Freylinghausen, Johann Anastasius – Gebet an den gekreuzigten Heiland.

Weise: O du Liebe meiner Liebe.

1. Unveränderliches Wesen,
Unbegreiflich höchstes Gut,
Von dem Vater auserlesen,
Dass du seines Zornes Glut
Und erweckten Grimm sollst stillen
Durch dein Gottesblut so rot
Und erfüllen seinen Willen
Im Gehorsam bis zum Tod.

2. Ich verehre deine Liebe,
Unbeflecktes Gotteslamm,
Die durch ihre Feuertriebe
Dich gebracht ans Kreuzes Stamm.
Ach, dass ich doch könnt durchschauen
Dein von Lieb durchglühtes Herz
Und im gläubigen Vertrauen
Dadurch lindern meinen Schmerz.

3. Zwar kann ich mich wert nicht schätzen,
Dass in meiner Seelenpein
Ich an dir mich soll ergetzen,
Ein so armes Würmelein;
Doch du bist ein Arzt der Schwachen,
Der betrübten Sünder Freund,
Pflegst den freundlich anzulachen,
Der mit Petro kläglich weint.

4. Drum sieh nicht auf meine Würde,
Lamm, das aller Würde wert;
Schau hingegen auf die Bürde,
Die den matten Geist beschwert.
Weißt du doch, wie dem zu Mute,
Welchen drückt der Sünden Last,
Weil du selbst im Schweiß und Blute
Dieses Joch getragen hast.

5. O wie hat es dich gedrücket,
Herzenslämmlein, frommes Schaf!
Du bist drunter tief gebücket
Gangen, aller Jammer traf
Deiner Menschheit zarte Glieder,
Unsre Schmach hat dich gehöhnt;
Aber so hast du uns wieder
Mit dem Vater ausgesöhnt.

6. Lass mich diese Freundschaft schmecken,
So auf ewig festgestellt;
Lass dein Blut die Schuld bedecken,
Das du hast zum Lösegeld
Deinem Vater dargegeben
Durch der Liebe Wundermacht,
Und dadurch du uns das Leben
Deiner Gottheit wiederbracht.

7. Lass dein Herz mir offen stehen,
Öffne deiner Seiten Tür,
Dahinein soll mein Herz gehen,
Wenn ich keine Kraft mehr spür.
Wie ein Hirsch in vollem Springen
Lass den ausgezehrten Geist
Hin zu deinen Wunden dringen,
Daraus Blut und Wasser fleußt.

8. Dieser Balsam müsse stärken
Geist und Seele, Mark und Bein;
Lass mich neue Kräfte merken,
Dir, o Lämmlein, treu zu sein.
Zeichne meines Herzens Pfosten,
Dass der Würger mich nicht rühr;
Lass mich wahre Freiheit kosten,
Die mich zu der Ruhe führ.

9. Lamm, du hast dich mir ergeben,
Dir ergeb ich wieder mich
Und verschreibe mich daneben,
Dein zu bleiben ewiglich.
Du bist nun erhöhet worden,
Liebster, zeuch mich dir bald nach,
Dass ich in der Engel Orden.
Deine Treu besingen mag.

Freylinghausen, Johann Anastasius – Das Geheimnis der Liebe in Christi Stellvertretung.

Weise: Bewein, o Christenmensch, selbst deine eigne Not.

1. Geheimnis voller Lieb, o Lieb geheimnisvoll,
Die jedes Adamskind mit Lust bewundern soll,
Weil selbst der Engel Aug nichts lieber je gesehn,
Als Gottes liebsten Sohn an unsrer Stelle stehn.

2. Wir Frevler hatten uns aus unsrer eignen Schuld
Und Satans Schlangenlist des frommen Vaters Huld
Unwert gemacht, dazu, o zentnerschwere Not!
Auf Leib und Seel gehäuft Verdammnis, Fluch und Tod.

