Elisa von der Recke – Beim Anblick des gestirnten Himmels

Wie wonnevoll schwillt meine Brust
Schau‘ ich zur Himmels Sphäre!
Dort jauchz‘ ich einst voll reiner Lust
Mit euch, ihr Engel Chöre!
Dort, Weltenschöpfer! schau‘ ich dich:
Wie sehnt mein Geist – wie sehnt er sich
Nach dieser Feierstunde!

Gott schau‘ ich! Der Gedank‘ entreißt
Mich schon der Erde Schranken.
Einst schau‘ ich Gott! wie fühlt mein Geist
Gedränge von Gedanken;
Die über alles Denken weit
zu hocherhabner Seligkeit
Des Himmels mich erheben.

Doch Schatten ist, o Sterblicher,
Dein Bild von jenem Leben.
Die Schöpfung zeigt’s, der Weltenherr
Wird größre Wonne geben!
Drum bild‘ o Seele! bilde dir,
So schön du kannst, die Freuden hier,
Und streb‘ nach höchster Würde.

Elisa von der Recke – Nach dem Gewitter

Verhallt ist schon des Donners Laut,
Erfrischt Gefild‘ und Luft;
Nun duftet süßer Wohlgeruch
Dem Vater der Natur

Der Vogel schwingt sich fröhlich auf
Und singt ihm Lobgesang,
Und was im Wald, auf Halm und Gras
Sich freuet, preiset ihn.

Du Mensch, der du den Nahenden
Worüber wandeln sahst,
Dank ihm, so laut als die Natur
Durch Lobgesang und Tat!

Wie Gott in seiner großen Welt
Sich immer liebend zeigt,
Und immer schont; so lern‘ auch du
Vergeben Jedermann.

Und wann die Luft der Eitelkeit
Dich zu betäuben droht,
Dann stärke der Gedanke dich:
Nur Tugend gilt vor Gott.

Elisa von der Recke – Gewitterlied.

Gott donnert! fürchterlich und schwer
Drück bange Nacht das Land;
Ein Wolkenstrom rauscht über uns
Und ihn durchkreuzt sein Blitz.

Leicht raubt ein Strahl uns Hab‘ und Gut
Und unser Leben leicht:
Der Arme wie der Königssohn
Fühlt deine Schrecken, Gott!

Bebt alles, siehe! dennoch bleibt
Des Frommen Herz getrost,
Froh spricht er: Gott ist Vater stets
Und liebt uns, ob er dräut.

Ob schnell und laut der Donner rollt,
Doch lenkt ihn Gottes Arm;
Und Regen kommt und Fruchtbarkeit
Durch ihn auf unser Land.

Wer ehrfurchtsvoll auf Gott vertraut:
Und reines Herzens ist,
Den schreckt der nahe Donner nicht,
Der fürchtet nicht den Tod.

Elisa von der Recke – Freude über die Allgegenwart Gottes.

Gott, o Seele, schwing dich auf
Und freue dich der Wonne!
Er, der voll Huld der Welten Lauf,
Den Lauf der milden Sonne,
Er, der die ganze Schöpfung lenkt,
Auf jedem Tritt und Freude schenkt,
Er ist allgegenwärtig.

Wann sich in stiller Einsamkeit
Der Geist zu ihm erhebet,
Und voll der hohen Seligkeit
In heiliger Wonne schwebet;
Dann sieht sein milder Vaterblick
Mit Wohlgefallen unser Glück,
Er sieht’s allgegenwärtig.

Wann mancher Kummer uns betrübt,
Und Tränen uns entfließen;
Wann die, die wir bisher geliebt,
Nun unsern Fall beschließen:
So ist uns Gott mit seiner Kraft,
Der Gott, der immer Hilfe schafft,
Im Leid auch gegenwärtig.

Und wenn das Auge sterbend bricht,
Wann alle Sinnen schwinden,
Wann für erhabne Freundschaft nicht
Das starre Herz empfinden,
Nicht liebevoll mehr schlagen kann,
O höchstes Wesen! – dann, auch dann
Bist du uns gegenwärtig.

Zu Gott, mein Geist, schwing dich hinauf,
Und freue dich der Wonne!
Er, der voll Huld der Welten Lauf,
Den Lauf der milden Sonne,
Er, der die ganze Schöpfung lenkt,
Im Tod und Leben Freude schenkt,
Er ist allgegenwärtig.

Elisa von der Recke – Alles steht unter Gottes Vorsorge.

