Hähnel – Dies Irae

1840

Tag des Zornes, wirst vergelten,
Lösest auf in Staub die Welten,
Wie Sibyll und David melden.

Welch ein Schrecken wird da walten,
Naht der Herr, – Gericht zu halten,
Alles strenge zu entfalten.

Die Posaun‘ im Wundertone
Dröhnt durch Grüfte jeder Zone,
Zwinget alle hin zum Throne.

Die Natur, der Tod wird beben,
Wenn sich ihre Opfer heben,
Und dem Richter Antwort geben.

Auch das Buch wird aufgeschlagen,
Worin alles eingetragen,
Um hiernach das Recht zu sagen.

Vor des Richters Angesichte
Das Geheimste kömmt zum Lichte,
Nichts entrinnt dem Weltgerichte.

Wie wird’s Armen mir ergehen?
Wo werd‘ ich dann Schutz erflehen,
Wenn Gerechte kaum bestehen?

König, hehr und furchtbar dräuend,
Würd’gen Hilfe gern verleihen,
Hilf auch mir dann, mild verzeihend!

Denke, Jesu, deiner Qualen,
Dass mir galt dein Erdenwallen,
Lass mich, Güt’ger, dort nicht fallen!

Hast gesucht mich unverdrossen,
Hast dein Blut für mich vergossen,
Nicht umsonst sei es geflossen.

Rechter mit gerechter Waage,
Höre meiner Reue klage
Noch vor jenem Rächertage!

Ich erseufze schuldbeladen,
Ich erröt‘ ob meiner Taten,
Mich verschone, Born der Gnaden!

Magdalenen wird verziehen,
Und dem Schächer Heil verliehen,
Hoffnung will auch mich durchglühen.

Zwar unwürdig ist mein Flehen,
Doch lass mich nicht untergehen
In der Flammen ew’gen Wehen!

Bei den Lämmern lass mich weiden,
Woll‘ mich von den Böcken scheiden,
Stellend mich zur rechten Seiten!

Und wenn die Verdammten beben,
Grausen Flammen übergeben,
Ruf‘ mich ein zum ew’gen Leben!

Mit zerknirschtem Herzen wende
Ich im Staub‘ zu dir die Hände:
Schenke mir ein selig Ende!