Lecke, Robert – Dies irae

1. Jener Tag, dem Zorn zu eigen,
Wird die Welt in Flammen beugen,
Wie Sybill‘ und David zeugen.

2. Welch‘ ein Schrecken wird da werden,
Wann der Richter kommt auf Erden,
Unerbittlich an Gebärden?

3. Weltposaunen werden tönen,
Daß die fernsten Gräber dröhnen,
Hin zum Richtstuhl alle stöhnen.

4. Die Natur, der Tod wird beben,
Wenn Geschöpfe sich erheben,
Und dem Richter Antwort geben.

5. Und ein Buch wird aufgeschlagen,
D’rin ist alle Schuld getragen,
Die uns wird vor Gott verklagen.

6. Dann wird Recht von Dem gesprochen,
Der weiß, was wir einst verbrochen,
Keine Schuld bleibt ungerochen.

7. Weh! was soll ich Aermster sagen,
Welchen Schutzherrn wohl erfragen,
Wenn Gerechte selbst verzagen?

8. König, furchtbar hoch an Würde,
Aller Frommen Hirt und Hürde,
Nimm von mir der Sünden Bürde.

9. Frommer Jesus, woll‘ erwägen,
Daß du kamest meinetwegen:
Führ‘ mich einst dem Heil entgegen.

10. Für mich trug’st du alle Plagen,
Ließ’st für mich an’s Kreuz dich schlagen,
Hab‘ es nicht umsonst getragen.

11. Richter der gerechten Rache,
Uebe Gnad‘ in meiner Sache,
Eh‘ der Tag des Rechts erwache.

12. Muß mich seufzend schuldig nennen,
Schaamroth meine Wangen brennen,
Flehend, Herr, mein Fehl bekennen.

13. Hast Marien Trost gewähret,
Und den Schächer einst erhöret,
Mir auch Hoffnung nicht verwehret.

14. Würdig bin ich nicht zu flehen,
Doch laß‘ deine Gnad‘ mich sehen,
Ew‘gem Feuer mich entgehen.

15. Woll‘ mich zu den Schafen wählen,
Zu den Böcken mich nicht zählen,
Laß zur Rechten mich nicht fehlen.

16. Von den Sündern, den Verlornen,
Und zur Flammenpein Gebornen,
Ruf‘ mich zu den Auserkornen.

17. Traurig fleh‘ ich und zerschlagen,
Kummer will mein Herz zernagen:
Für mein End‘ woll‘ Sorge tragen.

18. Tag der Rache, Tag der Wehen,
Wo die Sünder auferstehen,
Um in das Gericht zu gehen:
Gott, woll‘ gnädig sie ansehen!

Amen.

Königsfeld, Gustav Adolph – Dies Irae

Jenen Zorntag, jenen schweren
Wird die Gluth das All verzehren:
Wie Sibill‘ und David lehren.

Welch ein Grau’n, in Angst beklommen,
Wird dann sein, wenn Gott gekommen,
Wägend Alles hat vernommen.

Furchtbar mit Posaunen Tone
Durch die Gräber jeder Zone
Ruft er Alle zu dem Throne.

Staunend beben, Tod und Leben,
Wenn die Todten sich erheben,
Richter! Antwort Dir zu geben.

Dann wird sich ein Buch entfalten,
In dem Alles ist erhalten,
Das Gericht der Welt zu halten.

Sitzt Er nun das Recht zu sprechen,
Dann enthüllt sich jed‘ Verbrechen,
Alles, alles wird er rächen!

Wie soll Aermster ich dann rechten,
Wen erflehn, mich zu verfechten,
Da kaum sicher die Gerechten?

König schauervoller Größe,
Frei löst Deine Huld das Böse,
Gnadenquell, auch mich erlöse!

Jesus, uns zum Heil erkoren,
Denk, auch mir warst Du geboren,
Daß ich einst nicht ging verloren.

Mich hast Du gesucht mit Zagen,
Warst für mich an’s Kreuz geschlagen,
Das sei nicht umsonst ertragen!

Strenger Richter, bei der Rache
Schenke Nachsicht meiner Sache,
Eh‘ der Rechnungstag erwache.

Seufzend steh‘ ich schuldbefangen,
Schamerglüht sind meine Wangen,
Herr! laß Gnade mich empfangen!

