Savonarola, Girolamo – Was thust du hier mein Herz?

Was thust du hier mein Herz?
Was thust du hier mein Herz?
Geh heim zu Gottes Liebe!

Die Liebe, Jesus Christ,
Die wonnevoll erwärmet,
Macht froh, was traurig ist,
Was nur von Liebe lebt,
Sich im Gebet noch härmet,
Den Irrthum treu begräbt.

Wenn Drangsal dir erstand,
So wird er dein Begleiter,
Dein grüner Ruhestrand,
Dein froher Friedensport,
Der macht dich immer heiter,
Er liebt ja fort und fort.

O Herz, sey nimmer dein;
Suchst du dir Friedenssaaten,
Zu Jesu geh, sey sein.
So trüglich ist die Welt,
Nur wer den Herrn verrathen,
Der falschen Welt gefällt.

Hältst du es mit der Zeit,
Verbittert sie dein Leben,
Bringt überall dir Streit.
Der Friede ging ihr aus;
Willst du dich froh erheben,
Geh‘ ein in’s Vaterhaus.

Vertrau dich Keinem an,
Betrüglich sind die Herzen,
Geh‘ du zum rechten Mann,
Des Meisters Ruhm genieß,
Er macht dir deine Schmerzen
Mit seinen Schmerzen IM

In Demuth such‘ ihn du,
Dann ist er bald gefunden,
Und hört dir liebend zu.

Gesteh‘ die Menschenpein,
Er traust in ihre Wunden
Den süßen Balsam ein.

Kommst du zu ihm hinan,
Die Füße und die Hände
Umschließt und küßt ihm dann;
Nun ward sie dir gewährt
Die beste Gnadenspende,
Die immer du begehrt.

Und faßt er deine Hand,
So laß sie ewig nimmer.
In Liebe ganz entbrannt;
In seiner holden Näh’,
In seinem Schauen immer
Verschwinden Angst und Weh.

Ja Herz, zu Jesu hin.
Und laß die Menschen toben,
Was sind sie gegen ihn?
Wie Liebe bei ihm ruht.
Sollst du der Welt erproben.
Im Tragen ihrer Wuth.

Bringt alle Waffen her,
Ihr Feinde aller Gnade,
Ich fürchte Keinen mehr.
O Leiden, meine Lust!
Das ziemet auf dem Pfade
Der lieberfüllten Brust.

Was thust du hier mein Herz?
Was thust du hier mein Herz?
Geh heim zu Gottes Liebe!

Rapp – Die erwecklichen Schriften Savonarolas

Savonarola, Girolamo – O Jesu, hoher Tröster

O Jesu, hoher Tröster,
All‘ meine Liebe du.
Der Friedensorte bester,
Erlösung mir und Ruh’.
O Liebe süß und gränzenlos,
Und selig, wer sich an dich schloß.

Ich habe dich von Herzen
Mit Sünden oft verletzt.
Und trägst dafür die Schmerzen
Am hohen Kreuze jetzt.
O Liebe rc.

Welch eine Macht denn lenkte
Dich hin in alle Noth?
Welch‘ eine Liebe senkte
Dich in den grausen Tod?
O Liebe rc.

Nur Undank war mein Leben,
Nie wahrer Liebesmuth,
Für mich hast du gegeben
In Wunden dich und Blut.
O Liebe rc.

Die Himmelsflamme quille
In meine Seele ein,
Und laß an Liebesfülle
Mich einen Engel seyn,
O Liebe rc.

O Jesu, laß dich finden
Mit deinem Kreuz in mir,
Daran ich mich will binden
Zu Ruhm und Ehre dir.
O Liebe süß und grenzenlos
Und selig, wer sich an dich schloß.

Rapp – Die erwecklichen Schriften Savonarolas

Savonarola, Girolamo – Mein Jesus

Mein Jesus ist die Liebe,
Die heilgen Brand entfacht.
Die’s Herz, das kalt und trübe,
Wie Blumen blühen macht;
Nur daß es Tag und Nacht
In ihm zu glühn sich übe.
Drum, Herz, vom Weltgetriebe
Fleug auf zur süßen Liebe!

Herz, fühlst du Todeswunden,
Dich heilt sein süßes Wort;
In ihm hast du gefunden
Den sichern, selgen Port.
O daß ich fort und fort
In diesem Hafen bliebe!
Herz, fleug vom Weltgetriebe
Zu deiner süßen Liebe!

