Theodor Isaak Hertzogenrath – Abendlied

Schöpfer, Herr und Gott
Himmels und der Erden,
Starker Zebaoth,
Vor dem auch die Nacht
Wie des Tages Pracht
Hell und licht muß werden!

Deine Vatertreu
Hast du lassen walten,
Diesen Tag aufs Neu‘
Ueber mich, o Gott!
Mich vor Leid und Noth
Gnädiglich erhalten.

Jetzund rufest du,
O du Licht der Frommen,
Meinen Leib zur Ruh:
Ach laß auch den Geist
Dadurch allermeist
Neue Kraft bekommen!

Aber eh sich noch
Meine Augen schließen,
Dank ich billig hoch
Deiner theuern Gnad,
Die du früh und spat
mir gibst zu genießen.

Schöpfer aller Ding‘,
Geist und Licht von oben,
Ich bin zu gering
Aller deiner Güt‘;
Möcht doch mein Gemüth
Dich dafür recht loben!

Laß dann hier auf Erd‘
Mich so vor dir leben,
Wie ich wünschen werd,
Wanns dereinst geschicht,
Daß sich zum Gericht
Jesus wird begeben.

Nun so leg ich mich
Still und sicher nieder,
Denn ich trau auf dich:
Wecke du, o Herr,
Mich zu deiner Ehr
Morgen fröhlich wieder.

Wann ich auch hernach –
O wann wirds geschehen! –
An dem großen Tag,
Aus der Erden Staub
Wie ein frisches Laub
Werde auferstehen.

Herr, dann wollest du
Das vollselge Leben
Und die süße Ruh,
Die ganz unzerstört
Nimmermehr aufhört,
Meiner Seelen geben!

Die evangelische Volksbibliothek
Fünfter Band
Die geistliche Dichtung von Luther bis Klopstock
ausgewählt und eingeleitet
von Paul Pressel
Stuttgart
Adolph Bechers Verlag (Gustav Hoffmann)
1863

Theodor Isaak Hertzogenrath – Morgenlied

Wundervoller Gott,
Glanz und Licht der Erden,
Starker Zebaoth,
vor dem auch die Nacht
Und des Todes Nacht
Hell und licht muß werden.

Deine starke Hand,
Hoch und mächtig droben,
Geht durch alle Land:
Finsterniß und Licht
Hast du zugericht‘,
Und sehr weis‘ erhoben!

Denn dein fester Bund
Bleibet, wie wir sehen,
Noch zu dieser Stund,
So auch Tag und Nacht,
Unter deiner Macht
Unverändert stehen.

Alles weiß die Zeit,
Die du hast gesetzet,
Und ist schnell bereit,
Nach dem Ort und Ziel,
Da dein hoher Will
Solches hingeschätzet.

Nun hat meine Seel,
Die dir ist verbunden,
In der freien Höhl
Deiner Sicherheit
Auch zu dieser Zeit
Ihre Ruh gefunden.

Darum mein Gemüth,
Das dich heilig liebet,
Durch dein‘ große Güt‘,
Gleichsam als entzückt,
Und vom Schlaf erquickt,
Dir die Ehre gibet.

Laß mich diesen Tag
Also vor dir leben,
Wie ich wünsch hernach,
Wann das große Licht,
Jesus, mein Gesicht
Einmal wird umgeben.

Und damit ich heut
Unter deinem Segen
Mein‘ Beruf mit Freud
Und auf alle Weis
Zu dein’s Namens Preis
Vor dir ab mög‘ legen.

Wollst du, theurer Herr,
Durch ein süß Gedeihen
Mich zu deiner Ehre
Leiten und damit
Meine Gäng und Tritt
Jederzeit erfreuen.

Wenn ich auch zuletzt
Meine Zeit vollende,
Die du hast gesetzt,
ach so hilf du mir,
Jesu, mein Begier,
Daß ich selig ende.

Die evangelische Volksbibliothek
Fünfter Band
Die geistliche Dichtung von Luther bis Klopstock
ausgewählt und eingeleitet
von Paul Pressel
Stuttgart
Adolph Bechers Verlag (Gustav Hoffmann)
1863