Elisa von der Recke – Der Tugendhafte nur fühlt die Güte Gottes.

Elisa von der Recke – Der Tugendhafte nur fühlt die Güte Gottes.

Groß ist der Herr, groß seine Güte
Die liebevoll für alles wacht!
Im Plan der ewig weisen Güte
Ist auch der kleinste Wurm bedacht:
Auch der soll sich im Staube freun,
Soll froh, auf dieser Erde sein.

Der muntre Fisch in See und Bächen,
Der Vogel, der in Lüften fingt,
Das Vieh auf bunt beblümten Flächen,
Das Würmchen, das vom Taue trinkt,
Bezeugen alle, Gott ist groß,
Und seine Liebe grenzenlos.

Und all die blühenden Gefilde,
Wo Millionen Wesen sich
Erfreuend, ihres Schöpfers Milde
Lobsingen, die sind Pein für dich?
Du machst, für alles blind und taub,
Dein Leben zu des Trübsinns Raub?

Die Schönheit selbst erpresst dir Klage,
Unfühlbar ist dir jede Pracht;
Zu blendend ist die Sonn‘ am Tage,
Zu finster ist dir bald die Nacht:
Du siehst nur Böses in der Welt,
Das Gute nicht, das sie enthält.

Es regen sich in deinem Herzen
Der Wünsche ungeheure Zahl.
Was du besitzest macht dir Schmerzen,
Was dir Gott nicht gewähret, Qual;
Voll Missgunst, Hass, und bitterm Neid
Macht Andrer Glück dir Herzeleid!

So sehr verkennt der Mensch sein Glücke,
Der je der Tugend Pfad verließ,
Schmäht seines Schöpfers Meisterstücke
Und macht zur Höll‘ ein Paradies:
Denn nur des Herzens Reinigkeit
Gibt Ruhe hier, dort Seligkeit.

Elisa von der Recke – Über den Wert und die Anwendung der Zeit.

Wägen wir der Tage Wert?
Geizen wir mit unsern Stunden?
Denken wir der Ewigkeit
Bei den kurzen Lebensfreuden?
Ach! ist jenes Leben nicht
Unsrer höchsten Sorge wert?

Eitle Luft der Sinnlichkeit
Täuschet uns durch falschen Schimmer,
Und entlocket uns der Bahn,
Die zum wahren Glücke leitet;
Unbefriedigt bleibt das Herz.
Leer und dürftig unser Geist.

Eltle Freuden werdet ihr
Wenn die Sterbeglocke schläget
Unsre Seelen noch erfreun?
Werdet ihr, wenn das Gewissen
Unsrer Taten Wert erforscht,
Trost und Frieden uns verleihn?

Wer gedenkt im Lustgewühl
Deiner, ernste Todesstunde?
Jeder setzt dich weit hinaus,
Schmeichelt sich mit langem Leben,
Und durchblitzest du die Lust,
Bang verscheucht der Eitle dich.

Jahre fliehn; die Ewigkeit
Naht, und tut die große Frage:
Pilger, bringst du Tugend mit,
Die mit Himmelswonne lohnet?
Die durch Taten sichtbar wird
Und nicht bloß von Lippen strömt?

Menschenliebe, froher Mut,
Der die Wege Gottes ehret,
Der dem Leben und dem Tod
Gleich getrost entgegen gehet;
Dieser wahre Christussinn
Zeigt ob Tugend in uns wohnt.

Tugend sei das hohe Ziel,
Das wir hier ereilen müssen,
Sie lehr‘ uns der Stunden Wert
Und veredle jede Freude!
Dann wird uns des Todesnacht
Lichter Gang zur Ewigkeit.

Elisa von der Recke – Tugendlied,

Mein treuer Gott, du schenktest mir
Ein Herz voll Bruderliebe;
Gib dass die selige Begier
Ich auch durch Taten übe!
Dass ich, so viel ich immer kann,
Des Jammers Last bei jedermann
Durch Trost und Hilfe minder.

Die Hand sei offen wie mein Herz,
Mildtätig auszuteilen,
Und fremdes Leid und fremden Schmerz
Zu lindern und zu heilen;
Dass hilflos keiner von mir geh,
Und keiner Seele tiefes Weh
Durch mich erschweret werde.

Lass mich dem Freunde nicht allein
Gern meine Dienste weihen:
Süß müsse stets die Pflicht mir sein
Auch Feinde zu erfreuen.
Lass mich durch Sanftmut und Geduld,
Durch Bruderlieb‘ und Menschenhuld,
Gott, dein Gebot erfüllen!

Elisa von der Recke – Nach der Kommunion.