Sei fürder nicht mein eigen,
Du Herz in meiner Brust;
Zu ihm sollst du dich neigen;
Die Welt hat wenig Lust;
Trug wär’s, mir ist’s bewußt,
Wenn ich mich ihr verschriebe.
Herz, fleug vom Weltgetriebe
Zu deiner süßen Liebe!

Willst du hier heimisch werden,
Bleibt Heimatruh dir fern;
Sturm herrscht und Streit auf Erden,
Leid ist des Lebens Kern.
Drum laß zum Morgenstern
Sich wenden alle Triebe.
Herz, fleug vom Weltgetriebe
Zu deiner süßen Liebe!

Laß fahren alle Geister
Und halte bei Jesu stand;
Er ist dein Herr und Meister.
Sag, wo ist eine Hand,
Die dich ins Vaterland
So siegsgewiß erhübe?
Herz, fleug vom Weltgetriebe
Zu deiner süßen Liebe!

Schwingt gegen mich die Waffen,
Die ihr die Liebe haßt!
Heil muß und Lust mir schaffen
Doch eurer Feindschaft Last;
Der Schild, den ich erfaßt,
Ist Jesu ewge Liebe.
Herz, fleug vom Weltgetriebe
Zu deiner süßen Liebe!

Savonarola, Girolamo – Lebe tief in unsern Seelen

Lebe tief in unsern Seelen,
Die wir, Jesu, dir befehlen.

Euer Sehnen, euer Denken,
Eure Seelen waschet rein,
Lernet heim zur Liebe lenken
Von der Erde eitlem Schein.
In der Buße stillem Weinen
Tretet eurem König bei;
Anders müsset ihr erscheinen
Und im Innern werden neu.

Wollet ihr ihn walten lassen
Gnadenvoll in eurer Brust,
Euer Grollen, euer Hassen
Wandelt um in Lieb und Lust.
Lasset eure Wuth vergehen,
Machet euch an Frieden reich,
Wie ihn Jesus will ersehen,
Wie im Himmel, so in euch.

Selig ist das Kind der Gnade,
Dem die blinde Welt nichts gilt,
Dem auf seinem engen Pfade
Deiner Freude Bronnen quillt.
Wie um Spreu und Rauch und Dornen
Nur ein Herz dich lassen mag,
Dem du immer leuchtest vornen
In den süßen Freudentag!

Vor die Wuth des alten Drachen
Stelle dich, du sanftes Lamm.
Deinen Löwen laß erwachen
Kampfbereit in Juda’s Stamm.
Ein Aegypten ist die Erde,
Und ein Pharao ihr Haß
Ist der Treuen Noth und Fährde,
Seit sie, Herr, dein Blut vergaß.

Aber droben, droben hallet,
Treuer Hirte, noch dein Preis,
Deiner Frommen Liebe schallet
Dir entgegen bang‘ und leis,
Und in ihren Kummernächten
Haben sie dein Licht gesehn.
Zieh herein mit deinen Mächten
In ihr Herz; vernimm ihr Flehn!

Rapp – Die erwecklichen Schriften Savonarolas

Savonarola, Girolamo – Klage der Braut Christi

1497.

Wen ruf ich an, wohin soll ich mich wenden,
Von Schmach und Schande überall erdrückt?
Der Stadt, der Mauern Hüter fanden mich,
Sie haben mich geschlagen und verwundet,
Und rissen von der Schulter mir das Kleid.
Es hat der Skorpion nach mir gestochen
Und hat sein Gift tief in mich eingebohrt.
Im Fell des Lammes kamen Wölfe her,
Die haben meine Heerde mir verlockt.
Und Füchse haben sich an sie geschlossen.
Das Lamm verstummte, witternd ihren Trug,
Der Miethling hat der Heerde sich entwunden,
Und mit den Wölfen hat er sich verbunden.
Der treue Hund hat ihren Trug erspürt,
Mit seinem Bellen ihre Wuth erweckt.
Sie springen ohne Hehl schon an ihm auf,
Mit starrem Blick, in ihres Zornes Geifer.
Im Knirschen ihrer Zähne schäumt ihr Grimm,
Sie sperren gähnend ihre Rachen auf,
Zerreissen mit den Klauen wild den Grund,
Ihr Rücken wölbt sich und es droht ihr Mund:
Umschleichet ihn und fahret auf ihn los,
Er ist uns unnütz, unserm Thun zuwider,
Jetzt rückt er gar uns unsre Sünden vor,
Und macht berüchtigt unsre schlechte Zucht.
Wie ist er uns beschwerlich, seit er läßt
Ein anderes Leben sehen, als die Andern!“