Der Du lossprachst einst Marien
Und dem Mörder selbst verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Zwar mein Fleh’n tilg’t nicht die Schulden,
Doch Du, Gnäd’ger, laß in Hulden
Mich die ew’ge Qual nicht dulden!

Gib mir mit den frommen Knechten,
Streng gesondert von den Schlechten,
Meinen Stand zu Deiner Rechten.

Wenn der Böse vor den Ruthen
Deines Zorns stürzt in die Gluthen,
Rufe Du mich mit den Guten!

Tief zerknirscht im Staube wende
Ich das Herz zu Dir, mein Ende
Leg‘ ich, Herr, in Deine Hände!

O! dem thänenvollen Tage,
Wo dem Grab entsteigt zur Wage
Des Gerichts der Mensch voll Sünden:

Ihn, o Gott, laß Gnade finden!
Jesu, Allerbarmer Du,
Schenke Allen ew’ge Ruh! Amen!

Hiller, Johann Adam – Dies Irae

Tag des Richters, du wirst kommen:
Deiner freun sich alle Frommen,
Wenn die Sünder vor dir beben.

Schrecklich wirst du denen werden,
Die dein spotteten auf Erden,
Wirst Verdammnis ihnen geben.

Gleich dem Tönen der Posaunen
Werden Gräber mit Erstaunen
Des Erweckers Stimme hören.

Leben wird zum Abgrund dringen,
Wird des Todes Reich bezwingen,
Und den langen Schlaf verstören.

Dann, erwacht zu neuem Leben,
Werden Alle sich erheben,
Die in Todesbanden lagen.

O wie werden die Verbrecher
Vor dem einst verlachten Rächer
Nun vergebens flehn und klagen!

Aber ihr dem Herrn Getreuen,
Ihr dürft eures Lohn’s euch freuen,
Nicht vor’m Richter muthlos zagen!

Gott mit fruchtbar’m Glanz umgeben –
Kann kein Sünder vor dir leben:
Wie werd‘ ich vor dir bestehen?

O mein Heiland, jene Pfade
Kann ich nur durch deine Gnade
Ohne Schaudern sicher gehen.

Du wardst Mensch, auch mir zu Gute,
Löstest mich mit deinem Blute;
Deine Leiden sind mir Segen.

Lass, ach lass an jenem Tage,
Wenn ich Sünder angstvoll zage,
Mir zum Schutze dich bewegen.

Lass der Reue bittre Thränen,
Die sich brünstig nach dir sehnen,
Zur Vergebung vor dir gelten!

Der du Sündern gern verziehest,
Jedem Armen Trost verliehest,
Wirst mich nicht verdammend schelten.

Gross ist meiner Sünden Menge:
Mit Erbarmen, nicht mit Strenge
Siehe richtend mein Vergehen!

Stelle mich zu jenen Frommen,
Die begnadigt zu dir kommen,
Und zu deiner Rechten stehen.

Wenn die Bösen von dir scheiden,
Der Verdammten Qual zu leiden,
Lass‘, O Herr, bei dir mich leben!

Tief gebeugt ist meine Seele;
In der Schwermuth finstrer Höhle
Kann ihr Niemand Ruhe geben.

Nur mit dir kann jenem Tage,
Ungekränkt von Furcht und Plage,
Muthig ich entgegen eilen.

Du führst von der Erden Leiden
Frei mich ein zu deinen Freuden:
Ewig nenn‘ ich dann dich mein,
Ewig selig dein zu sein. Amen.

Gryphius, Andreas – Dies irae

Zorntag! Tag, der, was wir ehren,
Wird durch schnelle Glut zerstören,
Wie Sibyll und Petrus lehren.

Ach, welch Schrecken, welch Bewegen!
Wenn Gott selbst wird Richtbank hegen,
Und scharf Alle überlegen.

Die Posaun‘ wird Wunder klingen,
Durch Gruft, Grab und Marmel dringen,
Alle vor den Höchsten zwingen.

Die Vernunft, der Tod erschütteert,
Indem das Geschöpf sich wittert,
Und vor Christi Richtstuhl zittert.

Schau! das Buch wird aufgeschlagen,
In das Alles eingetragen,
Warum Welt und Fleisch zu fragen!

