Tag, prophetisch uns verkündet,
Wenn du kömmst, wie Staub verschwindet
Dann, was sich auf Erden findet.
Welch ein Schrecken wird entstehen,
Wenn wir dann den Richter sehen
Kommen, Alles auszuspähen!
Der Posaune Wunderschalle
Ruft dann aus der Todtenhalle
Vor dem Thron die Menschen alle.
Die Natur, der Tod wird beben,
Wenn der Mensch sich wird erheben,
Rechenschaft von sich zu geben.
Dann wird, wer du sei’st, zu fragen,
Jenes Schuldbuch aufgeschlagen,
Wo dein Thun ist eingetragen.
Wenn alsdann der Richter richtet,
Wird, was dunkel war, gelichtet;
Alles, Alles wird geschlichtet.
Dann was werd‘ ich Armer sagen?
Wo den Anwalt mir erfragen,
Da, wo selbst Gerechte zagen?
König! – dem die Himmel beben,
Der du gabst, was uns gegeben,
Nur aus Gnade, lass mich leben!
Denke, Herr, dass du auf allen
Leidenswegen musstest wallen
Wegen mir; lass mich nicht fallen!
Müh‘ hast du für mich verwendet,
Für mein Heil dein Blut gespendet;
So viel Müh‘ sei nicht verschwendet!
Richter mit gerechter Waage,
Löse gnädig jede Klage
Noch vor dem Gerichtestage!
Das Gewissen quält mich Bangen,
Reue räthet meine Wangen,
Lass, o Gott, mich Gnad‘ erlangen.
Da Marien du vergeben,
Selbst dem Mörder halfst zum Leben,
Hast du Hoffnung mir gegeben.
Wertlos zwar ist meine Zähre,
Mach‘ doch, Bester, dir zur Ehre,
Dass das Feu’r mich nicht verzehre!
Unter Schafen lass mich weiden,
Von den Böcken mich zu scheiden,
Stell‘ mich zu der rechten Seiten.
Wenn zu herben Höllenflammen
Du die Sünder wirst verdammen,
Bring‘ zu Sel’gen mich zusammen.
Da ich, Herr, zu dir mich wende
Reuig faltend meine Hände:
Schenke mir ein selig Ende.
Wenn am Tag, vor dem wir beben,
Alle sich vom Grab‘ erheben,
Rechenschaft dir, Gott, zu geben:
Schone, Herr, dann ihrer Sünden,
Komm dann, Gnade zu verkünden,
Ew’ge Ruhe lass sie finden.
Dies Irae,
Hymnus auf das Weltgericht
F. G. Lisco
Berlin
Verlag von Gustav Bethge
1840