Zinzendorf, Nikolaus von – Seufzen um Gnade.

Ach mein verwund’ter Fürste!
Nach Dessen Heil ich dürste,
In Dem mein Sehnen ruht,
An Dessen Liebesherzen
Mir wohl ist, und die Schmerzen
Selbst heilsam für mich sind und gut:

Nach Dir allein verlangen,
Das heißt schon an Dir hangen;
Zu Dir voll Liebe sein,
Das heißet Dich besitzen;
Vor Dienstbegierde schwitzen,
Das schreibst Du schon als Arbeit ein.

Nimm mich mit Liebserbarmen
Beim Herzen, bei den Armen,
Und setz‘ ein Siegel drauf;
Lass mich verschlossen werden
Vor dem Geräusch der Erden,
Dir aber mache selber auf!

(1737.)

Zinzendorff, Nikolaus von – Übergang in den Gnadenstand.

Als der HErr am Kreuz gestorben,
War die Macht des Todes hin:
Und da hat Er mich erworben,
Dass ich ewig Seine bin.

Seine sein – was will das sagen?
Tag für Tag bis in die Nacht
Seine Seel in Händen tragen:
Und, sobald man aufgewacht,

Seinen Heiland kindlich bitten,
Dass Er uns den ganzen Tag
Und bei allen Tritt- und Schritten,
Wie’s Ihm recht ist, leiten mag.

Das gibt eine sanfte Regung,
Ohne Plag‘ und Dunkelheit,
Eine liebliche Bewegung
Nach des Heilands Wirksamkeit.

Und ein Mensch, der also handelt,
Ist ein hochbeglückter Mann,
Weil er stets mit Jesu wandelt,
Und sich nicht verlieren kann.

Freilich maßt man dieser Gnade
Sich unangefragt nicht an;
Doch es geht auf einem Pfade,
Drauf ein Tor nicht irren kann.

Und je will’ger eine Seele,
Die da weiß, was Wahrheit sei,
Eingeht in die dunkle Höhle:
Desto schneller ist sie frei.

Die um Ihn erregten Sorgen,
Die Sein Geist an’s Herz gebracht,
Machen einen trüben Morgen,
Auch wohl eine bange Nacht,

Denn wir hören eine Frage:
Ob wir an den Bund gedacht,
Den am frühsten Lebenstage
Gottes Sohn mit uns gemacht?

Und indem wir daran denken,
Zittert uns wohl Mark und Bein;
Darauf folgt ein sel’ges Kränken,
Dass wir abgefallen sei’n.

Das erpresst ein Maß von Tränen:
„Ach, wo krieg‘ ich Jesum her?“
Und ein kindlich banges Sehnen:
„Wenn Er doch mein Heiland wär‘!“

Augenblicklich steht der Fürste
Mit der offnen Seite da,
Und man fühlt es, wie Er dürste,
Dass Er unsre Seel‘ umfah‘.

Damit geht die Seele über
In die durchgegrab’ne Hand;
Und er hat sie so viel lieber,
Als Er viel an sie gewandt.

Da bekommt sie so geschwinde,
Als sie kaum darum geweint,
Die Vergebung aller Sünde,
Und das Lamm zum ew’gen Freund.

(1740.)