Durchirrt mein Blick der Welten Pracht,
Und denk ich dessen Güt und Macht,
Der sie erschuf, so steigt mein Geist
Empor, und betet an, und preist.

Er, der den Himmel ausgespannt,
Umfasset ihn mit starker Hand,
Und seines Reichs Unendlichkeit
Oft ohne Grenzen Maß und Zeit.

Ein unzählbares Weltenheer
Läuft zirkelnd um einander her,
Und rückt aus seiner Ordnung nicht;
Denn er hält all‘ im Gleichgewicht.

Und diese Erd‘, im Schöpfungsreich
Ein Punkt, an wie viel Schönheit reich!
Und die Bewohner ohne Zahl,
Wie voll von Wundern überall!

Doch für das Ganze sorgt nicht nur
Der gute Vater der Natur:
Er, der den kleinsten Staub beseelt,
Hat jedes Haupthaar auch gezählt.

Und ohne seinen Willen fällt
Kein Sperling nieder, denn er hält
Den Wurm, der sich vom Staube nähret,
Des Schutzes wie den Seraph wert.

Und so sorgt auch sein Vatersinn
Für mich, und was ich hab und bin:
Den Geist, den Leib, dies Glück, den Stand
Verdank ich seiner Liebeshand.

Er wog nach meiner Fähigkeit
Mir meine Wohlfahrt und mein Leid,
Mein ganzes Schicksal bis ins Grab
Und meine Lebensdauer ab.

Erhalte den Gedanken mir,
O Gott! „Was kommt, das kommt von dir!
Was deine Fürsicht an mir tut,
Ist herrlich, weise, selig, gut!“

Elisa von der Recke – Gott ist die Liebe.

Seligste der Lebensstunden,
Wenn mein Geist empor zu Gott
Sich im kühnsten Fluge schwingt!
Und mir dann im kleinsten Staube,
Wie durch Sonn‘ und Sternenglanz,
Ew’ge Liebe sichtbar wird.

Schmückte sie nicht unsre Fluten?
Schmückte sie den Himmel nicht
Mit der höchsten Schönheit Reiz?
Sind auf der Geschöpfe Leiter
Millionen Wesen nicht,
Die sich ihres Daseins freuen?

Gab zum fröhlichen Genusse
Dieses Lebens, Gott uns nicht
Tugendfreuden ohne Zahl?
Und den Geist, der sie empfindet,
Schuf den Gottes Güte nicht,
Ew’ger Wonne sich zu freun?

O du Wesen aller Wesen,
Deine Güt und Herrlichkeit
Fasset auch der Seraph nicht!
Staunend fühlt er deine Größe
Fühlet, hoher Freude voll,
Dass du unermesslich bist.

Seligste der Lebensstunden,
Wenn mein Geist empor zu Gott
Sich im kühnsten Fluge schwingt!
Unter mir entflieht die Erde:
Vorgefühl der Himmelslust
Hebt mich zu den Seligen.

Elisa von der Recke – Zufriedenheit in Gott

Wenn aufgeklärte Frömmigkeit
Des Menschen Seele schmücket,
Mit welcher Selbstzufriedenheit
Fühlt sie sich dann beglücket!
Sie kennet Gott, ihr Glaube spricht,
In Demutvoller Zuversicht:
Ich habe Gott zum Freunde!

Ist ihr kein irdisch Glück beschert;
Sie weiß es zu entbehren,
Und hält nur Güter wünschenswert,
Die mit ihr ewig währen,
Sie fühlt in ihrem Innersten
Erhabnere Vergnügungen,
Als die der Weltmensch kennet.

Wer fühlt wie sie der Freundschaft Glück,
Der Tugend reine Freuden?
Wer schwingt wie sie mit heiterm Blick
Sich über Grab und Leiden?
Wer kann wie sie der Krankheit Not,
Und wer geliebter Freunde Tod
Mit solchem Mute tragen?

Ja, selig ist der Geist, wann er
Sich ganz in Gott versenket!
Er kennt, wie weise gut und hehr
Der Schöpfer alles lenket.
Wie er mit Tugend Glück vereint,
Wie huldvoll er den Menschenfreund
Bemerkt, und hochbeseligt!

O! wer den guten Gott nicht liebt,
Der kennet nicht die Wonne,
Die echte Gottesliebe gibt.
Sie wirket gleich der Sonne,
Die in die kleinsten Pflanzen bringt,
Und sie zum schönsten Wachstum bringt:
So reift sie uns zum Glücke.

Elisa von der Recke – Der Tugendhafte nur fühlt die Güte Gottes.