So bringt des Teufels Neid der Welt den Tod,
Und seines Gleichen helfen ihm dazu.
Und um dem treuen Hunde mehr zu schaben,
So dringen sie zu seiner Felsenburg-,
Die ihn doch sicher hält in ihrer Hut.
Doch ihre Pfeile prallen auf sie selbst.
Wo ist der Dämon, der die Zwietracht säte
In Brüderreihen, die so innig wallten?
Wer hat genähret ihren eklen Haß?
Ist Christus denn in euch zertheilt geworben?
Ist Gott ein Gott des Haders, nicht des Friedens?
Wer hat die ehebrecherische Zucht
Zu buhlen um der Großen Gunst gelehrt,
Und zu beschwatzen feil der Reichen Ohr,
Die Weg‘ und Stege alle zu durchrennen,
Um Schwache und um Weiber zu bestricken,
Sie wegzulocken von dem Tugendpfad?
War das zu sehen in der Väter Leben?
Gestattet das der Kirche fromm Gesetz?
Und hat euch euer Schein dazu berufen,
Der Demuth Schein, der eure Blicke neigt,
Der Heiligkeit, der eure Nacken beugt?
Ach solltet ihr denn nicht die Hände bieten,
Um zu erwerben den Gekreuzigten,
Um ihn zu legen in der Menschen Herzen,
Den noch der Wächter und die kleine Schaar
Verkündet, die nach seinen Wegen zieht?
Verlanget denn der Menschen böse Sitte
Und fordert dieser Nage schnöder Brauch
Nur Zustimmung und leeren Beifall jetzt,
Damit die Wahrheit tief verborgen bleibe,
Oder getreten werde in den Staub?
Die Guten sollen Wahrheit nicht erschauen?
Zum Schweigen nöthigt sie die Schaar der Lauen?
Wie weit gelingt es ihrer Bosheit noch?
Erhebe dich, an Zion üb‘ Erbarmen,
Die Zeit ist da, Herr, komm‘ zu deiner Armen.

Ihr aber, Otternbrut, getünchte Gräber,
Von außen glänzend, in der Thoren Wahn,
Im Innern voll von Gift und von Verwesung,
O rufet das Gewissen auf zum Leben
Und zügelt das zerfleischende Gebiß.
Ja fühlet endlich die entwohnte Schaam,
Nicht könnt ihr länger heuchlerisch sie bergen.
Seht dort die Früchte an der frommen Heerde,
Die guten Werke, die im Herrn sie thut,
Sie stoßen vor die Augen euch wie Riegel,
Wie Mauerbrecher von geschärftem Erz.
Ja, seht die Frommen, in der Demuth Frieden,
So froh im Leid, so mäßig und so keusch,
So rein die Pflicht, als Gottesdienst, begehend.
Nun seht auf Jene, die sich euch vereint,
Wie sie der Wahrheit hämisch widerbellen,
Wie unterm Schaaffell sie der Neid verzehrt,
Wie sie in Rangsucht, Geiz und Ehbruch freveln,
Im Raube prassen, seit sie längst vergessen,
Daß sie der Herr in seinen Bund berief.
Ja seht doch, seht, kann noch ein Rufen vor
Zu eurem dumpfen, tauben Schlangenohr?

Und die ihr Glauben habt im Priesterkleide,
Noch ist die Zahl der Treuen ja nicht aus,
So kommt und flehet zu der Aerndte Herrn,
Daß er in’s Feld die treuen Knechte sende.
Daß er das Unkraut aus dem Weizen siebe,
Und es verbrenne, während rein die Saat.
Denn nah ist mir der Tag und eilt zu kommen,
Da mein Geliebter offenbart den Arm,
Daß er Gericht, Erbarmung übe aus,
Ja hebet die Häupter, sehet hinaus,
Der Sommer ist nah, die Aernte weiß.
Ihr lieben Kindlein, ihr mein Preis,
Auf, lasset uns hoffen und beten gehn,
Für die Liebenden all, für die Feinde flehn,
Zu ihm, nach dem meine Liebe wallt,
Daß er kehre zu mir, und bald, ach bald!

Ja komm, ja komm, Geliebter mein,
So krank vor Liebe harr‘ ich dein,
Daß ich ruh‘ an dir in des Mittags Gluth,
Wo treu dein Arm mir Frieden beut,
Der du lebst und regierst in Ewigkeit.