Wenn das Urtheil nun entdecket,
Wird man seh’n, was jetzt verstecket,
Hier verliert, was je beflecket.

Armer! ach, was werd‘ ich sagen?
Wen um Schutz und Beistand fragen,
Wenn Gerecht‘ auch selber zagen?

Fürst, um den viel Tausend wachen,
Der umsonst will selig machen,
Reiss mich aus der Höllen Rachen!

Süsser Jesu, nimm zu Herzen,
Dass du vor mich gingst in Schmerzen,
Lass mich nicht mein Heil verscherzen.

Du hast mich durch Kreuz und Wunden,
Müd‘ und seufzend, kaum gefunden;
Ist die Müh‘ in Nichts verschwunden?

Ernster Gott, ach Herr! entschlage
Mich der Bürden, die ich trage,
Ehe mich dein Grimm betage!

Ich erseufz‘, ich bin verklaget!
Ich erröth‘, ich steh‘ verzaget!
Herr, um den du dich gewaget.

Der Marien Gnad‘ ankündet,
Der des Schächers Band entbindet,
Hat mein Hoffen auch entzündet.

Viel zu schlecht ist meine Bitte,
Gütigster, hilf mir aus Güte!
Vor der Höllen Glut behüte!

Mit den Schafen mich erhöhe,
Dass ich von den Böcken gehe,
Und an deiner Rechten stehe!

Rufe, wenn von dir vertrieben,
Die der Höllen zugeschrieben,
Mich mit denen, die dich lieben!

Dass ich mich zu dir erhebe,
Bei den Auserwählten schwebe,
Und in Ewigkeit dir lebe!

Da die, den’n es durch dich glücket,
Alle Unlust sind entrücket,
Für und für durch dich erquicket.

Knieend heb‘ ich auf die Hände!
Mein Herz ist wie Asch‘ und Brände,
Jesu, sorge vor mein Ende!

Thränentag, vol Angst und Krachen!
In dem aus dem Staub erwachen
Soll ein Mensch, den Gott wird richten,
Jesu, hilf das Urtheil schlichten!

Fichte, Johann Gottlieb – Dies irae.

Jenen Tag, den Tag der Fülle,
Fällt die Welt in Graus und Stille,
David zeugt’s und die Sibylle.

Angst ergreift die Creaturen,
Wie sie in azurnen Fluren
Seh’n des nah’nden Richters Spuren.

Die Posaun‘ im Wundertone
Regt auf, was in Gräbern wohne,
Sich zu stellen vor dem Throne.

Und der Tod gibt her mit Beben;
Seinen Raub dem neuen Leben;
Dann wird das Gericht anheben,

Und des Richters mächt’gem Schalten
Eine Rolle sich entfalten,
Um das Weltgericht zu halten.

Was hier floh‘ die Offenbarheit,
Tritt allda heraus in Klarheit,
Wird gerichtet nach der Wahrheit.

Was sag ich dann? Wen erkühren,
Meine Sache da zu führen,
Wo selbst Reine Fehler spüren?

Herrscher, dessen furchtbar’n Grösse
Ich erheb_ in meiner Blösse,
Gnadenquell dein Spruch mich löse.

Dass sodann ich nicht entfliehe
Deinem Schirm‘, o Jesu; siehe,
Ich war Ziel ja deiner Mühe.

Hast am Kreuz, an mächt’ger Fassung,
Mir erworben Sünd’erlassung,
Bleib‘ ich dann in der Umfassung.

Richter, Tilger meiner Sache,
Gieb, dass ich in dir erwache,
Eh‘ erscheint der Tag der Rache!

Nieder werf‘ ich mich in Demuth,
Hin zerfliess‘ ich dir in Wehmuth;
Ob der Schuld sieh‘ meine Demuth!

Gnade, die Marien offen,
Die des Schächers Reu‘ getroffen,
Lässt auch mich Erbarmen hoffen.

Zwar mein Fleh’n ist zu geringe;
Doch du thatest grosse Dinge,
Dass dem Feu’rpfuhl ich entginge.

Stell mich rechts zu deinen Schaaren,
Vor den Böcken wolls’t mich wahren,
Lass mich nicht mit ihnen fahren.

Wo die Weg‘ auf immer scheiden,
Jene geh’n zu ew’gen Leiden,
Lass mich heim zu deinen Freuden.

