Karl Johann Philipp Spitta – Abendlied

Herr! des Tages Mühen und Beschwerden
Machtest du durch deine Nähe leicht;
Bleib bei mir, da es will Abend werden,
Bleib bei mir, da sich der Tag geneigt!
Wie am Tag du stärkend bei mir weiltest,
O so tritt am Abend auch herzu;
Wie du meine Müh und Arbeit teiltest,
O so teile segnend meine Ruh.

Komm denn nach des Tages lautem Leben,
Komm, du reicher Gast, kehr bei mir ein,
Heil zu spenden, Schulden zu vergeben,
Ruh und Fried und Freude zu verleih‘n!
Des vergang‘nen Tages Wunden, Schmerzen
Heile, lindre und verbanne du,
Und lass mich zuletzt an deinem Herzen
Finden eine sanfte, nächt’ge Ruh!

Amen!

Josua Stegmann – Abendandacht.

Die Sonn hat sich mit ihrem Glanz gewendet
Und, was sie soll, auf diesen Tag vollendet;
Die dunkle Nacht dringt allenthalben zu,
Bringt Menschen, Vieh und alle Welt zur Ruh.

Ich preise dich, du Herr der Nächt und Tage,
Dass du mich heut vor aller Not und Plage
Durch deine Hand und hochberühmte Macht
Hast unverletzt und frei hindurch gebracht.

Vergib, wo ich bei Tage so gelebet,
Dass ich nach dem, was finster ist, gestrebet;
Lass alle Schuld durch deinen Gnadenschein
In Ewigkeit bei dir verloschen sein.

Schaff, dass mein Geist dich ungehindert schaue,
Indem ich mich der trüben Nacht vertraue,
und dass der Leib auf diesen schweren Tag
Sich seiner Kraft fein sanft erholen mag.

Vergönne, dass der lieben Englein Scharen
Mich vor der Macht der Finsternis bewahren,
Auf dass ich vor der Lift und Tyrannei
Der argen Feind im Schlafe sicher sei.

Herr! wenn mich wird die lange Nacht bedecken
Und in die Ruh des tiefen Grabes strecken:
So blicke mich mit deinen Augen an,
Daraus ich Licht im Tode nehmen kann;

Und lass hernach zugleich mit allen Frommen
Mich zu dem Glanz des andern Lebens kommen,
Da du uns hast den großen Tag bestimmt,
Dem keine Nacht sein Licht und Klarheit nimmt.

Nicolaus Herman. – Kurzer Abendsegen.

Hinunter ist der Sonnenschein,
Die finstre Nacht bricht stark herein,
Leucht uns, Herr Christ, du wahres Licht,
Lass uns im Finstern tappen nicht.

Dir sei Dank, dass du uns den Tag
Für Schaden, Fahr und mancher Plag
Durch deine Engel hast behüt
Aus Gnad und väterlicher Güt.

Womit wir habn erzürnet dich,
Desselb verzeih uns gnädiglich
und rechn es unsrer Seel nicht zu,
Lass uns schlafen mit Fried und Ruh.

Durch deine Engel die Wach bestell,
Dass uns der böse Feind nicht fäll.
Für Schrecken, Gespenst und Feuersnot
Behüt uns heint, o lieber Gott.

Amen.

unbekannt – Täglicher Morgen- und Abendsegen.

Des Morgens wenn ich früh aufsteh,
und des Abends zu Bette geh,
Sehn meine Augen, Herr, auf dich,
Herr Jesu! Dir befehl ich mich.

In den heilgen fünf Wunden dein
Da kann ich ruhn und sicher sein
Mit Leib und Seele, Hab und Gut:
Mein Schatz ist nur dein heilges Blut.

Denn, o Herr Christ! am Kreuzesstamm
Dein heilges Blut die Sünd hinnahm;
Drum ich wach oder schlafe ein,
Wollst du, Herr, allzeit bei mir sein.

Dein Engel mir stets halte Wacht;
Drum ich Tod, Teufel, Höll nicht acht,
Denn wo ich bin, bist du bei mir:
Mein Glück und Kreuz kommt alls von dir.

Ich leb odr sterb, so bin ich dein;
Darum ich dir die Seele mein
Befehl jetzund und auch im Tod:
Nimm sie zu dir, o treuer Gott!

Heinrich Puchta – Herr, lass mich heute nicht entschlafen,

Herr, lass mich heute nicht entschlafen,
Bevor ich nicht mit Herz und Mund
In Buß und Tränen neu gereinigt
Den tiefbefleckten Seelengrund.
Lass mich vor deinen Spiegel treten,
Der mir mein ganzes Innre zeigt;
Lass dein Gesetz die Wahrheit sprechen,
Die das betörte Herz verschweigt.

Wenn du mich strafst um meine Sünde,
Wenn der gerechte Mund mir flucht,
Dann wird das Herz von keinem Frieden,
Das Aug‘ von keinem Schlaf besucht.
Wer könnte dein Gericht empfinden
Und sich erfreu’n der süßen Ruh?
Die Einsamkeit wird ihn erwecken,
Die Stille ruft ihm Schrecken zu.