Durch dich, du höchstes Gut, erfreut,
Erhebet mein Gemüte
Die Größe dieser Seligkeit,
Die Größe deiner Güte.
Gestärket durch dein Liebesmahl
Geh‘ ich getrost durch dieses Tal
Des Lebens und der Leiden.

Dir folg‘ ich nach, o Herr, mein Hort,
Mit freudenvoller Seele!
Ich halte mich fest an dein Wort,
Und wenn ich Schwacher fehle,
So blickt mein Geist auf dich zurück,
Und dann, dann schenkst du mir das Glück
Dass ich dir würdig lebe.

Dies Leben, Jesu, dir zu weihn,
Nach dir mich ganz zu bilden,
Dies, dies soll mein Bestreben sein.
Ich flehe dir, dem Milden:
Ach! stärke mich zu dieser Pflicht,
Du, meiner Seelen Zuversicht,
Lass mich dir ähnlich werden!

Die, welche du gleich mir erfreut,
Regier auch derer Herzen;
Und lass uns unsre Seligkeit,
Mein Heiland, nicht verscherzen!
Erbarm sich unser aller, Herr,
Damit wir dich, Alliebender,
Vereint dereinst erheben!

Elisa von der Recke – Vor der Kommunion.

Herr, zu deinem Mahl der Liebe
Kommen wir mit heiterm Geist:
Stärk in uns der Tugend Triebe,
Du, den jeder Weltkreis preist!
Zeuch du selbst uns Himmelan,
Leit uns auf der Tugendbahn,
Die schon hier zum Glücke führet,
Und in Wonne sich verlieret.

Freude folget deinen Lehren,
Du erhabner Tugendheld,
Wenn wir sie durch Taten ehren
Hängt der Geist nur mit der Welt,
So berauscht ihn eitle Lust;
Freuden sind ihm unbewusst,
Die dein Tugendfolger kennet,
Der nie Glück von Tugend trennet.

O, dann wird dein Mahl der Gnade
Seine Seele nicht erneun!
Er wird auf dem Sündenpfade
Frech sich seiner Lüste freun.
Irrend sieht er auf dein Blut
Hin, als auf ein Lösegut;
Und vermeint für alle Sünden
Einen Freibrief da zu finden.

Gott, du Urquell aller Wesen,
Lass durch unsers Heilands Tod
Von der Sünde uns genesen,
Die uns zu verderben droht.
Keiner denk im süßen Wahn,
„Er hat genug für uns getan!“
Nein, wir müssen uns bestreben
Seinem Beispiel nachzuleben.

Hier bei diesem Liebesmahle
Wird der Bund mit Gott erneut,
Und so sei im Pilgertale
Ihm der Geist schon gang geweiht.
Dann wird echter Christussinn
Uns von allem Eitlen, hin
Zu der Tugend Freud‘ erheben,
Und des Himmels Wonne geben.

Elisa von der Recke – Bußlied

Du den meine Seele liebt,
Vater aller Gnaden!
Sieh! zu dir, der gern vergibt,
Komm ich Schuld beladen;
Ja, du nimmst die Sünder an,
Wann mit frohen Zähren
Wahrer Reu sie dir sich nahn,
Und zu dir bekehren.

Herr, ich hab den Weg verfehlt,
Den dein Sohn gewandelt,
Oft und viel hab‘ ich gefehlt,
Nicht wie er gehandelt.
Ich erkenne meine Schuld;
Voll der tiefsten Reuen
Fleh ich auf zu deiner Huld,
Vater, ach, verzeihe!

Leite mich nach deinem Rat,
Lass mich deinen Willen,
So wie’s unser, Heiland tat,
Treu, und froh erfüllen:
Regt sich Schwachheit noch in mir,
Stärke meine Seele!
Alsdann leb‘ ich ewig dir,
Schöpfer meiner Seele.

Doch, was kann ich ohne dich,
Auch beim besten Willen?
Ach! ach! viel zu schwach bin ich
Ganz ihn zu erfüllen!
Drum lass deines Geistes Kraft
Stets mein Herz regieren;
Und er, der den Willen schafft,
Helf ihn auch vollführen!

Elisa von der Recke – Bei dem Andenken des Lebens und der Leiden Jesu.

Durchdenk ich meines Heilands Leben,
Was fühlt für ihn mein liebend Herz!
Welch Beispiel hat er mir gegeben!
Wie heldenmütig ist sein Schmerz!
Wie menschenfreundlich seine Freuden!
Wie mitleidsvoll, wie groß gesinnt
Selbst gegen die, die seiner Leiden
Und seines Todes Stifter sind.

