Zwingli, Huldrych – Hilf, Herr Gott (Pestlied)

Quelle: Zwingli’s sämmtl. Schriften II. Bds. 2. Abthlg.

Ein christenlich gsang,
gestellt durch Huldrych Zwingli,
als er mit Pestilenz anggriffen ward.

1519

1. Im anfang der krankheit

Hilf, herr gott, hilf
In diser not!
Ich mein‘, der tod
Sug an der thür.
Stand, Christe, für;
Dann du jn überwunden hast!
Zu dir ich gilf:
Ist es din will,
Züch us den pfyl,
Der mich verwundt!
Nit laß ein stund
Mich haben weder ruw noch rast!
Willt du dann glych
Tod haben mich
Inmitts der tagen min,
So soll es willig syn.
Thu, wie du willt;
Mich nüt befilt.
Din baf bin ich;
Mach ganz ald brich.
Dann, nimmst du hin
Den geiste min
von diser erd,
Thust dus, daß er nit böser werd,
Ald andern nit
Befleck ir leben fromm und sitt‘.

2. In mitten der krankheit.

Tröst, herr gott, tröst!
Die krankheit wachst,
Wer und andst faßt
Min seel und lyb.
Darum dich schob
Gen mir, einiger trost, mit gnad!
Die gewüß erlöst
Ein jeden, der
Sin herzlich bger
Und hoffnung setzt
In dich, verschätzt
Darzu diß zyts all nutz und schad.
Nun ist es um.
Min zung ist stumm,
Mag sprechen nit ein wort.
Min‘ sinn sind all‘ verdorrt.
Darum ist zyt,
Daß du min stryt
Fürist fürhin;
So ich nit bin
So stark, daß ich
Mög tapferlich
Thun widerstand
Des tüfels focht und frefner hand.
Doch wird min gmüt
Stät blyhen dir, wie er joch wat.

3. In der besserung.

Gsund, herr gott, gsund!
Ich mein, ich keer
Schon widrum her.
Ja, wenn dich dunkt,
der sünden sunk
Werd nit meer bherrschen mich uf erd
So mü min mund
Din lob und leer
Ussprechen meer
Dann vormals ie,
Wie es joch geb,
Einfaltiglich on alle gfärd.
Wiewol ich müß
Des todes büß
Erlyden zwar einmal
Villycht mit größerm qual,
Dann jetzund wär
Geschehen, herr!
So ich sunst bin
Nach’gfaren hin;
So will ich doch
Den trutz und poch
In diser welt
Tragen frölich um widergelt.
Mit hilfe din,
On den nüt mag vollkommen syn.

Zwingli, Huldrych – Hilf, Herr Gott (Pestlied) – modernisiert

In. J.G. Vaters Jahrbuch der häuslichen Andacht und Erhebung des Herzens für das Jahr 1826. Halle in der Rengerschen Verlagsbuchhandlung“ hat Herr Superintendent Fulda dieses Gebetlied in die Sprachweise unsers Zeitalters übergetragen, wie folgt:

Bey Krankheits-Anfang

Herr! höre meine Worte,
Hilf mir in dieser Noth!
Es klopft an meine Pforte
Mit schwerer Hand der Tod.
Du, der du ihm im Streite
Die Macht genommen hast,
Steh, Christe, mir zur Seite,
Und lindre mir die Last!

Mein Vater! kannns geschehen,
So lasse mir dein Rath
Den Kelch vorübergehen,
Der mehr und mehr sich naht;
So zeuch mir aus der Wunde
Den Pfeil, der schmerzlich brennt
Und auch nicht Eine Stunde
Mir Ruh und Rast vergönnt!

Doch sollen meine Tage
Früh eilen hin zur Gruft,
So geh‘ ich ohne Klage,
Wohin dein Wink mich ruft.
Du willst dann dieser Erde
Früh meinen Geist entziehn,
Daß er nicht böser werde,
Nicht Fromme bös durch ihn.

Du bist ja, Herr, mein Schöpfer,
Und dein Geschöpf bin ich.
Zum Tone spricht der Töpfer
Bald: bleibe ganz! bald: brich!
Dir bleibt in frommer Stille
Mein Loos anheim gestellt;
Dein Wille sey mein Wille,
Thu mir, wie dirs gefällt!

Bey zunehmender Krankheit.

Trost, o mein Gott, such‘ ich bey dir!
Es mehren sich die Schmerzen;
Die Macht der Krankheit dringet mir
Mit Weh und Angst zum Herzen.
Drum, du mein Tröster, such‘ ich dich,
Und siehe: stärk, o stärke mich
Mit Trost aus Christi Wunden!

Ja, Heiland, deine Gegenwart
Kömmt hülfreich dem zu gute,
Der still im Glauben deiner hart
Mit festem Christenmuthe,
Auf dich allein die Hoffnung setzt,
Und klein um deinetwillen schätzt
Der Welt Gewinn und Schaden.

Mir ist die Zunge welk und stumm
Und jeder Sinn gebunden.
Ist denn mein Lauf hienieden um,
Die Lebensfrist entschwunden,
Dann, größer Kämpfer, ist es Zeit,
Daß du nun selber führst den Streit,
Den ich um dich begonnen.

Zwar seh ich wohl mit kühner Hand
Den Teufel auf mich dringen,
Und bin zu schwach zum Widerstand;
Doch solls ihm nicht gelingen.
Dieweil mein Glaube steif und fest
Sich, Herr, auf deine Macht verläßt,
So mag die Hölle wüthen!

In der Genesung

Gesund – durch deine Güte,
Mein Gott, werd‘ ich gesund!
Dich preise mein Gemüthe,
Laut singe dir mein Mund.
Ja, nun du mich empor
Gebracht zu längerm Leben,
Muß dich mein Geist erheben
Noch mehr, denn je zuvor.

Zwar, zog in seinen Banden
Der Tod mich jetzt von hier:
So hätt‘ ichs überstanden
Und wäre,Herr, bey dir.
Nun muß ich doch einmal
Aus diesem Leben scheiden,
Vielleicht nach herberm Leide,
Vielleicht mit gößrer Quaal.

Jedoch, es ist dein Wille:
Drum trag‘ ich freudig noch,
Dir treu und kindlich stille,
Des Pilgerlebens Joch,
Und führe fort den Streit;
Und du, o Herr der Welten,
Wirst droben mir vergelten
Mit Himmelsseligkeit.