet für,
hab’ ich getan: drum kannst du mir
den Himmel nicht zuschließen.

Der ander’ aus der Zöllner Schar
im Herzen sehr betrübet war,
mit lauter Angst umgeben.
Er fürcht’te Gottes Zorngericht,
darum wollt’ er die Augen nicht
hinauf gen Himmel heben.
Er schlug mit Reu’ an seine Brust
und sprach: O Gott, dir ist bewußt
der Greuel meiner Sünden!
Es ist mir alles herzlich leid:
erzeige mir Barmherzigkeit,
laß deinen Zorn bald schwinden!

Ist gleich des Zöllners Bosheit groß,
spricht ihn doch Christus frei und los.
Der Pharisäer bleibet
in seinen Sünden, weil er sich
vor Gott aufbläst so trotziglich
und alles ihm zuschreibet.
Denn wer sich selbst hoch setzen will,
mit seinen Werken prangen viel,
der muß zugrunde gehen.
Wer aber sich fein niedrig setzt
und schlecht mit Gottes Gnad’ ergetzt,
den will Gott selbst erhöhen.

Johann Heermann – Herr, unser Gott, laß nicht zuschanden werden

Herr, unser Gott, laß nicht zuschanden werden
die, so in ihren Nöten und Beschwerden
bei Tag und Nacht auf deine Güte hoffen
und zu dir rufen!

Mache zuschanden alle, die dich hassen,
die sich allein auf ihre Madit verlassen!
Ach kehre dich mit Gnaden zu uns Armen;
laß dich’s erbarmen!

Und schaff uns Beistand wider unsre Feinde!
Wenn du ein Wort sprichst, werden sie bald Freunde;
sie müssen Wehr und Waffen niederlegen,
kein Glied mehr regen.

Wir haben niemand, dem wir uns vertrauen;
vergebens ist’s, auf Menschenhilfe bauen;
mit dir wir wollen Taten tun und kämpfen,
die Feinde dämpfen.

Du bist der Held, der sie kann untertreten
und das bedrängte, kleine Häuflein retten.
Wir traun auf dich, wir Schrein in Jesu Namen:
Hilf, Helfer! Amen.

Johann Heermann – Treuer Wächter Israel.

Treuer Wächter Israel.
des sich freuet meine Seel’,
der du weißt um alles Leid
deiner armen Christenheit:
o du Wächter, der du nicht
schläfst noch schlummerst, zu uns richt
dein hilfreiches Angesicht!

Schau, wie große Not und Qual
trifft dein Volk jetzt überall;
täglich wird der Trübsal mehr.
Hilf, ach hilf, schütz deine Lehr’!
Wir verderben, wir vergehn,
nichts wir sonst vor Augen sehn,
wo du nicht bei uns wirst stehn.

Andre traun auf ihre Kraft,
auf ihr Glück und Ritterschaft;
deine Christen traun auf dich,
auf dich traun sie festiglich.
Laß sie werden nicht zuschand,
bleib ihr Helfer und Beistand,
sind sie dir doch all’ bekannt!

Johann Heermann – Jetzt reis’ ich aus in Jesu Nam’

Jetzt reis’ ich aus in Jesu Nam’,
der mir zugut vom Himmel kam,
gereiset in dies Jammertal
aus seinem höchsten Freudensaal.

Was ich in Jesu Nam’ anheb’,
wohin ich denk’, wonach ich streb’,
das alles muß geraten wohl,
von Gottes Segen werden voll.

Du richtst, Herr Jesu, meinen Fuß,
daß nichts von dir mich wenden muß.
Du führst mich aus und wieder ein,
durch dich muß alles heilsam sein.

Befiehl den Engeln, daß sie mich
auf allen Wegen sicherlich
begleiten und mit ihrer Wach’
abwenden alles Ungemach!

Treib mein Vorhaben glücklich fort,
bring mich mit Freuden an den Ort,
dahin zu kommen ich gedenk’;
der Menschen Herzen zu mir lenk,

daß sie mich willig nehmen an,
wenn ich nicht Weiterreisen kann,
und mich zu solchen Leuten führ,
die fromm sind und gefallen dir!

Und wenn ich dann nach Wunsch vollbracht,
was zu vollbringen ich gedacht,
so führe du mich selbst nach Haus,
wie du mich hast geführet aus!

Johann Heermann – Herr Jesu Christe, mein getreuer Hirte

Herr Jesu Christe, mein getreuer Hirte,
komm, mit Gnaden mich bewirte!
Bei dir alleine find’ ich Heil und Leben;
was mir fehlt, kannst du mir geben.
Kyrielcison!

Du bist die lebendige Quelle,
zu dir ich mein Herzkrüglein stelle;
laß mit Trost es fließen voll,
so wird meiner Seele wohl.
Kyrieleison!

Ach komm selbst, leg an deine Hände
und die schwere Last von mir wende,
mache mich von Sünden frei,
dir zu dienen, Kraft verleih!
Kyrieleison!

In dir hab’ ich alles, was ich soll,
deiner Gnade Brünnlein ist stets voll.
Laß mich ewig sein in dir
und bleib ewig auch in mir!
Kyrieleison!

Johann Heermann – Der Tod klopft bei mir an

Der Tod klopft bei mir an,
das zeigen meine Schmerzen;
doch ist nichts, das mich schrecken kann.
Ich trage den im Herzen,
der meinen Tod durch seinen Tod
getötet hat und mir bei Gott
Gnad’, Hilf‘ und Heil erworben.
Wer an ihn glaubt
und treu verbleibt,
der bleibet unverdorben.

Drum wenn mich Gott von hinnen nimmt,
so denke nicht mit Schmerzen,
er sei auf dich und mich ergrimmt;
er liebet uns von Herzen,
er liebet, sag‘ ich, dich und mich,
das glaub, o Liebste, sicherlich!
Werd‘ ich von dir genommen
auf kurze Zeit,
in Herrlichkeit
wirst du dort zu mir kommen.

Ach, hebt die Augen auf mit mir!
Den Himmel sah ich offen.
Ach. ach, wie schön ist meine Zier,
Gott hör‘ ich mir schon rufen:
Komm, treuer Knecht, o geh herein,
jetzt sollst du ewig bei mir sein
und meine Freude schmecken!
Hinfort soll dir
kein Feind bei mir
Gefahr und Furcht erwecken.

Wo bleibt Verfolgung, Angst und Qual?
Was soll ich Ärmster sagen
von Plünderung, die etlich‘ Mal
ich habe müssen tragen?
Was bringt nicht Krankheit für Gefahr,
die mir jetzt in die zwanzig Jahr
den matten Leib durchritten?
Was hab’ ich sonst
bei meiner Kunst
nicht da und dort erlitten?

Nun bringt mich Gott zur sichern Ruh’,
kein Unglück kann mich letzen,
er schließt die Türe nach mir zu,
nun mag der Teufel hetzen
mit seinen Hunden, wie er will;
und wären ihrer noch so viel,
soll er mir doch nicht schaden.
Ich bin bei Gott,
wo keine Not;
bei Gott bin ich in Gnaden.

Bald wird mir Gott selbst legen an
ein Kleid, das nicht veralten,
ein Kleid, das kein Dieb stehlen kann,
das mich nicht läßt erkalten.
Hier bin ich nur ein Wandersmann,
der nichts Erbeignes haben kann:
dort aber werd’ ich haben
das Vaterland
mir zugewandt
mit allen seinen Gaben.