3. Und nun, wer konnte uns Verbrecher machen frei
Von solchem Jammerstand und finstern Sklaverei?
Wir selber nicht, kein Engel, keine Kreatur,
Nein, Gottes Zorn zu still‘n war über die Natur.

4. Drum kommt das ew‘ge Wort, des Vaters liebster Sohn,
Sein Glanz und Ebenbild, und lässt mit Schmach und Hohn
Ganz willig sich belegen an der Sünder Statt,
Um so zu zahlen, was er nicht geraubet hat.

5. Er nimmt als Gottes Lamm die Schuld der ganzen Welt
Auf sich und bringt dafür sein Blut zum Lösegeld;
Sein Blut, kein fremdes nicht, nicht Silber oder Gold,
Dies konnte gar nichts tun, dass uns Gott würde hold.

6. So aber rühmen wir, dass wir durch Gottes Kind,
Und also selbst durch Gott, mit Gott versöhnet sind,
Und dass, was Adam hat durch seinen Fall verscherzt,
Uns durch des Sohnes Tod wird wiederum ersetzt.

7. Nun haben wir in ihm Gerechtigkeit und Heil,
Vergebung unsrer Schuld, ja selbst zu unserm Teil
Das allerhöchste Gut, Gott und sein ganzes Reich;
So macht die Liebe uns der Liebe wieder gleich.

8. Mein Geist, erwecke dich und nimm im Glauben an
Den Schatz, den dir dein Bürge und Erlösersmann
So teu‘r erworben hat, so kriegst du Ruh und Rast,
So herrscht der Fried in dir, so fällt weg alle Last.

9. Erkenne aber auch, was du ihm schuldig bist;
Dich selbst mit allem, was nur in und an dir ist,
Musst du als sein von ihm erkauftes Eigentum
Zum ganzen Opfer ihm ergeben wiederum.

10. Liebe, drücke dies tief in mein Herz hinein
Und lass zu gleichem Tod mit dir gepflanzet sein
Den edlen Geist, damit auf jenen großen Tag
Des Lebens Herrlichkeit ihn auch bekleiden mag.

Freylinghausen, Johann Anastasius – Christus das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.

Weise: Herzliebster Jesu, was hast du verbröchen.

1. O Lamm, das keine Sünde je beflecket,
Das Adams Gift, wie uns, nicht angestecket,
Das schön und reiner als die Seraphinen,
Die dich bedienen.

2. Du bist das Heil‘ge aus dem Geist empfangen,
Das man im Schmuck der Unschuld sahe prangen,
Der Allerschönste unter Menschenkindern,
Nicht aus den Sündern.

3. Wie gehts denn zu, wie soll ich mich drein finden,
Dass es dir geht, als ob du alle Sünden
Verübt, und nichts so schnöd, als du, auf Erden
Könnt funden werden?

4. Nicht nur der Abgrund, sondern auch der Himmel
Stürmt auf dich zu, man siehet ein Getümmel
Der Scharen, die mit hundert tausend Freuden
Dir machen Leiden.

5. Da liegest du in Angst, im Schweiß und Blute;
Wer kanns begreifen, wie dir sei zu Mute?
Man siehet dich vor Gottes Zorngewittern
Und Grimm erzittern.

6. Man fällt dich an, man führet dich gefangen,
Man höhnt, man schlägt, bespeiet deine Wangen,
Man krönt und geißelt dich, macht deinem Herzen
Viel Qual und Schmerzen.

7. Ja, was noch mehr, du wirst zum Fluch gemachet,
Ans Holz geschlagen und dabei verlachet,
Von Gott verlassen und musst endlich schmecken
Den Tod mit Schrecken.

8. Sag an, o Mensch, sind das nicht lauter Plagen,
Womit man sollt den größten Sünder schlagen?
Warum muss denn die Unschuld selbst ohn Maßen
Sich strafen lassen?