Verbirg dein Antlitz meinen Sünden,
Dein Licht vor meiner Missetat;
Lass mich auf ihn die Hoffnung gründen,
Der meine Schuld getragen hat.
Drück mir den Stachel und den Kummer
Nicht tiefer ins Gewissen ein;
Lass jeden Atemzug im Schlummer
Ein Wehen deiner Gnade sein.

Amen.

Elisa von der Recke – Beim Anblick des gestirnten Himmels

Wie wonnevoll schwillt meine Brust
Schau‘ ich zur Himmels Sphäre!
Dort jauchz‘ ich einst voll reiner Lust
Mit euch, ihr Engel Chöre!
Dort, Weltenschöpfer! schau‘ ich dich:
Wie sehnt mein Geist – wie sehnt er sich
Nach dieser Feierstunde!

Gott schau‘ ich! Der Gedank‘ entreißt
Mich schon der Erde Schranken.
Einst schau‘ ich Gott! wie fühlt mein Geist
Gedränge von Gedanken;
Die über alles Denken weit
zu hocherhabner Seligkeit
Des Himmels mich erheben.

Doch Schatten ist, o Sterblicher,
Dein Bild von jenem Leben.
Die Schöpfung zeigt’s, der Weltenherr
Wird größre Wonne geben!
Drum bild‘ o Seele! bilde dir,
So schön du kannst, die Freuden hier,
Und streb‘ nach höchster Würde.

Freylinghausen, Johann Anastasius – Abendlied.

Eigene Weise.

1. Unerschaffne Lebenssonne,
Licht vom unerschaffnen Licht,
Das die Finsternis durchbricht,
Gehe auf zu meiner Wonne
Und bestrahle meinen Sinn,
Da man spricht: Der Tag ist hin.

2. Finster ist mein ganzes Wesen,
Und Ägyptens dunkle Nacht,
Die die Höll hervorgebracht,
Macht, dass ich nicht kann genesen,
Wo nicht deiner Klarheit Schein
Meine Kräfte nimmet ein.

3. Ach, drum dringet meine Seele
Aus der Sünden Dunkelheit
Hin zu deiner Heiterkeit,
Die ich mir zum Trost erwähle,
Wenn der Finsternis Verdruss
Ich mit Schmerzen leiden muss.

4. Denn die Sünde bringt uns Leiden
Als die aus dem Abgrund ist
Von dem, der durch seine List
Uns geführet in ein Scheiden
Von der Liebe, die so zart
Sich ehmals mit uns gepaart.

5. Aber dein Licht ist das Leben,
Das die Toten wecket auf
Und befördert ihren Lauf;
O was Freude kann es geben!
Nichts als lauter Wollust ist,
Wo du Licht und Leben bist.

6. Lass mich diese Wollust schmecken,
Die so keusch und sauber macht,
Dass ich Fremdes gar nicht acht;
Reiße weg die Sündendecken,
Welche machen, dass dein Glanz
Mein Herz nicht erfüllet ganz.

7. O dass doch der Abend käme,
Da es soll so lichte sein,
Und des Geistes heller Schein
Uns dir machte recht bequeme!
Ja, was mehr, dass ich im Sinn
Hören möcht: Die Nacht ist hin!

8. Nunmehr ist der Tag erschienen,
Der nicht seines Gleichen hat,
Da der güldnen Gottesstadt
Soll zur Sonn und Leuchte dienen
Das Lamm Gottes; Gloria,
Auf, Triumph, der Tag ist da!

Freylinghausen, Johann Anastasius – Abendsegen.

Weise: Mein Jesu, der du mich.

1. So ist nun abermal
Von meiner Tage Zahl
Ein Tag verstrichen;
O wie mit schnellem Schritt
Und unvermerktem Tritt
Ist er gewichen!

2. Kaum war der Morgen nah,
Nun ist die Nacht schon da
Mit ihrem Schatten.
Wer kann der Zeiten Lauf
Und Eilen halten auf,
Sie abzumatten?

3. Nein, nein, sie säumt sich nicht,
Sie kehret ihr Gesicht
Niemals zurücke.
Ihr Fuß steht nimmer still,
Drum, wer ihr brauchen will,
Sich in sie schicke.

4. Sie fleugt gleich wie ein Pfeil
Zum Ziel in schneller Eil;
Eh mans gedenket
Und sichs versehen mag,
Hat uns der letzte Tag
Ins Grab versenket.

5. Was träumest du denn noch?
Mein Geist, erwecke doch
Die trägen Sinnen,
Um von der schnellen Zeit
Auf jene Ewigkeit
Was zu gewinnen.

6. Wie mancher Tag ist nicht
Vor deiner Augen Licht
Nun schon vergangen,
Da du zu jenem Zweck
Zu laufen deinen Weg
Kaum angefangen?

7. O Herr der Ewigkeit,
Der du vor aller Zeit
All meine Tage,
Eh sie noch worden sein
Ins Buch geschrieben ein,
Hör, was ich sage.