Friedrich Philipp Hiller – Die Gnade sei mit Allen

1. Die Gnade sei mit Allen:
Die Gnade unsres Herrn,
Des Herrn, dem wir hie wallen
Und sähn sein Kommen gern.

2. Auf dem so schmalen Pfade
Gelingt uns ja kein Tritt,
Es gehe seine Gnade
Denn bis ans Ende mit.

3. Auf Gnade darf man trauen;
Man traut ihr ohne Reu,
Und wenn uns je will grauen,
So bleibts: Der Herr ist treu!

4. Die Gnade, die den Alten
Half zwei Weh überstehn,
Die wird auch uns erhalten,
Da wir im dritten stehn.1Offenb. 11,14.

5. Wird stets der Jammer größer,
So glaubt und ruft man noch:
Du mächtiger Erlöser,
Du kommst; so komme doch!

6. Damit wir nicht erliegen,
Muss Gnade mit uns sein,
Denn sie flößt zu den Siegen
Geduld und Glauben ein.

7. So scheint uns nichts ein Schade,
Was man um Jesum misst;
Der Herr hat eine Gnade,
Die über Alles ist.

8. Bald ist es überwunden
Nur durch des Lammes Blut,
Das in den schwersten Stunden
Die größten Taten tut.

9. Herr, lass es dir gefallen;
Noch immer rufen wir:
Die Gnade sei mit Allen,
Die Gnade seh mit mir!

Friedr. Phil. Hiller.

Huhn, August Friedrich – Des Herren Güte ists alleine

Des HErren Güte ists alleine,
Dass es mit uns noch nicht gar aus.
Erkenne das, du Christgemeine
Du, Seines Geistes Leib und Haus,
Fall deinem Gott und Herrn zu Fuße
Und danke. Ihm mit Mund und Tat,
Erneure dich zu wahrer Buße,
Gehe hin in Seinen Liebesrat.

Ihm ists ein Ernst um unsre Seelen,
Er setzt Sein ganzes Herze dran,
Dass wir des Heiles nicht verfehlen,
Dass wir Ihm bleiben zugetan.
O lass dich Seinen Ernst bewegen;
Schau wie er vor dir hat gericht’t;
Lass dir Sein Tun ins Herze legen;
Halt aus in Seiner Wahrheit Licht!

Nun HErr, voll Ernst,
HErr, voll Erbarmen,
Wir kommen vor Dein Angesicht,
Ach, habe Mitleid mit uns Armen
Und geh mit uns nicht ins Gericht!
Gott, gib uns Buße, gib uns Glauben,
ass wachend wir und betend stehn!
Lass, was wir haben, nichts uns rauben;
Zu keinem anderen woll’n wir gehn!“

Amen.

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Jesu Gnadenführungen.

Wem wollen wir, so lang‘ wir leben, gläuben?
Bei wessen Lehre nun und ewig bleiben?

Wem, Seele, sollst du Hut und Wache halten?
Dem Gott allein der vierundzwanzig Alten; (Offb. 4.)

Dem Gott und HErrn, in dessen heil’gen Wunden
Die Thomaschristen all‘ ihr Heil gefunden; (Joh. 20,27.)

Dem Meister, welchem, als Er ihn erleuchtet,
Nathanael sein ganzes Herz gebeichtet;

Dem Gottessohn, den jener Felsprophete, (Mtth. 16,16.)
Von Gott gelehrt, als Gottes Sohn erhöhte;

Dem Seher, der den Jüngern durch Sein Lehren
Daß Herz im Leibe wusste umzukehren,

Daß es entbrannte und doch nicht verbrannte,
Und Ihn durch lauter Lieblichkeit erkannte.

Dem, Seele, Dem gehörst du ganz alleine,
O Seele, kleines Wesen, aber Seine!

So lange Der sich Nichts will nehmen lassen,
So lange kannst du Ihn bei’m Arme fassen,

Und kannst die ganze Welt vergehen sehen
Und glauben: „Mir kann doch kein Leid geschehen!“

Blaul, Georg Friedrich – Verwirf mich nicht.

Mel. Ach bleib‘ mit deiner Gnade.

O Herr, dem Tod und Leben
Im himmlischen Gericht
Vom Vater übergeben,
O Herr, verwirf mich nicht!

Wohl kenn ich meine Sünden
Und meinen harten Sinn,
Weiß, dass ich Gnad‘ zu finden
Vor dir nicht würdig bin.

Doch kenn‘ ich auch dein Lieben,
Das dich voll Heldenmuth
Einst in den Tod getrieben,
Den Sündern all‘ zu gut.