9. Das macht, dass sie sich hat für uns verbürget,
Drum hat man sie für mich und dich erwürget;
Gott musste so, sollt er der Schuldner schonen,
Dem Bürgen lohnen.

10. Die Sünde konnt nicht bleiben ungerochen1ungerächt,
Des Todes Urteil war ihr längst gesprochen;
Dies musst einmal auf der verfluchten Erden
Vollzogen werden.

11. Was Sünde sei und was sie längst verdienet,
Hat Gott, eh ihm der Sünder würd versühnet,
Zum Zeugnis seines Ernstes wollen zeigen
Und nicht mehr schweigen.

12. Hab Dank, o Lamm, für deine Wunderliebe,
Darin du dieser Zornart strenge Hiebe
Erduldet und, was über mich sollt kommen,
Auf dich genommen.

13. Fürwahr, du trugest meine Not und Schmerzen,
Die Strafe lag auf dir und deinem Herzen;
Dass du mir könntest Gnad und Fried erteilen,
Wirst du voll Beulen.

14. Ich nehme an, mein Heil, was du erworben,
Und glaube, dass du bist darum gestorben,
Dass mir, der von der Schuld nunmehr entladen,
Kein Tod soll schaden.

15. Ach, stärke nur durch deine Kraft den Glauben,
Dass er sich diesen Schatz nicht lasse rauben,
Der nicht vermag mit allem Gut der Erden
Bezahlet werden.

16. Lass deines Leidens Frucht mich stets genießen,
Lass diesen Quell auf mein Gewissen fließen;
Es müsse sein zu steter Lust und Freude
Des Geistes Weide.

17. Die Sünde, der an dir ihr Recht geschehen,
Die müsse nun mit Schanden untergehen;
Es müsse an mir, ihr forthin zu dienen,
Sich nichts erkühnen.

18. Nur dir, nur dir, mein Lamm, soll sein mein Leben
Zum Eigentum hinwiederum ergeben,
Wozu du mich durch deinen Tod und Wunden
So hoch verbunden.

19. Nichts kann und soll hinfort von dir mich scheiden,
Ich bleibe dein, bis du mich dort wirst weiden,
Wo deine Liebe mit verklärten Zungen
Stets wird besungen.

Johann Anastasius Freylinghausen – Neujahrsgesang.

Weise: So ist denn nun die Hütte aufgebauet.

1. Der du bist A und O, Anfang und Ende,
Ein Herr der Zeit und auch der Ewigkeit,
Dem alles steht zu seinem Dienst bereit,
Zu deinem Thron, Jehovah, ich mich wende,
Da diese Zeit ein neues Jahr uns bringt,
Und Zion dir ein Hallelujah singt.

2. Dich bet ich an, unwandelbares Wesen,
Du Wesen, das kein Zeitenwechsel trifft.
Du bist, von welchem zeugt der Psalmen Schrift,
Dass deiner Jahre Zahl nicht ist zu lesen;
Denn obgleich Erd und Himmel muss vergehn,
Bleibst du doch wie du bist und ewig stehn.

3. Wir aber sind von gestern her entstanden
Und müssen auch, eh wir uns des versehn,
Oft in der besten Blüte untergehn;
Wir sind wie Gras, das frühe zwar vorhanden,
Und doch wohl, eh die Sonne von uns weicht,
Durch Schnitters Hand sein Ende schon erreicht.

4. Das macht der Fall, der deinen Zorn erwecket
Und uns in diesen Jammer hat versenkt,
(O wohl dem Menschen, der es recht bedenkt!)
Der sich nun über alles Fleisch erstrecket.
Fleisch ist wie Heu, wie eines Grases Blum,
Wie leichte Spreu, in seinem besten Ruhm.