Denk in welcher Jammermiene
Ich gesuchet deine Sühne,
Dass mir selig‘ End‘ erschiene!

Ebeling, Christoph Daniel – Dies Irae

Erden wanken, Welten beben,
Wenn du, Herr, dich wirst erheben,
Richtend über Tod und Leben.

Ach, vor jenen Ungewittern,
Die der Welten Bau erschüttern,
Werden alle Frevler zittern.

Einst gehn beim Posaunen schalle,
Deine Todten gehn wir Alle,
Aus der Gräber düstern Halle.

Keine Sünde bleibt verborgen,
Dort an jenem grossen Morgen,
Wird ihr Lohn ihr widerfahren.

Jede That wird der Gerechte
Aus der Hülle finstrer Nächte,
Aus dem Dunkel offenbaren.

An dem feierlichen Tage
Wirst du mit gerechter Waage
Jedem Sterblichen vergelten.

Ach, wer wird vor dir bestehen?
Wer begnadigt dann mich Armen?
Wer wird unser sich erbarmen?

Herr, du strafest freche Sünder,
Du begnadigst deine Kinder;
Rette uns von den Verlornen.

Liebevoll warst du hienieden,
Gabst den Sündern deinen Frieden,
Sei uns gnädig im Gerichte.

Du warst sanft und voll Erbarmen,
Freundlich, liebreich, halfst den Armen,
Sei uns gnädig, unser Mittler.

Richter über Tod und Leben,
Dir will ich mich ganz ergeben,
Ja, wir nahen deinem Throne.

Lass uns Gnade vor dir finden,
Uns belasten schwere Sünden,
Grosser Richter, o verschone!

Die Verlornen zu erretten
Aus der Sünde Sclavenketten,
War dein grosses Werk auf Erden.

Du erforschest unsre Seelen,
O vergieb uns, wann wir fehlen!
Wende von uns das Verderben.

Lass uns Alle mit den Frommen
Zu des Himmels Freuden kommen!
Jesu, lass dein Heil uns erben.

Freche Sünder werden zittern,
Vor des Zornes Ungewittern,
Rette du voll Huld die Deinen!

Herr, dem wir im Staube nahen,
Lass Vergebung uns empfahen,
O, Erbarmer, sei uns gnädig.

Feierliche, ernste Stunde,
Wann der Richter wird erscheinen,
Und die Todten sich erheben.

O verleihe selig’s Leben
Allen die sich deiner freu’n
Segne du sie, Ewiger!

Claes, Johann – Dies Irae

Tag der Rache, Tag der Sünden,
Macht das Weltall sich entzünden,
Wie Sibyll‘ und David künden.

Welch‘ Entsetzen wird dann walten,
Wenn der Richter kommt zu schalten,
Streng mit uns Gericht zu halten.

Die Posaun‘ im Wundertone
Sprengt die Gräber jeder Zone,
Fordert Alle auf zum Throne.

Tod und Schöpfung werden beben,
Wann die Leichen sich erheben,
Antwort im Gericht zu geben.

Und ein Buch wird aufgeschlagen,
Da ist Alles eingetragen,
Welt, darauß dich zu verklagen.

Sitzt der Richter dann und richtet,
Wird, was dunkel ist, gelichtet,
Keine Schuld bleibt ungeschlichtet.

Ach! was werd‘ ich armer sagen,
Welchen Schutz und Rath erfragen,
Da Gerechte selbst verzagen?

König, furchtbar hoch erhaben,
Frei sind deiner Gnade Gaben,
Wolle Gnadenbronn mich laben!

Frommer Jesu, denk‘ in Gnaden,
Ziel einst war ich deinen Pfaden,
Wende jenes Tag’s den Schaden!

Sankst du doch für mich zur Erden
Trugst für mich am Kreuz Beschwerden,
Laß dies Leid nicht unnütz werden!

Richter mit gerechter Wage,
Schenke mir Erlaß der Klage
Vor der Rechnung ernstem Tage!

Als ein Sünder seufz‘ ich lange,
Röthlich färbt mir Schuld die Wange,
Schone, Herr Gott, steh‘ ich bange!

Du, der einst vergab Marien,
Der dem Schächer hat verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Zwar unwürdig ist mein Flehen,
Doch laß Gnade mild ergehen,
Vor des ew’gen Feuers Wehen!