Ich kenne dein Erbarmen,
Und deine Huld und Treu‘,
Weiß, du vergibst dem Armen,
Der kommt voll Leid und Reu‘.

So komm‘ ich denn als Armer
Voll Trauer, Leid und Reu‘,
D Jesu, du Erbarmer,
Mach‘ deine Gnade neu!

Hilf mir zu neuem Leben,
Dass ich, von Sünden frei,
Dir ganz und gar ergeben,
Ganz deiner würdig sei.

Und sollt ich wieder wanken,
Gib deines Geistes Licht,
Und lenke die Gedanken,
O Herr, auf dein Gericht.

Und wenn des Leibes Hütte
Im Todeskampf zerbricht,
Dann höre meine Bitte:
O Herr, verwirf mich nicht!

Dein freundlich Antlitz kehre
Nicht von mir im Gericht.
Mein Flehen nur erhöre:
O Herr, verwirf mich nicht!

Behm, Martin – Gott Vater, reich von Güte

Gott Vater, reich von Güte,
Ich dank dir in meim Gemüthe,
Weil du hast die Menschen alle
Nach dem schweren Sündenfalle
Gnädigst wieder angenommen,
Dein Sohn lassen zu uns kommen,
Der uns sollt von Sünden retten,
Daß wir ewig Frieden hätten.

Davon zeugten die Propheten,
Daß man ihn für uns sollt tödten.
Die Figuren auf ihn weisten,
Daß er uns sollt Hülfe leisten.
Dazu hat er selbst gesaget,
Er sollt sein für uns geplaget,
Hasts auch offenbart den Heiden,
Daß dein Sohn den Tod sollt leiden.

Herr, dein Wort erhalt uns reine,
Weil es Christum weist alleine,
Das Verständniß uns aufthue,
Daß wir in ihm finden Ruhe;
Wollst der Menschen Satzungn wehren
Und ausreuten falsche Lehren,
So auf Werk die Menschen weisen,
Nicht allein dein Gnade preisen.

Durch dein Geist das Herz entzünde,
Uns durch Lieb mit dir verbinde,
Daß wir nach der Schrift uns richten
Und zu deinem Dienst verpflichten,
Daß wir mit den lieben Alten
Unverrückt im Glauben halten
Und mit ihn allsammt zugleiche
Bei dir sein im Himmelreiche.

Paul Gerhardt – O Gott, mein Schöpfer, edler Fürst

  1. O Gott, mein Schöpfer, edler Fürst
    und Vater meines Lebens,
    Wo du mein Leben nicht regierst,
    so leb ich hier vergebens.
    Ja lebendig bin ich auch tot,
    der Sünden ganz ergeben,
    Wer sich wälzt im Sündenkot,
    der hat das rechte Leben
    noch niemals recht gesehen.
  2. Darum so wende deine Gnad
    zu deinem armen Kinde
    und gib mir allzeit guten Rat:
    Behüte meines Mundes Tür,
    Daß mir ja nicht entfahre
    ein solches Wort, dadurch ich dir
    und deiner frommen Schare
    verdrießlich sei und schade.
  3. Bewahr, o Vater mein Gehör
    auf dieser schönen Erde
    vor allem, dadurch deine Ehr
    und Reich beschimpfet werde;
    Laß mich der Lästrer Gall und Gift
    ja nimmermehr berühren,
    Denn wen ein solcher Unflat trifft,
    den pflegt er zu verführen,
    auch wohl gar umzukehren.
  4. Regier meiner Augenlicht,
    daß sie nichts Arges treiben,
    ein unverschämtes Angesicht
    laß ferne von mir bleiben:
    Was ehrbar ist, was Zucht erhält,
    Wonach die Englein trachten,
    was dir beliebt und wohlgefällt,
    das laß auch mich hochachten,
    all Üppigkeit verlachen.
  5. Gib, daß ich mich nicht lasse ein
    zum Schlemmen und zum Prassen,
    laß deine Lust mein eigen sein,
    die andere fliehn und hassen.
    Die Lust, die unser Fleisch ergetzt,
    Die zeucht uns nach der Höllen,
    und was die Welt für Freude schätzt,
    pflegt Seel und Geist zu fällen
    und ewiglich zu quälen.
  6. O selig ist, der stets sich nährt
    mit Himmels Speis und Tränken,
    Der nichts mehr schmeckt, nichts sieht und hört,
    auch nichts begehrt zu denken,
    Als nur was zu dem Leben bringt,
    da man bei Gotte lebet
    Und bei der Schar, die fröhlich singt
    und in der Wollust schwebet,
    die keine Zeit aufhebet.