5. Du bist gerecht, wer darf dein Urteil tadeln?
Doch sei gepriesen die Barmherzigkeit,
Die von uns nimmt so gnädig unser Leid
Und uns so hoch hat wieder wollen adeln,
Dass, ob wir gleich hier die Verwesung sehn,
Wir doch dereinst zum Leben auferstehn.

6. Durch Christum ist uns dieses Heil geschenket;
Der kommt aus deinem Schoß zu uns herab,
Wird Mensch und scheuet weder Tod noch Grab
Wodurch er deine Huld so zu uns lenket,
Dass aller Jammer, alle Not und Pein
Uns nichts als Segen und Gewinn muss sein.

7. Durch ihn sind wir zur Ewigkeit erkaufet,
Wo Freud und unvergänglich Wesen grünt;
Hiezu sind wir dir, Vater, ausgesühnt
Und auf des Sohnes Blut und Tod getaufet.
Wie gnädig hast du, Gott, an uns gedacht,
Dass du durch unser Heil dies Heil gebracht.

8. Dies ist der Brunn, aus welchem hergeflossen,
Was mich in meiner Wallfahrt früh und spat
An Seel und Leib jemals erquicket hat,
Der sich hat stromweis über mich ergossen,
Dass ich den Augenblick nicht nennen kann,
Da mir nicht wäre daraus Guts getan.

9. Gelobet sei, o Herrscher, diese Liebe,
Die sonderlich auch im verstrichnen Jahr
Mich armen Staub, der des unwürdig war,
So merklich spüren lassen ihre Triebe.
Ich stelle mich dafür in meinem Sinn
Dir, großer Gott, selbst zum Dankopfer hin.

10. O denke nicht an der vergangnen Zeiten
Gemachte viel und überhäufte Schuld;
Lass deine Gnad und milde Vaterhuld
Zu meinem Trost in Christo sie bespreiten1bedecken.
Was ich gelebet hab, das decke zu,
Was ich noch leben soll, regiere du.

11. Erneure mich, der du machst alles neue,
Das Alte lass von nun an untergehn,
Lass Heiligkeit an dessen Stelle stehn,
Die neue Kreatur dich stets erfreue;
Der Geist aus dir verändre Sinn und Mut,
Nur dich zu lieben als das höchste Gut.

12. Die Zeit fleucht hin, lass mich auch von ihr fliehen
Die Ewigkeit rückt näher stets herbei,
Gib, dass ich ihr im Geist recht nahe sei,
Lass mich als eilend stets von hinnen ziehen,
Es müsse mir nie kommen aus dem Sinn,
Dass ich hier fremd, ein Gast und Pilgrim bin.

13. Ach, lehre mich recht meine Tage zählen,
Dass ich sie all aufs best anwenden mag;
Hilf mir auch tragen ihre Last und Plag,
So will des rechten Zwecks ich nicht verfehlen;
Ich will dereinst mit der erkauften Schar
Bei dir begehn das große neue Jahr.

Johann Anastasius Freylinghausen – So ist denn nun die Hütte aufgebauet.

Johannes 1,14.

Eigene Weise.

1. So ist denn nun die Hütte aufgebauet,
Die Hütte, die der Cherubinen Heer
Und was sich sonst von Engeln findet mehr
Mit wundervoller Freud und Luft beschauet,
Weil ihres Gleichen diese weite Welt
An Herrlichkeit und Schmuck nicht in sich hält.

2. Zwar das Vernunftsaug weiß hier nichts zu preisen,
Der Schein ist schlecht, der sich von außen zeigt;
Das macht, dass der Vernunft ihr Urteil treugt,
Sie richtet nur nach den gewohnten Weisen.
Die Trefflichkeit ist hier gar sehr versteckt,
Ohn Gottes Licht bleibt sie unaufgedeckt.

3. Die Gottheit selbst hat schöners nichts gesehen,
So lange diese Erd und Himmel steht.
Seht, wie die Lust zu diesem Bau nur geht,
Vor ihm muss jene Hütte untergehen,
Weil, was dort nur in dunkeln Schatten war,
Sich hier im Wesen zeiget offenbar.