Zwar klagt er auch bei seinen Schmerzen
Doch, welche göttliche Geduld!
Mit seinem ganzen edlen Herzen
Traut er auf seines Vaters Huld.
Lass diesen Kelch vorüber gehn!
Ruft er in seiner Seelenpein,
Doch, Herr, dein Wille soll geschehn,
Der meine nicht, denn ich bin dein.

Die Freuden, die sein Herz empfindet,
Sie gründen bloß auf Wohltun sich.
Wo er Verlassne traurig findet,
Zeigt er als Rat und Helfer sich.
Die Blinden suchet er zu leiten;
Den Hungrigen bricht er das Brot;
Er hält die aufrecht, welche gleiten;
Und hilft den Kranken in der Not.

Und willig ist er zum vergeben!
Wiee fleht er selbst auch noch für die,
Die ihm den Kreuzestod gegeben,
„Erbarme, Herr, dich über sie!
Dies waren seine letzten Bitten,
Und so, so starb der Tugendheld,
Er, der zu unserm Heil gelitten,
zu sein ein Beispiel für die Welt.

Ja! dir, mein Heiland, nachzuahmen,
Verleih mit Stärke, Mut und Treu;
Dass ich nicht nur bloß nach dem Namen
Ein Christ, – nein! — auch durch Taten sei.
Lass mich nie von der Tugend weichen,
Auf dieser rauen Lebensbahn,
Und selbst dein hohes Bild erreichen,
So weit es meine Schwachheit kann.

Elisa von der Recke – Trost im Leiden.

Ist Gott mein Freund, was kann die Ruh
In meiner Seele stören?
Lässt es auch seine Weisheit zu,
Dass Leiden sich empören:
Er wählt für mich
Stets väterlich,
Es sei Schmerz oder Freude;
Ihm dankt mein Herz für beide.

Beugt Unglück, Krankheit oder Schmerz
Den Geist und Körper nieder,
Dann fleht zu ihm mein mattes Herz,
Und er erhebt mich wieder.
Er stärket mich
Wenn Leiden sich,
Wie Wolken, um mich türmen,
Und eilt mich zu beschirmen.

Entriss‘ er mir mein irdisch Glück,
Freund, Güter, Leib und Leben:
Er gab es mir, er nehm’s zurück,
und Preis sei ihm gegeben!
Die Tränensaat,
Die früh und spat
Ich ausgesät auf Erden,
Soll Himmelsernte werden.

Elisa von der Recke – Flüchtigkeit unseres Lebens.

Wie schnell verfließen unsre Tage!
Wie unbemerkt sind sie vollbracht!
So klagen wir: nur, dass die Klage,
Uns selten darum weiser macht;
Nicht lehrt, dass diese kurze Frist
Zur Ewigkeit Erziehung ist.

Wie? würden wir nach eiteln Dingen,
Wovon oft der Genuss entehrt,
Und nicht vielmehr nach Schätzen ringen,
Die Motte nicht noch Rost verzehrt?
Nicht jenes Lebens Herrlichkeit
Mehr achten, als den Tand der Zeit?

Für mich entflieht sie nie vergebens!
Mich lehr der flüchtige Genuss
Der besten Freuden dieses Lebens,
Dass es ein Ende haben muss;
Und dass, des Himmels mich zu freun,
Mein Wandel himmlisch müsse sein.

Elisa von der Recke – Die Hoffnung naher Ewigkeit,

Die Hoffnung naher Ewigkeit,
Voll reiner Himmels Freuden,
Versüßt in dieser Pilgerzeit
Dem Christen alle Leiden:
Er blicket, trifft ein Kummer ihn,
Getrost nach seiner Heimat hin,
Wo keine Pein ihm folget.

Und selbst die Leiden, die uns hier
Noch immerfort umgeben,
Sind Mittel, unser Herz zu dir,
Erbarmer! zu erheben,
Zu dir, der sie zum besten lenkt,
Der dann auch huldvoll an uns denkt,
Wenn wir in Stillen weinen.

Ja du, du siehest unsern Schmerz,
Du zählest unsre Zähren:
Du stärkest das gebeugte Herz
Und wirst uns Trost gewahren.
Du schaust auch gnadenvoll auf mich,
Mein Gott! mein Gott! ich hoff‘ auf dich;
Du bist ein Fels der Deinen.

Soll ich in dieser Lebenszeit
Noch manche Trübsal leiden,
So harr ich in Gelassenheit.
Auf deines Himmels Freuden.
O die, die sind der Frommen Teil!
Dort schau‘ ich dich, o Gott, mein Heil!
Und segne jede Träne.