Hiller, Johann Adam – Dies Irae

Tag des Richters, du wirst kommen:
Deiner freun sich alle Frommen,
Wenn die Sünder vor dir beben.

Schrecklich wirst du denen werden,
Die dein spotteten auf Erden,
Wirst Verdammnis ihnen geben.

Gleich dem Tönen der Posaunen
Werden Gräber mit Erstaunen
Des Erweckers Stimme hören.

Leben wird zum Abgrund dringen,
Wird des Todes Reich bezwingen,
Und den langen Schlaf verstören.

Dann, erwacht zu neuem Leben,
Werden Alle sich erheben,
Die in Todesbanden lagen.

O wie werden die Verbrecher
Vor dem einst verlachten Rächer
Nun vergebens flehn und klagen!

Aber ihr dem Herrn Getreuen,
Ihr dürft eures Lohn’s euch freuen,
Nicht vor’m Richter muthlos zagen!

Gott mit fruchtbar’m Glanz umgeben –
Kann kein Sünder vor dir leben:
Wie werd‘ ich vor dir bestehen?

O mein Heiland, jene Pfade
Kann ich nur durch deine Gnade
Ohne Schaudern sicher gehen.

Du wardst Mensch, auch mir zu Gute,
Löstest mich mit deinem Blute;
Deine Leiden sind mir Segen.

Lass, ach lass an jenem Tage,
Wenn ich Sünder angstvoll zage,
Mir zum Schutze dich bewegen.

Lass der Reue bittre Thränen,
Die sich brünstig nach dir sehnen,
Zur Vergebung vor dir gelten!

Der du Sündern gern verziehest,
Jedem Armen Trost verliehest,
Wirst mich nicht verdammend schelten.

Gross ist meiner Sünden Menge:
Mit Erbarmen, nicht mit Strenge
Siehe richtend mein Vergehen!

Stelle mich zu jenen Frommen,
Die begnadigt zu dir kommen,
Und zu deiner Rechten stehen.

Wenn die Bösen von dir scheiden,
Der Verdammten Qual zu leiden,
Lass‘, O Herr, bei dir mich leben!

Tief gebeugt ist meine Seele;
In der Schwermuth finstrer Höhle
Kann ihr Niemand Ruhe geben.

Nur mit dir kann jenem Tage,
Ungekränkt von Furcht und Plage,
Muthig ich entgegen eilen.

Du führst von der Erden Leiden
Frei mich ein zu deinen Freuden:
Ewig nenn‘ ich dann dich mein,
Ewig selig dein zu sein. Amen.