4. Die Menschheit ist die Hütte, die ich meine,
Die sich das Wort in Gnaden auserkiest,
(Das Wort, davon man schon im Mose liest)
Dass es mit ihr persönlich sich vereine,
Und seiner Gottheit Pracht und Majestät
An ihr ein Zelt, ein Haus und Tempel hätt.

5. Nicht Menschenhand, Gott selbst hat sie erbauet,
Die Werkstatt war der keuschen Jungfraun Leib;
Maria ist das benedeite Weib,
Der sich der Geist in reiner Zucht vertrauet.
Des Wortes keusche Überschattung macht,
Dass dieser Bau wird an das Licht gebracht.

6. O großes Werk, Geheimnis sonder Gleichen!
Wer hat doch, frag ich, jemals dies gehört,
Dass Gott bei Menschen also eingekehrt?
Vernunft, sei still, du wirst es nicht erreichen;
Verehre nur die unumschränkte Kraft,
Die Allmacht, die dies große Wunder schafft.

7. Gesegnet seist du, allerschönste Hütte!
Die ganze Füll der Gottheit wohnet hier,
Sie weichet nun und nimmermehr von dir,
Des Vaters Wort bleibt stets in deiner Mitte;
Und ob dich gleich der Tod in Stücken bricht,
So weicht nach solchem Bruch das Wort doch nicht.

8. Man riecht an dir die edlen Spezereien,
Des Geistes übertrefflichs Balsamöl,
Mit welchem dich dein Gott nach Leib und Seel
Zu seiner Hütte hat gewollt einweihen.
Dir ist kein Maß der Gaben angesetzt,
Was dir geschenkt, ist ohne Maß geschätzt.

9. Hier findet man den rechten Altar stehen
Zusamt dem Opfer, das uns Gott versöhnt,
Der von uns Sündern schändlich ist verhöhnt;
Das Opfervieh muss nun bei Seite gehen.
Hier ist der Born, draus Lebenswasser springt,
Das unsern Geist zur Reinigung durchdringt.

10. Hier siehet man ohn Unterlass aufsteigen
Vom Räuchaltar das priesterlich Gebet;
Man findet Brot an dieser heilgen Stätt;
Der güldne Leuchter ist nicht zu verschweigen,
Der hier mit seinen sieben Lampen brennt
Und aller Welt die lichten Strahlen gönnt.

11. Hier ist der Thron der Heiligkeit und Gnaden,
Den Engel auch gelüstet anzuschaun;
Der Glaube tritt hinzu ohn Furcht und Graun,
Empfänget Heil und Stärk für Adams Schaden.
Was Gottes Wohlgefallen an uns sei,
Wird hier durchs Licht und Recht entdecket frei.

12. Mit einem Wort: das Wort, das Fleisch geworden,
Des höchsten Vaters eingeborner Sohn,
Der in der Ewigkeit hat seinen Thron
Und huldreich sich vermählt mit unserm Orden,
Hat, was ehmals in Bildern eingehüllt
Verborgen war, in und durch sich erfüllt.

13. Gelobet sei, Jehovah, deine Treue,
Die Gnad und Wahrheit nunmehr hergestellt,
Wodurch, was Satan vormals hat gefällt,
Gerettet wird; o Seele, dich des freue!
Stimm mit der Engel Chor ein Danklied an,
Erhebe ihn um das, was er getan!

14. Du aber, der du vormals angenommen
Dies Fleisch, die arme menschliche Natur,
(O nie verspürte Heils- und Liebesspur!)
Und aus der Höh zu uns herab gekommen,
Lass auch, bitt ich, bewegen deinen Sinn
Und nimm mein Herz zu deiner Hütte hin.

Johann Anastasius Freylinghausen – Ein Kind ist uns geboren heut.

