Arndt, Ernst Moritz – Weihnachtsfreude

Steh auf! die Sonn‘ ist aufgegangen,
Es scheint das Licht der Herrlichkeit
O Seele, klinge dein Verlangen,
Kling‘ hell herein die neue Zeit!
Laß heut die frohe Kunde schallen
Weit über’n Erdenball ringsum!
Erklinge, singe, künde allen
Der Menschheit Evangelium!

Dies ist das Licht, dies ist der Morgen,
Der Vorwelt dünner Dämmerschein,
Oft leuchtend auf und oft verborgen,
Nun scheint er hell zur Welt herein,
Das Liebesräthsel ew’ger Güte,
Der Frommen Hort, der Weisen Lust
Der Sehnsucht süße Rosenblüthe
Erblüht nun voll in jeder Brust.

Drum sollst du, frohe Liebe, klingen,
Daß alle Welt in Wonne sey,
Mit allen Himmelschören singen:
Ihr dunkle Menschen eilt herbei!
O eilet euch im Licht zu baden!
Der Glanz des Himmels strahlt herein,
Und jeder Jammer, jeder Schaden
Der Nacht soll weggeleuchtet seyn!

Kommt alle, die ihr lieft verloren
In freudenloser Finsterniß!
Denn Jesus Christus ist geboren,
Es scheint das lichte Heil gewiß.
O Liebesglanz! o Lebensmorgen!
O wunderbarer Gottesschein!
Weg Sünden, Schmerzen, Zweifel, Sorgen!
Denn Jesus Christ will unser seyn.

Arndt, Ernst Moritz – Lang ist die Ewigkeit.

Mein Herz, was hilft dein Sorgen
Hier um das eitle Nichts?
Es leuchtet jeden Morgen
Ein junger Strahl des Lichts,
Es ging viel tausend Jahre
Der Tag im Wechselgang
Hin zwischen Wieg‘ und Bahre:
Die Ewigkeit ist lang.

Mein Herz, was hilft dein Grämen
In der Sekunde Zeit?
Kannst du dir etwa nehmen
Nur einen Tropfen Freud‘?
Kannst du dir etwa geben
Auch nur ein Fünklein Muth?
Ein Andrer hält dein Leben,
Der was ihm liebet thut.

Mein Herz, was hilft dein Streiten,
Dein Ringen für und für?
Dein Haschen, dein Erbeuten?
Es bleibt ja nichts bei dir.
Und bliebe Lust und Habe
Dir treu wohl hundert Jahr,
So schaue hin zum Grabe:
Dort wird dir alles klar.

Aus seinem dunkeln Grunde,
Der nicht mehr lügen kann,
Klingt wie von Gottes Munde
Ein hohes Wort dich an:
Hieher! hier lerne schauen,
Was Tand, was Wahrheit ist;
Hieher! hier lerne bauen
Auf das, was ewig ist.

In diesem dunkeln Grunde,
In diesem blinden Sand,
Du Würmchen der Sekunde,
Hier lerne deinen Stand;
Hier wird der längsten Sonne
Ums helle Leben bang,
Um alle heitre Wonne:
Die Ewigkeit ist lang.

O Ewigkeit du lange!
Wie steh‘ ich kurz vor dir!
O Ewigkeit du bange!
Wie bleib‘ ich fest vor dir?
Wenn selbst die Sonnen zittern
Im Weltenocean,
Wie beb‘ ich nicht, von Splittern
Der allerdünnste Spahn?

O Ewigkeit du lange!
O tiefes tiefstes Graus!
O Ewigkeit du bange!
Wie halt ich vor dir aus?
Ich Pünktlein auf den Wogen
Der Unermeßlichkeit?
Ich Körnlein, das geflogen
Ein Stäubchen in die Zeit?

Mein Herz, ich will dir’s sagen,
Mein armes krankes Herz!
Du mußt den Aufflug wagen
Empor vom Erdenschmerz,
Du mußt die Flügel schwingen
Empor zum Himmelzelt,
Und mit den Lerchen singen:
Dort oben ist die Welt.