8. Vergib nach deiner Huld,
Wie du bisher Geduld
An mir geübet,
Dass mein Unachtsamkeit
Dich in verwichner Zeit
So oft betrübet.

9. Gib aber Wackerheit,
Den Rest der Lebenszeit
So anzuwenden,
Dass ich den letzten Tag
Einst fröhlich schließen mag
Und selig enden.

10. Hilf auch durch diese Nacht
Und habe auf mich Acht;
Sei mir zur Wonne,
Zum hellen Tag und Licht,
Wenn mir das Licht gebricht,
Israels Sonne!

Freylinghausen, Johann Anastasius – Abendopfer.

Weise: O du Liebe meiner Liebe.

1. Herr und Gott der Tag und Nächte,
Der du schläfst noch schlummerst nicht,
Schaue, wie dein arm Gemächte
Jetzt nach seiner Kindespflicht,
Da der Abend ist geworden
Und der Tag sich hat geneigt,
Samt der Deinen ganzem Orden
Sich vor deinem Throne beugt.

2. Vater, ich bin zu geringe
Aller Treu und Gütigkeit,
Die du, Wesen aller Dinge,
Mir in meiner Lebenszeit
Und auch heute hast erwiesen;
O dass ich recht dankbar wär!
Herr, dein Nam sei hoch gepriesen,
Dein Herz ferner zu mir kehr.

3. Siehe nicht an mein Verbrechen,
Ach, gedenke nicht der Schuld,
Die dein strenges Recht könnt rächen,
Habe doch mit mir Geduld;
Schaue an des Sohnes Wunden,
Dadurch ich versöhnet bin,
Dadurch ich Erlösung finden
Und das Leben zum Gewinn.

4. Ich verlange frei zu werden
Durch das reine Lammesblut
Von der Sündenlust Beschwerden,
Von der finstern Schlangenbrut.
Ach, Herr, reinge mein Gewissen,
Leib und Seel dir heilig sei,
Dein Geist mache mich geflissen,
Dir zu dienen ohne Scheu.

5. Lass mich nicht dahinten bleiben,
Lass mich nicht zurücke sehn;
Dein Geist müsse mich stets treiben,
Unverzüglich fortzugehn,
Ja, mit schnellem Schritt zu laufen
Zu dem Kleinod, das das Lamm
Uns mit Blute zu erkaufen
Ist gebracht ans Kreuzes Stamm.

6. Drauf will ich mich schlafen legen,
Lass mich dir empfohlen sein;
Vater, gönne mir den Segen,
Der am Leib und Geiste rein
Mich auch in der Nacht bewahre;
Deine Gnade sei mein Schild,
Bis ich meinem Schatz nachfahre
Und erwach nach seinem Bild.

Freylinghausen, Johann Anastasius – Der Tag ist hin

1. Der Tag ist hin,
Mein Geist uns Sinn
Sehnt sich nach jenem Tage,
Der uns völlig machen wird
Frei von aller Plage.

2. Die Nacht ist da,
Sei du mir nah,
Jesu, mit hellen Kerzen;
Treib der Sünden Dunkelheit
Weg aus meinem Herzen.

3. Der Sonnen Licht
Uns jetzt gebricht:
O unerschaffne Sonne,
Brich mit deinem Licht hervor,
Mir zur Freud und Wonne.

4. Des Mondes Schein
Fällt nun herein,
Die Finsternis zu mindern:
Ach, dass nichts veränderlichs
Meinen Lauf möcht hindern!

5. Das Sternenheer
Zu Gottes Ehr
Am blauen Himmel wimmert:
Wohl dem, der in jener Welt
Gleich den Sternen schimmert!

6. Was sich geregt
Und vor bewegt,
Ruht jetzt von seinen Werken:
Lass mich, Herr, in stiller Ruh
Dein Werk in mir merken.

7. Ein jeder will
Bei solcher Still
Der süßen Ruhe pflegen:
Lass die Unruh dieser Zeit,
Jesu, bald sich legen.

8. Ich selbst will auch
Nach meinem Brauch
Nun in mein Bettlein steigen:
Lass mein Herz zu deinem sich
Als zum Bettlein neigen.

9. Halt du die Wach,
Damit kein Ach
Und Schmerz den Geist berühre;
Sende deiner Engel Schar
Die mein Bettlein ziere.

10. Wann aber soll
Der Wechsel wohl
Der Tag und Nächte weichen?
Wenn der Tag anbrechen wird,
Dem kein Tag zu gleichen.

11. In jene Welt,
Da diese fällt,
Die Zion noch macht weinen,
Soll noch heller siebenmal
Mond und Sterne scheinen.

12. Alsdann wird nicht
Der Sonnen Licht
Jerusalem verlieren;
Denn das Lamm ist selbst das Licht,
Das die Stadt wird zieren.

13. Hallelujah,
Ei wär ich da,
Da alles lieblich klinget,
Da man ohn Abwechselung
Heilig, heilig singet!

14. O JEsu, du
Mein Hilf und Ruh,
Lass mich dahin dahin gelangen,
Dass ich mög in deinem Glanz
Vor dir ewig prangen.