Jesaias 9, 6 u. 7.

Weise: Preis, Lob, Ehr, Ruhm, Dank, Kraft und Macht.

1. Ein Kind ist uns geboren heut,
Der liebste Sohn ist uns geschenket,
In dem Gott Gnad um Gnad darbeut1anbietet
Für alles, das die Seele kränket.
Merk auf, mein Herz, und schau das Knäblein an,
Denk, welch ein Wunder Gott durch ihn getan.

2. Es spielt in seinem Angesicht
Mit freudenreicher Lust und Wonne
Des Vaters Klarheit, Lieb und Licht;
Er ist des neuen Himmels Sonne,
Dadurch der Welt ein neues Licht entsteht,
Die ohne ihn im Dunkeln untergeht.

3. Das Kind ist zart und träget doch,
Was Erd und Meer und Himmel heget;
Der ganzen Herrschaft Last und Joch
Ist seinen Schultern aufgeleget
Von dem, der ihn zum Mittelpunkt gesetzt
Des, was da ist und werden soll zuletzt.

4. Sein Name heißet Wunderbar,
Er ist auch aller Wunder Krone;
Es jubiliert der Engel Schar
Mit Herzenslust im süßen Tone
Das Gloria, als dieses Wunderpfand
Sich in der Nacht bei uns zur Welt einfand.

5. Bedarfst du Rat und Unterricht,
Will dirs an Witz und Weisheit fehlen,
Dies Kind heißt Rat, es ist ein Licht;
So du dich wirst mit ihm vermählen,
So wird es dir in aller Not und Pein
Dein treuer Rat und Licht und Leitstern sein.

6. Fehlt dirs an Kraft, o liebe Seel,
Auf Gottes Wegen fortzukommen,
Sei unverzagt! Immanuel,
Der deine Menschheit angenommen,
Heißt Kraft und will durch seine Kraft allein
In allem Kampf dein treuer Helfer sein.

7. Fehlt dirs an Mut und Tapferkeit,
Der Feinde Rotte zu bekriegen,
Hier ist der Held, der in dem Streit
Dich nicht kann lassen unterliegen.
Wer in der Schlacht ihn an die Spitze stellt,
Der sieget und behält zuletzt das Feld.

8. Ein ewger Vater ist er dir,
Weil er dich durch sein Wort gezeuget;
Nun sorgt er für dich für und für,
Sein Herz bleibt stets zu dir geneiget.
Was er befiehlt den Vätern in der Zeit,
Wird er vielmehr selbst tun in Ewigkeit.

9. Den Friedensfürsten nennt er sich,
Weil er als Herzog für dich streitet,
Ergötzt indessen reichlich dich
An seinem Tisch, den er bereitet,
Und macht dein Herz von Furcht und Schrecken los,
Legt dich auch sanft in seiner Liebe Schoß.

10. Drum freue dich, mein Herz, in ihm,
Nimm an, was dir dein Gott gegeben,
Erhebe jauchzend deine Stimm
Und preise ihn mit deinem Leben.
Gott gibt sich dir, gib du ihm wiederum
Dich ganz und gar zu seinem Eigentum.

Johann Anastasius Freylinghausen – Freude über die Geburt Christi.

Eigene Weise.

1. Den die Engel droben
Mit Gesange loben,
Der ist nun erschienen,
Uns in Lieb zu dienen.

2. Der ist Mensch geworden
Und in unsern Orden
Hat er sich begeben,
Unter uns zu leben.

3. Ja, für uns zu sterben
Und uns zu erwerben
Gnade, Geist und Gaben,
Die uns können laben.

4. Arm ist er geboren,
Uns, die wir verloren,
Mit sich selbst zu füllen,
Unsre Not zu stillen.

5. Freuet euch des alle,
Singt mit großem Schalle,
Jauchzt ihr Cherubinen
Und ihr Seraphinen.

6. Sonne Mond und Sterne,
Und was in der Ferne,
Luft und Meer und Erde
Seines Lobs voll werde.

7. Auch du, meine Seele,
Stimm in deiner Höhle,
Und ihr Leibesglieder,
An die Lobelieder.

8. Alles, alles singe,
Alles, alles bringe
Glorie dem, den droben
Alle Engel loben.

Johann Anastasius Freylinghausen – Aufforderung zur Adventsfreude.

