Arndt, Ernst Moritz – Himmelfahrt

Wie prangt im Frühlingskleide
Die grüne bunte Welt!
Und hat in Wald und Haide
Musik und Lust bestellt!
Wie klingt und spielt der Scherz
In Büschen rings und Bäumen
Von Edens Blumenträumen
Den Klang in jedes Herz!

Hinaus denn, meine Seele,
In voller Lust hinaus!
Verkünde, ruf‘, erzähle
Und kling‘ und sing‘ es aus!
Du bist von Lerchenart,
Nach oben will dein Leben:
Laß fliegen klingen und schweben
Die süße Himmelfahrt!

Auf! Lüfte deine Schwingen
Zum frohen Heimatort!
Dein Trachten Sehnen Ringen,
Dein Weg, dein Lauf ist dort.
O flieg‘ aus diesem Glanze
Der bunten Erdenlenze
Ins Land der ew’gen Kränze!
Dort ist dein Ziel, dein Kranz.

Arndt, Ernst Moritz – Immer Liebe.

Und klingst du immer Liebe wieder?
Und immer nur denselben Ton?
Und weißt du keine andern Lieder
Als Gottes Sohn, von Gottes Sohn?
Muß er dein Licht, dein Glanz, dein Schein,
Muß er dein Alles, Alles seyn?

Ja er allein: in diesem Namen,
In diesem allerschönsten Ton,
Klingt aller Himmel Himmel Amen,
Das Heilig! Heilig! klingt vom Sohn,
Und Cherubim und Seraphim
Anbetend knien sie hin vor ihm.

Ja er allein: So weit die Winde
Das grüne Erdenrund umwehn,
Muß nun im Klang vom hohen Kinde,
Das Mensch ward, aller Jubel gehn,
Es klinget kein so süßer Ton
Als von dem Sohn und aus dem Sohn.

Nein, nimmer lernt es andre Lieder
Das arme sündenkranke Herz,
Nein, nimmer klingt es Andres wieder
Als jener Sehnsucht süßen Schmerz
Vom Menschensohn, vom Gottessohn,
Dies bleibt das Lied, der Klang, der Ton.

Du bleibst das Lied, du liebste Liebe,
Du bleibst die Sehnsucht, schönstes Bild,
Du Licht der Lichter, Trieb der Triebe,
Aus dem der Himmel Wonne quillt:
Mein Herz klingt deine Herrlichkeit
Von nun an bis in Ewigkeit.

Arndt, Ernst Moritz – Noch ein Gebet um das Gebet

Kann ich beten,
Ist in Nöthen
Alle Sorge leicht dahin,
Bald gefunden
Müssen Wunden,
Wodurch manche schwere Stunden
Ich so krank gewesen bin.

Kann ich beten,
Engel treten
Wunderfreundlich zu mir ein,
Lächeln, winken
Mir, zu trinken
Aus dem Born, worein versinken
Alle Sorgen groß und klein.

Kann ich beten,
Engel treten
Wunderfreundlich zu mir ein,
Ich muß trauen,
Ich kann schauen
Fröhlich zu des Himmels Auen,
Zu dem sel’gen Gnadenschein.

Doch verzaget
Und verwaget
Gar nichts mehr das arme Herz,
Dann muß schweigen
Und sich beugen
Vor der Sünde und sich neigen
Zu der dunkeln Nacht der Schmerz.

Doch verzaget
Und verklaget
Sich in mir das arme Herz,
Dann muß schwinden,
Wodurch linden
Sich der Jammer kann, zu finden
Ist kein Wort in solchem Schmerz.

Lehr‘ mich beten
Du, der treten
Wollte für die Sünde ein,
Süße Liebe,
Ewige Liebe,
Die die grimmen Seelendiebe
Sperrte in die Hölle ein.

Lehr‘ mich beten
Held in Nöthen,
Süßer Heiland Jesu Christ,
Hort der Gnade,
Der die Pfade
Zu dem Himmel macht gerade,
Der für mich gestorben ist.

Lehr‘ mich beten,
Alle Fehden
Meiner Sünden stille du,
Heil und Leben,
Lehr‘ mich schweben
Durch das Grauen Zweifeln Beben
Deinem frommen Vater zu.

 

Arndt, Ernst Moritz – Freude in Christo

Wann meine Seele traurig ist
Und Muth und Lust in mir verzagen,
Wenn wankend zwischen Wahn und List
Sich Welt und Sünde hart verklagen,
Wann auf der Zweifel wildem Meer
Mein Schifflein steuerlos muß treiben,
Wo scheint der Stern der Rettung her,
Was läßt mich dennoch oben bleiben?

Wann um mich alles finster wird,
Als säß ich in der düstern Hölle,
Wann’s in mir bangt und zagt und irrt,
Als wenn die Sündfluth um mich schwölle,
Wenn diese tiefste Seelennoth
Fast will am ew’gen Heil verzagen,
Wo dämmert dann das Morgenroth,
Der Sonne Zukunft anzusagen?