Dort oben, ja dort oben
Da ist des Christen Welt,
Wenn was aus Staub gewoben
In Staub hienieden fällt;
Dort oben, ja dort oben
Da ist des Christen Zeit,
Dahin den Flug gehoben!
Lang ist die Ewigkeit.

Dort oben, ja dort oben
Bei Gott und seinem Christ
Ist aller Wahn zerstoben
Und Menschentand und List,
Die eitlen Eitelkeiten,
Die eitle Sorg‘ und Noth,
Worum so viele streiten
Und ringen bis zum Tod.

Drum stell‘, o Herz, dein Grämen,
Den leeren Jammer ein,
Flieg‘ aus den Erdenschemen
Empor zum Himmelschein,
Wirf hin die eitlen Sorgen
Der kurzen Spanne Zeit;
Das Wort hat dich geborgen:
Lang ist die Ewigkeit.

Arndt, Ernst Moritz – Ruf an den Geist.

Dich, Geist der Wahrheit, Geist der Kraft,
Dich, Hort der Christusritterschaft,
Der alle Blöden trösten kann,
Dich starken Tröster ruf‘ ich an.

Dich, Licht der Höhe, milden Stern,
Dich freundlich frommen Geist vom Herrn,
Der alles Dunkel lichten kann,
Dich, Licht der Höhe, ruf‘ ich an.

Tief sitz‘ ich in der dunkeln Nacht,
Wo mich die Sünd‘ hineingebracht,
Tief sitz‘ ich in der Finsterniß,
Wohin Verzweiflung mich verstieß.

Mein Jammer brauset wie ein Meer
Mit allen Stürmen um mich her,
Es saust und brauset immerzu
Und läßt mir Tag und Nacht nicht Ruh.

Drum komm, mein Hort, und rette mich,
Mein Tröster, komm, und tröste mich,
Mein Licht geh‘ auf mit deinem Schein
Und funkle durch die Nacht herein.

Komm, Helfer in dem Sündengraus,
Und sprich mir zu, und leg‘ mir’s aus,
Was ich nicht mehr begreifen mag,
Was Christus zu den Sündern sprach.

Sprich mir das Wort der Liebe zu,
Den rechten Klang verstehst nur du,
Das rechte Wort, den rechten Klang,
Des Glaubens Hoffnung und Empfang.

O Geist der Liebe, Geist des Herrn!
O Himmelslicht und Gnadenstern!
Geh‘ auf in mir mit deinem Schein!
So kann ich wieder fröhlich sein.

 

Arndt, Ernst Moritz – Jesus mein Licht

Wann ich traurig wanke
Und auch der Gedanke
Blind wird wie die Nacht,
Wann ich nichts kann finden,
Tappend unter Blinden,
Was mir’s helle macht,
Wer zündt dann
Das Licht mir an?

Das thust du, o Wonne
Meines Glaubens, Sonne
In der dunkeln Nacht;
Durch dich muß verschwinden,
Was im Thal der Sünden
Alles düster macht:
Du zündst an,
Was leuchten kann.

Das thust du, mein Leben,
Der das dumpfe Beben
Mit der Nacht verscheucht:
Alle Nebel fliehen,
Erd‘ und Himmel blühen
Und der Trug entweicht.
Du machst fest,
Du tröstest best.

Helles Licht der Herzen,
Sichrer Trost der Schmerzen,
Süßer Jesu Christ,
Das kannst du alleine,
Der vom Himmelscheine
Niederkommen ist:
Hort und Held
Und Licht der Welt.

Das kannst du alleine,
Der die Gnadenscheine
In uns niederstrahlt,
Daß sich selbst in Sünden
In den düstern Gründen
Goldne Hoffnung malt:
Du allein
Kannst Tröster jern.

O so bleibe, bleibe
Ewig in mir! schreibe
Mir es fest ins Herz!
Alles mag verschwinden,
Der Gedank‘ erblinden
In dem dunkeln Schmerz
Süßes Licht,
Du dunkelst nicht.

Arndt, Ernst Moritz – Das Wort.

Was ist die Macht, was ist die Kraft,
Des Christen stolze Ritterschaft,
Der Schirm und Schild und Schmuck der Ehren,
Die ungebrochne Wehr der Wehren,
In jeder Noth und Fahr der Hort?
Das ist das Wort, das feste Wort.