Eigene Weise.

1. Auf, auf, weil der Tag erschienen,
Der uns muss zur Freude dienen!
Auf, es kommt das frohe Jahr,
Das der frommen Alten Schar
Mit so sehnlichem Verlangen
Hat erwartet, hergegangen.
Hallelujah, Hallelujah.

2. Nunmehr ist die Zeit erwachet,
Da die Tochter Zion lachet,
Da sie jauchzt und jubiliert,
Weil sie den im Fleisch verspürt,
Der ihr Bräutigam und König,
Ob ihn gleich erkennen wenig.
Hallelujah, Hallelujah.

3. Den so viele Majestäten,
So viel Väter und Propheten
Ehmals anzuschaun begehrt
Und des doch nicht sind gewährt,
Der hat sich nun eingefunden;
O der angenehmen Stunden!
Hallelujah, Hallelujah.

4. Der zum Heiland war erkoren
Und dem Abraham geschworen,
Israelis Kron und Sonn,
Aller Heiden Trost und Wonn,
Stehet nun in unser Mitten,
Kommt gen Zion sanft geritten.
Hallelujah, Hallelujah.

5. Er ist da, des Vaters Willen
In Gehorsam zu erfüllen;
Er will durch sein eigen Blut
Alles wieder machen gut,
Und durch schmerzlichs Todesringen,
Was verloren, wiederbringen.
Hallelujah, Hallelujah.

6. Er will sich als deinen Bürgen
An dem Holze lassen würgen;
Dass der liebliche Geruch
Seines Segens deinen Fluch
Ganz verjage, will er werden
Selbst ein Fluch auf dieser Erden.
Hallelujah, Hallelujah.

7. Nunmehr muss der Schatten fliehen
Und das Bilderwerk abziehen;
Was soll Opfer und Altar?
Schauet her, er ist es gar;
Was soll uns die Bundeslade?
Wahrheit wird durch ihn und Gnade.
Hallelujah, Hallelujah.

8. Was soll der Versöhnungsdeckel?
Was des Heiligtumes Seckel?
Was das Räuchwerk, Licht und Öl
Und das Lamm, das ohne Fehl?
Die Figur dem Wesen weichet,
Alles jetzt sein End erreichet.
Hallelujah, Hallelujah.

9. Moses hat nun ausregiere,
Christi freier Geist uns führet,
Die Gefangenschaft ist aus;
Wer gehört in Gottes Haus,
Kann durch unsers Goels1Heilands Büßen
Freier Kindschaft nun genießen.
Hallelujah, Hallelujah.

10. Nun der Vorhang ist zerrissen,
Darf ein jeder sein geflissen,
In das Heilge einzugehn
Und vor Gott ohn Furcht zu stehn;
Der, so zu uns ist gekommen,
Hat uns alle Furcht benommen.
Hallelujah, Hallelujah.

11. Drum auf, Zion, dich des freue,
Deinen König benedeie!
Gib ihm Herz und Mund zugleich;
Du bist Braut, er will das Reich
Mit dir teilen, darum bringe
Dich ihm selbst zum Opfer, singe:
Hallelujah, Hallelujah.

Johann Anastasius Freylinghauen – Psalm 25, 1-3.

Mein Geist, o Herr, nach Dir sich sehnet,
Nach Dir, der Du ihm Alles bist!
Mein Herz sich hoffend auf Dich lehnet,
O Fels, der bleibet, wie er ist!
Lass mich mit Schanden nicht bestehen,
Damit mein Feind nicht freue sich;
Nein, Herr, laß das, was wider Dich
Sich setzt, mit Schanden untergeben!