Aus dir! aus dir! du bist der Stern,
Du bist der Hoffnung lichte Sonne,
Der Knechte Knecht, der Herr der Herrn,
Der Kranken Arzt, der Schwachen Wonne,
Der Armen Schatz, der Biestern Licht,
Versöhner aller, die verloren,
Erlöser von des Zorns Gericht,
Der ganzen Welt zum Heil geboren.

Du bist’s allein, Herr Jesu Christ,
Du bist die Hoffnung, du der Glaube,
Du rettest von des Bösen List
Und von der eitlen Lust am Staube,
Du richtest uns das Angesicht
Hin, wo die ew’gen Sterne funkeln,
Du sprichst: mein Seyn ist Lieb‘ und Licht,
Ihr sollt nicht bleiben in dem Dunkeln.

Du bist’s allein, du süßer Hort,
Du milder Tröster aller Schmerzen,
Dein ist die Hoffnung, dein das Wort,
Dein ist die Kindschaft frommer Herzen:
Wir sollen alle Kinder seyn,
In Einfalt Kinder und im Glauben,
Der Kinder soll der Himmel seyn,
Das Reich ist derer, die da glauben.

 

Arndt, Ernst Moritz – Abschied von der Welt

Ade! Ich muß nun scheiden,
Ihr Freunde, gute Nacht!
In Freuden und in Leiden
Gar schwer ist mir’s gemacht,
In Kummer und in Thränen,
In Arbeit und in Noth;
Drum ruft mein heißes Sehnen:
O komm, mein Herr und Gott!

O komm, und schleuß dem Matten
Die müden Augen zu,
Bett‘ ihm im kühlen Schatten
Die stille sanfte Ruh,
Bett‘ ihm im kühlen Grabe
Den letzten weichen Pfühl,
Die einzige letzte Habe
Vom ganzen Weltgewühl.

Ade! Ihr sollt nicht weinen,
Ihr Freunde lieb und fromm,
Das Licht wird wieder scheinen,
Das ruft dem Schläfer: komm!
Das klingt in seine Kammer:
Steh‘, Schläfer, steh‘ nun auf
Steh‘ auf aus Erdenjammer!
Der Himmel thut sich auf.

Ade! ihr sollt nicht klagen,
Daß nun ich hinnen muß,
Die Nacht wird wieder tagen
Mit Freudenüberfluß,
Der große Held der Frommen
Wird mit der Krone stehn,
Und Engel werden kommen
Und mich zu Gott erhöhn.

 

Arndt, Ernst Moritz – Der Liebe Unaussprechlichkeit

O könnt‘ ich doch von Liebe sprechen,
Wie Liebe unergründlich ist,
Wie sie in Adern, Quellen, Bächen
Und Strömen jede Brust durchfließt!
Dann würde dieses Herz ein Schall,
Der klänge durch das weite All.

O könnt‘ ich doch von Liebe klingen,
Wie Liebe süß von Tönen klingt,
Wie sie, das ew’ge Wort, den Dingen
Geheimnißvoll das Leben bringt!
Dann würde dieses Herz ein Klang
Vom Aufgang bis zum Niedergang.

O könnt‘ ich doch von Liebe girren,
Wie Liebe zärtlich lockt und girrt,
In Lerchenliedern aufwärts schwirren,
Wie’s nur in mir lebendig wird!
Dann würd‘ ich bald im süßen Schall
Die hellste Liebesnachtigall.

O süße Liebe, fromme Liebe,
Die auf die Welt hernieder kam,
Aus unermeßlich reichem Triebe
Für uns den Tod am Kreuze nahm,
O süße Liebe, sel’ge Brunst!
In dir zerrinnet jede Kunst.

O süße Liebe, fromme Liebe!
O ungestillter Sehnsucht Schmerz!
Die gern uns all‘ auf einmal hübe
Empor an deines Vaters Herz,
Ich fühle deines Athems Wehn,
Und Wort und Stimme muß vergehn.

 

Arndt, Ernst Moritz – Des Reisenden Abendlied

Gegangen ist das Sonnenlicht,
Still schweiget Feld und Hain,
Und hell am Firmamente bricht
Hervor der Sterne Schein,
Und hell aus stiller Seele blitzt
Ein wundersamer Strahl
Von dem, der ewig waltend sitzt
Im hohen Himmelssaal.

Wie wäre doch das Menschenkind
So elend, so allein,
Wenn nicht von oben zart und lind
Ihm käme dieser Schein!
Es wäre nichts als Trug und Wahn,
Ein zitternd Blatt am Baum,
Ein Körnlein Sand im Ocean,
Ein Traumbild fast vom Traum.

Das Leben wallt von Ort zu Ort,
Hat nimmer Ruh noch Rast,
Und treibt im wilden Fluge fort,
Geschnellt durch eigne Hast;
Es brauset wie ein schäumend Meer,
Das keine Ufer kennt,
Und wirft uns Tropfen hin und her
Im wilden Element.