Was kann wie ein zweischneidig Schwerdt,
Das blitzend aus der Scheibe fährt,
Mark und Gebein im Hui zerschneiden,
Die Geister und die Leiber scheiden?
Was hat so freißlich scharfen Ort?
Das ist das Wort, das feste Wort.

Was braust daher wie Windesbraut
Und überdonnert Donners Laut?
Was donnert in der Sünder Ohren,
Gleich einem Schwur von Gott geschworen?
Was ists, was durch die Seelen bohrt?
Das ist das Wort, das feste Wort.

Was säuselt wie ein Westenwind
Vom Frühlingshimmel sanft und lind?
Was säuselt lieblich durch die Herzen,
Ein Trost und Balsam aller Schmerzen?
Was wehet alle Sorgen fort?
Das thut das Wort, das feste Wort.

O Wort der Macht, o Wort der Kraft,
Das so gewaltig wirkt und schafft,
O Wort der Schrecken und der Freuden,
Zum Heilen mächtig und Zerschneiden!
Du warest eh’r als Zeit und Ort,
Du starkes Wort, du festes Wort.

O Wort der Macht, o Wort der Kraft,
Du meines Herzens Ritterschaft,
Wollst ewig in und bei mir bleiben,
Durch Donner und durch Säusel treiben
Zum rechten Kampfe fort und fort,
Mein starkes Wort, mein festes Wort.

Arndt, Ernst Moritz – Blick nach oben.

Lockst du mich, du Gottesfrieden,
Zu den schönen Himmelsauen,
Die wir Dunkle ach! hienieden
Nur in blassen Schatten schauen?
Lockst du mich, o Sehnsucht, immer,
Wie die Frommen Glockenläuten,
Wieder hin zum Sternenschimmer?
Wieder in die alten Zeiten?

In die Zeiten längst vergangen?
In der Seelen Kindertage?
Dahin schmachtest du, Verlangen?
Dahin, Herz, mit jedem Schlage?
Ja der Funke will zur Sonne
Und die Seele will zum Himmel,
Zu des stillen Lebens Wonne
Aus dem tollen Erdgewimmel.

Nein, es ist kein Wahn der Träume,
Ist kein Irrlicht düstrer Nächte,
Mein sind jene Sternenräume,
Mein sind jene Götterrechte:
Fremdling bin ich nur im Staube,
Meine Heimat such‘ ich wieder,
Meine grüne Himmelslaube,
Meine Himmelsblumen wieder.

Was soll ich hienieden streben
Zwischen Kummer stets und Freude
In dem unruhvollen Leben
Der Minuten schnelle Beute?
Wie die Vöglein auf den Zweigen
Wechselnd hin und wieder fliegen,
Schwebt des Menschen Thun und Neigen,
Schwebt sein Wünschen, sein Vergnügen.

Was soll ich hienieden finden,
Das die heiße Liebe stillet,
Wo die Unruh wilder Sünden
Aus der Erdenfreude quillet?
Wo wir heute lassen müssen,
Dem wir gestern angehangen?
Wo Begierde und Gewissen
Sind in stetem Krieg befangen?

Was soll ich hienieden schaffen?
Hier, wo nichts beständig bleibet?
Wo vom Staub und Blut der Waffen
Stets die wilde Rennbahn stäubet?
Wo die Lüge auf dem Throne
Gaukelnde Orakel singet
Und mit blut‘ger Dornenkrone
Wahrheit kaum vernommen klinget?

Fahre hin, du Land der Thränen!
Hin, du Land der süßen Lügen!
Damit wir uns hinnen sehnen,
Darum mußt du viel betrügen;
Damit wir das Beste wollen,
Darum muß in dir nichts bleiben,
Alles durcheinander rollen
Und die Welle Wellen treiben.

Locke, stiller Gottesfrieden!
Süße Sehnsucht, schweige nimmer!
Werfet Himmelschein hienieden
Auf der Nichtigkeiten Trümmer,
Daß die Seelen inne werden
Unter Zittern, unter Bangen:
Wahres gibt es nicht auf Erden,
Jenseits sollen wir erlangen.