Gerhardt, Paul – O Herrscher in dem Himmelszelt

  1. O Herrscher in dem Himmelzelt,
    Was ist es doch, das unser Feld
    Und was es uns hervorgebracht,
    So ungestalt und traurig macht!
  2. Nichts anders, traun, als daß die Schar
    Der Menschen sich so ganz und gar
    Bis in den tiefsten Grund verkehrt
    Und täglich ihre Schuld vermehrt.
  3. Die, so, als Gottes Eigentum,
    Stets preisen sollten Gottes Ruhm
    Und lieben seines Wortes Kraft,
    Sind gleich der blinden Heidenschaft.
  4. Drum wird uns auch der Himmel blind,
    Des Firmamentes Glanz verschwind´t,
    Wir warten, wenn der Tag anbricht,
    Aufs Tageslicht und kommt doch nicht.
  5. Man zankt noch immer fort und fort,
    Es bleibet Krieg an allem Ort,
    In allen Winkeln Haß und Neid,
    In allen Ständen Streitigkeit.
  6. Drum strecken auch all Element
    Hier wider uns aus ihre Händ,
    Angst kommt uns aus der Tief und See,
    Angst kommt uns aus der Luft und Höh.
  7. Es ist ein hochbetrübte Zeit;
    Man plagt und jagt die armen Leut,
    Eh als es Zeit, zur Grube zu
    Und gönnet Ihnen keine Ruh.
  8. Drum trauert auch der Freudenquell,
    Die Sonn, und scheint uns nicht so hell;
    Die Wolken gießen allzumal
    Die Tränen ohne Maß und Zahl.
  9. Ach, wein auch du, o Menschenkind,
    Und traure über deine Sünd ;
    Halt doch von deinen Lastern ein
    Und mache dich durch Buße rein.
  10. Fall auf die Knie, fall in die Arm
    Des Herrn, daß sich sein Herz erbarm
    Und der so wohl verdienten Rach
    In Gnaden bald ein Ende mach!
  11. Er ist ja fromm und bleibet fromm,
    Begehret nichts mehr, als daß man komm
    Und mit geneigter Furcht und Scheu
    Ihn bitt um Gnad und Vatertreu.
  12. Ach Vater, Vater, höre doch
    Und lös uns aus dem Sündenjoch
    Und zeuch uns aus der Welt herfür
    Und kehr uns selbsten du zu dir!
  13. Erweiche unsern harten Mut
    Und mach uns Böse fromm und gut;
    Wen du bekehrst, der wird bekehrt,
    Und wer dich hört, der wird erhört.
  14. Laß deine Augen freundlich sein
    Und nimm mit gnädigen Ohren ein
    Das Angstgeschrei, das von der Erd
    Aus unserm Herzen zu dir fährt.
  15. Reiß weg das schwarze Zorngewand,
    Erquicke uns und unser Land
    Und der so schönen Früchte Kranz
    Mit süßem warmen Sonnenglanz.
  16. Verleih uns bis in unsern Tod
    Alltäglich unser liebes Brot
    Und dermaleinst nach dieser Zeit
    Das süße Brot der Ewigkeit!