Rapp – Die erwecklichen Schriften Savonarolas

Savonarola, Girolamo – Herr, mit deinen Retterarmen

Herr, mit deinen Retterarmen,
Meine Lust, die helfen kann,
Komm zu mir auch mit Erbarmen,
Nimm auch mich zum Diener an.

Einsam, müde muß ich wallen,
Finde nimmer Trost und Rath,
Und ich weiß, ich werde fallen
Auf dem friedenlosen Pfad.
Und der Schrecken ist sein Ende
In des Abgrunds Fluch und Bann,
Herr, nach dir wend‘ ich die Hände,
Der allein mir helfen kann.

Du hast dich herabgeneiget,
Locktest auf der Liebe Feld,
Das hinauf zum Himmel steiget!
Meine Thorheit, schuldentstellt,
Ließ des Weges Dornen sehen,
Seine Siegerkränze nicht.
Laß mich wieder zu dir gehen,
Herr, dem Hülfe nie gebricht.

Hätt‘ ich damals dem geachtet.
Von verlorner Sünderbahn,
Die zur Linken niedernachtet.
Mich gewendet himmelan;
Froh und leicht wär‘ ich gezogen.
In der Wahrheit Zuversicht.
Der getäuscht sich und betrogen.
Send‘ ihm deiner Hoffnung Licht.

Eile Herr, mein Leben eilet.
Komm herein ins arme Herz,
Das, zerstöret und zertheilet.
Flammt nach dir in Liebesschmerz.
Gott, mein Gott, mich nicht verlasse.
Den der alte Feind bekriegt.
In den Vaterarm mich fasse,
Weil darin der Himmel liegt.

Rückwärts gleit‘ ich, wo mich halten?
Wenn dein Arm nicht Hülfe schafft.
Muß mein Herz zu Stein erkalten.
Schmelzend Eis wird meine Kraft.
Der sich müde nach dir sehnet
Liegt verlassen vor dir da,
Weit ist ihm der Weg gedehnet,
Und der Abend ist ihm nah.

Rapp – Die erwecklichen Schriften Savonarolas

Savonarola, Girolamo – Ein Psalm

1495

Ich will dich lieben Herr, mein Schutz und Halt,
Dich lieben ewig, meiner Seele Zier,
Mein Jubel du, der nie zu Ende schallt.
Mein Leben lebet mir nicht mehr, nur dir.
Es sank hinab in meines Elends Noth,
Dein reich Erbarmen riß es aus dem Tod.
Du machtest zeitlich mir der Hölle Nacht,
Du hobest mich aus ihrem Todesthor
Zur Stimme deines Lobgesangs empor.
Dank dir, mein Gott, daß du mich freigemacht,
Dank dir, mein Licht, das mich zum Licht gebracht,
Dank dir, o Liebe mein, die mich verwundet.
Spät hab‘ ich dich gefürchtet, Herr der Macht,
Spät, uralt hohe Schönheit dich erkundet,
Du ew’ge Liebe, dich so spät geliebt.
Ich suchte dich, der Ruhe ist und giebt,
Ein schlimmer Sucher, der dich nimmer fand,
Ich suchte draußen dich im Sinnenland
Und du bist immer in dem Geisteshaus.
Ich ging nach dir auf allen Wegen aus,
So fern von dir, der mir so nahe war.

Die Erde frug ich, bist du Gott? die Sonne,
Die blaue Luft, die hohe Feuersäule.
Sie sprachen Alle- „Er ist in der Höh,
Hinauf mit Flügeln zu dem Wahren eile!“
Den Himmel fragt‘ ich, seiner Sterne Heer.
Es rief: er wandelt über mir umher.
Als meinen Gott rief ich das Weltall an.
Mit großer Stimme straft es meinen Wahn:
„Ich bin aus Nichts und was ich bin durch ihn.
Er nimmt den Himmel und die Erde ein,
Er füllt dein Herz, du siehst ihn, seh hinein.“ –
Durch die mein Gott in meine Seele bog.
Wo ist die Pforte, da die Lieb‘ einzog?
Das Auge sagte: mir erschien er nicht.
Im Farbenkleide tretend in mein Licht.
Es sprach das Ohr: ich hab‘ ihn nicht gehört.
Im leisen Dufte ist er nicht gekommen.
Du warst in mir, kein Sinn hat dich vernommen;
Du leuchtest, wo kein Ort dein Licht umkreist,
Du tönest, wo dein Rufen nie verweht.
Du hauchest, wo dein Odem nie vergeht.
Und du umarmst, wo nichts mehr von dir reißt.
Was bist mein Gott du, meine Liebe du?