Denn Keiner ist zu Schanden worden,
Von Anfang bis auf diese Stund‘,
Der sich gefunden in dem Orden
Der Gläubigen von Herzensgrund.
Du hast noch keinen je verlassen,
Der Dich zu seinem Gott erwählt;
Es hat ihm nie ein Gut gefehlt;
Doch wehe denen, die Dich hassen!

Freylinghausen, Johann Anastasius – O du majestätisch Wesen

O du majestätisch Wesen,
Das ein unzugänglich Licht
Sich zum Sitz und Thron erlesen,
O wie schnöde bin ich nicht,
Wenn ich mich, mich Kind der Hölle,
Neben deine Klarheit stelle!
Ach, wie finster, arm und klein
Schein‘ ich mir dann selbst zu sein!

Du hast niemals angefangen,
Du bist Gott von Ewigkeit;
Ich bin gestern aufgegangen
Und vergeh‘ vielleicht schon heut‘.
Deine Macht hat keine Schranken,
Meine Kraft will immer wanken;
Du bist selbst die Quell‘ des Lichts,
Ich bin ein lebendig Nichts.

Nichts von Wahrheit, Nichts von Güte
Wohnet in mir von Natur,
Wo ist jetzt in dem Gemüthe
Jener ersten Schönheit Spur?
Ach, dein Bild ist ganz verblichen,
Alle Kräfte sind entwichen,
Und mein Körpber fällt dahin
Wie die Blumen, die verblüh’n.

Fluch und Elend, Zorn und Sünde
Ist nunmehr mein Element,
Wo ich meine Nahrung finde,
Wo mein Fuß zur Hölle rennt.
Tausend Wunden, tausend Flecken
Schänden mich an allen Enden,
Und in der verderbten Brust
Grünt die Wurzel böser Lust.

Was ich Gutes an mir habe,
Ist ein Denkmal deiner Hand,
Deine Wirkung, deine Gabe,
Die du, Herr, mir zugewandt.
Deine freie milde Gnade
Schmückt mich armen Wurm und Made;
Nähmest du zurück, was dein,
Ach, was würde übrig sein?

Doch auch deiner Gaben Menge
Klaget meinen Undank an;
Seel‘ und Herz kommt ins Gedränge,
Weil ich gar nicht leugnen kann,
Daß dein Eifer billig rauchet,
Weil ich sie nicht recht gebrauchet.
Ach, wie häuf ich meine Schuld
Durch Verachtung der Geduld.

Herr, die Wunder deiner Liebe
Machen mich beschämt vor dir;
Ach, wie zart sind deine Triebe,
Wenn dein Herz sich neigt zu mir!
Daß sich so ein herrlich Wesen
Einen Wurm zur Lust erlesen,
Der so nackend und so klein,
Das mag, das mag Gnade sein!

Herr, hier lieg‘ ich in dem Staube,
Unter deinen Fuß gekrümmt;
Doch mein demuthsvoller Glaube,
Der im Staub und Asche glimmt,
Freut sich heimlich deiner Güte,
Und mein tiefgebeugt Gemüthe
Hebt sich aus des Todes Thor
Voller Zuversicht empor.

Meine Kräfte, meine Glieder
Stehn zu deinem Dienst bereit;
Sieh‘ hier sink‘ ich vor dir nieder
Voller Ehrerbietigkeit.
Deinen Willen thun und leiden,
Sei der Gipfel meiner Freuden.
Du Beherrscher aller Welt,
Thu‘ mit mir, was dir gefällt.

Die alten lutherischen Kirchenlieder des neuen braunschweigischen Gesangbuches Neu-Erkerode bei Braunschweig Verlag der Buchhandlung der Idioten-Anstalt 1877