Elisa von der Recke – Der Tugendhafte nur fühlt die Güte Gottes.

Groß ist der Herr, groß seine Güte
Die liebevoll für alles wacht!
Im Plan der ewig weisen Güte
Ist auch der kleinste Wurm bedacht:
Auch der soll sich im Staube freun,
Soll froh, auf dieser Erde sein.

Der muntre Fisch in See und Bächen,
Der Vogel, der in Lüften fingt,
Das Vieh auf bunt beblümten Flächen,
Das Würmchen, das vom Taue trinkt,
Bezeugen alle, Gott ist groß,
Und seine Liebe grenzenlos.

Und all die blühenden Gefilde,
Wo Millionen Wesen sich
Erfreuend, ihres Schöpfers Milde
Lobsingen, die sind Pein für dich?
Du machst, für alles blind und taub,
Dein Leben zu des Trübsinns Raub?

Die Schönheit selbst erpresst dir Klage,
Unfühlbar ist dir jede Pracht;
Zu blendend ist die Sonn‘ am Tage,
Zu finster ist dir bald die Nacht:
Du siehst nur Böses in der Welt,
Das Gute nicht, das sie enthält.

Es regen sich in deinem Herzen
Der Wünsche ungeheure Zahl.
Was du besitzest macht dir Schmerzen,
Was dir Gott nicht gewähret, Qual;
Voll Missgunst, Hass, und bitterm Neid
Macht Andrer Glück dir Herzeleid!

So sehr verkennt der Mensch sein Glücke,
Der je der Tugend Pfad verließ,
Schmäht seines Schöpfers Meisterstücke
Und macht zur Höll‘ ein Paradies:
Denn nur des Herzens Reinigkeit
Gibt Ruhe hier, dort Seligkeit.

Elisa von der Recke – Über den Wert und die Anwendung der Zeit.

Wägen wir der Tage Wert?
Geizen wir mit unsern Stunden?
Denken wir der Ewigkeit
Bei den kurzen Lebensfreuden?
Ach! ist jenes Leben nicht
Unsrer höchsten Sorge wert?

Eitle Luft der Sinnlichkeit
Täuschet uns durch falschen Schimmer,
Und entlocket uns der Bahn,
Die zum wahren Glücke leitet;
Unbefriedigt bleibt das Herz.
Leer und dürftig unser Geist.

Eltle Freuden werdet ihr
Wenn die Sterbeglocke schläget
Unsre Seelen noch erfreun?
Werdet ihr, wenn das Gewissen
Unsrer Taten Wert erforscht,
Trost und Frieden uns verleihn?

Wer gedenkt im Lustgewühl
Deiner, ernste Todesstunde?
Jeder setzt dich weit hinaus,
Schmeichelt sich mit langem Leben,
Und durchblitzest du die Lust,
Bang verscheucht der Eitle dich.

Jahre fliehn; die Ewigkeit
Naht, und tut die große Frage:
Pilger, bringst du Tugend mit,
Die mit Himmelswonne lohnet?
Die durch Taten sichtbar wird
Und nicht bloß von Lippen strömt?

Menschenliebe, froher Mut,
Der die Wege Gottes ehret,
Der dem Leben und dem Tod
Gleich getrost entgegen gehet;
Dieser wahre Christussinn
Zeigt ob Tugend in uns wohnt.

Tugend sei das hohe Ziel,
Das wir hier ereilen müssen,
Sie lehr‘ uns der Stunden Wert
Und veredle jede Freude!
Dann wird uns des Todesnacht
Lichter Gang zur Ewigkeit.

Elisa von der Recke – Tugendlied,

Mein treuer Gott, du schenktest mir
Ein Herz voll Bruderliebe;
Gib dass die selige Begier
Ich auch durch Taten übe!
Dass ich, so viel ich immer kann,
Des Jammers Last bei jedermann
Durch Trost und Hilfe minder.

Die Hand sei offen wie mein Herz,
Mildtätig auszuteilen,
Und fremdes Leid und fremden Schmerz
Zu lindern und zu heilen;
Dass hilflos keiner von mir geh,
Und keiner Seele tiefes Weh
Durch mich erschweret werde.

Lass mich dem Freunde nicht allein
Gern meine Dienste weihen:
Süß müsse stets die Pflicht mir sein
Auch Feinde zu erfreuen.
Lass mich durch Sanftmut und Geduld,
Durch Bruderlieb‘ und Menschenhuld,
Gott, dein Gebot erfüllen!