Da rief es drinnen meiner Seele zu:
„Geh in dein Herz, da wird dein Gott erscheinen,
Und größer als dein Wissen und dein Meinen.“
Du bist die Macht und Seligkeit allein,
Der Kön’ge König und der Herr der Herrn:
Aus dir quillt die Unsterblichkeit allein.
Du leuchtend Licht bist unerforschlich fern.

Kein Wort erreicht dich, wie es dich erhob.
Du größer als bas Herz, als all‘ sein Lob.
Wer faßt die Liebe, die des Sohnes Leben,
Den Knecht zu retten, hat dahingegeben.
Die mir zu Hütern ihre Engel schuf!
Ich irrte weg von dir, es kam dein Ruf.
Du klopftest an die Thüre, sie blieb zu.
Herz, deiner falschen Tugend trautest du!
Ich stand so fest und ach, ich sank so tief.
Ich floh, wenn ich nach meiner Tugend lief,
Ich liebte Eitelkeit und ward ihr Kind,
Die Blindheit liebt‘ ich, denn ich war ja blind.
Die Knechtschaft liebt‘ ich, denn ich war ihr Knecht,
Und waren mir die schnöden Bande recht.

Dem Süßen bot ich bittern Streit
Und süß war mir die Bitterkeit.
Mein Elend hab‘ ich nie erkannt.
Zum Sünder hast du dich gewandt.
Ich lag, du hast mich festgestellt.
Nichts wüßt‘ ich, du hast mich gelehrt.
Sah nichts mehr, du hast mich erhellt.
Mich loszukaufen um dein Blut begehrt.
Mich liebtest du vielmehr als dich,
Du giengest in den Tod für mich.
Hast mich um diesen heimgebracht,
Mich von dem Urtheil losgemacht.
Mit deinem Namen mich benannt,
Bezeichnet mich mit deinem Blut,
Daß dein Gedächtniß daure gut,
Wie mein’s am Kreuz in dir bestand.

Kennt‘ ich dich, wie du mich erkennst,
In Kraft durch meine Seele brennst!
Enthüll‘ dich mir, o Zuversicht,
Laß sehn dich, meiner Augen Licht!
O komm‘ zu mir, du Geisteslust,
Du Jubel der befreiten Brust,
Wer dich erkennt, der liebet dich,
Vergisset sein und liebet dich,
Verläßt sich, daß er zu dir komme,
Daß ihm die bessere Liebe fromme.

Vertreibe, Herr, der Seele Nacht,
Bis dein Gedächtnis! mir erwacht,
Mein Auge froh wird, wenn es dich erkennt,
Mein Herz in deiner Liebe brennt.
Wie war‘ es gut, dir anzuhangen,
Auf dich zu fetzen mein Verlangen!
Doch Sterbliches umfängt der Geist,
Wo Wort und Denken von dir reißt.
Wann trachtet mein verkehrter Sinn
Nach deinen rechten Bahnen hin?
Dir ist sie lieb, die Einsamkeit,
Mir des Getümmels Lärm und Streit.
Du liebst das Schweigen, ich Geschrei,
Die Wahrheit du, ich Eitelkeit,
Die Reinheit du, ich Flätherei.

Herr, thu‘ dich meinen Augen kund.
Mach‘ mir in Lieb‘ die Seele wund.
Du leite mich auf deinen Steigen,
Laß meine Schritte nicht mehr gleiten,
Mach‘ den Gefangenen dir eigen.
Und sammle liebend die Zerstreuten.
Ich bin zerrissen, stell‘ mich her.
Erhebe mich, ich siel so schwer.
Gib mir ein Herz, das dich bedenkt
Und ein Gemüth, das zu dir lenkt,
Herr, eine Seele, die dich liebt.
Den Willen, der dich nie betrübt.
Nah sey der Seele, nah dem Mund,
Der That nicht fern, thu deine Hülfe kund,
Ja sey mir nah, eh‘ Liebe muß verderben:
Herr, ohne dich kann ich nur sterben.
Ja sey mir nah, und denk‘ ich dein.
So hauche dein Odem mir Leben ein.
Deine süße Stimme mir Liebeslust,
Bist du bei mir, wird satt die Brust.

Rapp – Die erwecklichen Schriften Savonarolas