Arndt, Ernst Moritz – Noch ein Jesusgebet

Ich glaub‘ an dich, du höchster Geist,
Der Liebe ist und Liebe heißt,
Der ganz aus Gott geboren ist –
Ich glaub‘ an dich, Herr Jesus Christ.

Du Gottesglanz des hellsten Lichts,
O leuchte durch die Nacht des Nichts,
Durch Millionenlügenschein,
Mir himmelwärts und himmelein.

Was ich gewesen, sein soll, bin,
Mein Wie und Wann Woher Wohin
Das leuchte mir mit süßem Schein
Mein Licht, in Herz und Sinn hinein.

Dann bin ich bei dir und in dir,
Dann hab‘ ich schon den Himmel hier:
Denn Frieden hat und Lust und Licht,
Wer Jesus Christ im Glauben spricht.

Arndt, Ernst Moritz – Jesusgebet

Herr, du mein Licht, mein Heil, mein Leben!
Du süßer Heiland Jesus Christ!
Hilf Herr! hilf! laß mich nicht entschweben
Von dir, wo Seelenfreude ist,
Wo Einfalt ist, wo Frieden ist,
Bei dir, bei dir, Herr Jesus Christ!

Hilf! laß mich nicht im Schein verwildern
Der Welt, die tausendfarbig gleißt,
Die lockt die Wesen durchzubildern,
So weit das All die Bahnen kreist –
O gib mir deinen stillen Geist,
Deß Namen Lieb‘ und Demuth heißt!

O könnt‘ ich schaun aus deinem Bilde
Der Welten Ziel, der Menschen Seyn
Mit voller Klarheit, voller Milde,
Dann wäre schon der Himmel mein,
Dann täuschte mich kein Schein vom Schein,
Das Licht der Lichter wäre mein.

O Licht der Lichter! Bild der Bilder!
Du Gottesglanz, du Liebesglanz!
Du Stiller Treuer Frommer Milder,
Erleuchte mir die Seele ganz!
Dein Bild dies bilde ganz mir ein!
Und werde, bleibe ewig mein!

Arndt, Ernst Moritz – Anrufung des Worts

O Gottes Wort, gewaltig Wort,
Wie führt dein Schwerdt so scharfen Ort!
Fast unsichtbar und zart und fein,
Doch bohrt er tief durch Mark und Bein.

O Gottes Wort, gewaltig Wort,
Du Seelenschrecken, Geisterhort!
Du ernst geheime Majestät,
Die still durch alle Welten geht.

Bald gleich dem Sturmwind wild und graus
Du fährst mit Blitz und Donner aus,
Bald freundlich, fröhlich, lieb und lind
Du hauchest gleich dem Maienwind.

O Wort so mächtig und so treu!
O ältstes Wort, doch ewig neu!
Laß deine Schrecken mich durchwehn,
Damit ich lerne Gott verstehn.

O Wort so freundlich und so lind!
Durchhauche mich wie Maienwind,
Laß deine Liebe mich durchwehn,
Damit ich lerne Gott verstehn.

Dann wird mir alles offenbar
Und sternenhell und himmelklar,
Dann liegt mein kurzes Erdenlos
Geborgen fromm in Gottes Schoß.

O Wort so mächtig und so treu!
O ältstes Wort, doch ewig neu!
Du Wort von Liebe, Wort von Licht!
Verlaß mich nun und nimmer nicht.

Arndt, Ernst Moritz – Friedensgebet

Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
Du milder Liebeshort!
Einst bist du abgeschieden
Mit süßem Freudenwort:
Euch geb‘ ich meinen Frieden,
Wie ihn die Welt nicht gibt,
Verheißen und beschieden
Dem, der mich glaubt und liebt.

Gib Frieden, Herr, gib Frieden!
Die Welt will Streit und Krieg,
Der Stille wird gemieden,
Der Wilde hat den Sieg,
Und Unruh herrscht auf Erden
Und Lug und Trug und List.
Ach! laß es stille werden,
Du stiller Jesu Christ!

Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
Du milder Liebeshort!
Dann wird es schon hienieden
Ein Paradiesesort,
Und Sorgen fliehn und Schmerzen
Aus jeder schweren Brust,
In Freuden blühn die Herzen,
In Lieb und Himmelslust.