Drum komm, o du, der Frieden bringt,
Du Gott, in stiller Nacht,
Wo hell die Engelglocke klingt
Bei goldner Sterne Pracht –
Komm, wirf den frommen Liebesstrahl
Mir warm ins arm Herz,
Und die Gedanken allzumal
O zieh sie himmelwärts!

Drum komm mit deinem Engelheer,
Du lieber Vater gut!
Du bist die einzig feste Wehr,
Die einzig sichre Hut;
Gar nichtig ist der Menschen Macht,
Die eitle Eitelkeit,
Was Gott bewacht, ist wohl bewacht
Hier und in Ewigkeit.

 

Arndt, Ernst Moritz – Des Knaben Abendlied

Die Welt thut ihre Augen zu
Und alles wird so still,
Auch ich bin müde und zur Ruh
Ich auch mich legen will:
Ich leg‘ im stillen Kämmerlein
Mich in mein Bettchen warm,
Und Engel sollen Wächter seyn
Vor jedem Trug und Harm.

Du lieber Gott, der uns die Nacht
Mit Mond und Sternen schuf,
Der himmlisch uns das Herz gemacht
Für himmlischen Beruf,
Der uns den lichten Himmelschein
Gesenkt in tiefe Brust,
Damit wir sollen selig seyn
Durch deiner Liebe Lust;

Du lieber Gott, du gehst mit mir
Ins stille Kämmerlein,
Und stellst die Wächter an die Thür,
Die Engel fromm und fein;
Sie treten leis‘ und sanft daher
Und halten treue Hut,
Daß diese Nacht und nimmermehr
Mir nichts was Leides thut.

Nun habe Dank für diesen Tag
Und Dank für jede Freud‘!
Ich weiß nicht, was ich beten mag
Mit rechter Herzlichkeit;
Du weißt am besten, was ich will,
Du liebster, treuster Hort,
Drum bin ich mit den Lippen still,
Gott ist mein einzig Wort.

 

Arndt, Ernst Moritz – Unendlichkeit Gottes

Wer hat den Sand gezählt,
Welcher im Wasser haust?
Wem hat kein Blatt gefehlt,
Wann der November braust?
Wer weiß im Januar,
Wie viel der Flocken wehn?
Wie viele auf ein Haar
Tropfen auf’s Weltmeer gehn?

Wer mißt den Ocean,
Wo er am tiefsten fließt?
Wer mag die Strahlen fah’n,
Welche die Sonne schießt?
Wer holt das Lichtgespann
Fliegender Blitze ein?
Nenne den Wundermann!
Keiner mag größer seyn.

Gott ist der Ohnezahl,
Vor dem die Zahl vergeht,
Der durch den Sternensaal
Sonnen wie Flocken weht;
Gott ist der Ueberall,
Gott ist der Ohnegrund,
Schneller als Licht und Schall,
Tiefer als Meeresgrund.

Sandkörner zählest du,
Nimmer die Freundlichkeit,
Weltmeere missest du,
Nie die Barmherzigkeit,
Sonnenstrahl holst du ein,
Nimmer die Liebe doch,
Womit sein Gnadenschein
Sündern entgegen flog.

 

Arndt, Ernst Moritz – Morgengebet

Die Nacht ist nun vergangen,
Der Morgen steht so herrlich da,
Und alle Blumen prangen
Und alle Bäume fern und nah;
Auf Feldern und auf Wiesen,
In Wald und Berg und Thal
Wird Gottes Macht gepriesen
Von Stimmen ohne Zahl.

Die frommen Nachtigallen
Sie klingen hellen Freudenklang,
Die Lerchen höchst vor allen
Zum Himmel tragen sie Gesang,
Der Kuckuck auf den Zweigen
Und auch der Zeisig klein
Sie wollen sich dankbar zeigen,
’s will keiner hinten seyn.

Und ich? Ich sollte schweigen?
Ich, Gottes reiches Ebenbild?
Durch das mit Liebesneigen
Der Feuerstrom der Gottheit quillt,
Dem er die Sternenlichter
Zur Brüderschar geweiht
Und Engelangesichter
Verklärt in Herrlichkeit?

Das Wild im grünen Walde,
Der Vogel auf dem grünen Baum,
Sie priesen also balde
Den Vater überm Sternenraum?
Es sumsete die Imme,
Das Würmchgen seine Lust,
Und ich hätt‘ keine Stimme
Des Lobes in der Brust?

Nein, Vater aller Güte,
Du meiner Seele Freudenlicht,
Wie gern will mein Gemüthe!
Doch meine Worte können nicht.
Wer mag dich würdig preisen,
Durch den die Welten sind,
Von dem die tiefsten Weisen
Kaum lallen wie ein Kind?

O Herr, laß mich auch heute
In deiner Liebe wandeln treu,
Daß ich der Sünden Beute,
Der Eitelkeiten Spiel nicht sey;
Laß mich nach deinem Bilde
Den Weg der Tugend gehn:
So wird der Tag mir milde,
So kommt der Abend schön.