Zu den Schafen laß mich fahren,
Ferne von der Böcke Schaaren,
Dir zur Rechten Raum bewahren!

Wann die Flamme heiß entglommen,
Die Verdammten hingenommen,
Rufe mich mit deinem Frommen!

Mit zerknirschtem Herzen wende
Ich im Staub zu dir die Hände:
Sorge gnädig für mein Ende!

Und wenn vor dem Tag wir beben,
Wo sich alle einst erheben,
Rechenschaft dir, Gott, zu geben!

O; dann schone ihrer Sünden,
Komm, um Gnade zu verkünden,
Und laß ew’ge Ruh‘ sie finden!

Ringwaldt, Bartholomäus – Vom Jüngsten Gericht

In seinem eignen Ton, von Bartholomäus Ringwald gebessert.

1. Es ist gewisslich an der Zeit,
Dass Gottes Sohn wird kommen
In seiner großen Herrlichkeit,
Zu richten Bös und Frommen.
Dann wird das Lachen werden teur,
Wenn alles wird vergehn im Feur,
Wie Petrus davon schreibet.

2. Posaunen wird man hören gehn
An aller Werlet1Welt Ende,
Darauf bald werden auferstehn
All Toten gar behende;
Die aber noch das Leben han,
Die wird der HErr von Stunden an
Verwandeln und verneuen.

3. Danach wird, man ablesen bald
Ein Buch, darin geschrieben,
Was alle Menschen, jung und alt,
Auf Erden han getrieben;
Da denn gewiss ein jedermann
Wird hören, was er hat getan
In seinem ganzen Leben.

4. O weh demselben, welcher hat
Des HErren Wort verachtet
Und nur auf Erden früh und spat
Nach großem Gut getrachtet;
Er wird fürwahr gar kalt bestehn
Und mit dem Satan müssen gehn
Von Christo in die Hölle.

5. O Jesu, hilf zur selben Zeit
Von wegen deiner Wunden,
Dass ich im Buch der Seligkeit
Werd angezeichnet funden;
Daran ich denn auch zweifle nicht,
Denn du hast ja den Feind gericht
Und meine Schuld bezahlet.

6. Derhalben mein Fürsprecher sei,
Wenn du nun wirst erscheinen,
Und lies mich aus dem Buche frei,
Darinnen stehn die Deinen,
Auf dass ich samt den Brüdern mein
Mit dir geh in den Himmel ein,
Den du uns hast erworben.

7. O Jesu Christ, du machst es lang
Mit deinem jüngsten Tage;
Den Menschen wird auf Erden bang
Von wegen vieler Plage.
Komm doch, o komm, du Richter groß,
Und mach uns in der Gnaden los
Von allem Übel. Amen.

Harms, Claus – Übersetzung des „De die Iudicii“

Übertragung von Celanos „De die iudicii“

1. Zorntag, grösster aller Tage,
Aller Bibeln ernste Sage,
Mit dem Feuer, mit der Waage:

2. Welches Heulen, welches Weinen,
Wenn Du einmal wirst erscheinen
Plötzlich, da wir es nicht meinen!

3. Eine Stimm’ wird sich erheben;
Die dann todt sind, die dann leben,
Sollen Red’ und Antwort geben.

4. Beide fahren sie zusammen,
Sehen sich bei Feuerflammen:
Wird er euch und uns verdammen?

5. Müssen stehn vor einem Buch:
Ach, sind wir auch in der Suche?
Oder angemerkt zum Fluche?

6. Jetzo wird der Richter sprechen,
Alle Siegel wird er brechen,
Die geheimsten Thaten rächen!

7. Ach, wie fürcht’ ich seine Ruthe!
Zeugt nicht Einer mir zu Gute?
Reinen selbst ist bang zu Muthe.

8. O du König solcher Schrecken!
Gnade kann allein mich decken.
Ich will dein Erbarmen wecken!

9. Hattest mich doch einst erkoren,
Bist doch ja für mich geboren.
Und ich wäre jetzt verloren?

10. Hast dich müd’ um mich gegangen,
Bist für mich am Kreuz gehangen,
Und das sollte nichts verfangen?

11. Wärest du denn bloss ein Rächer?
Gar kein, gar kein Gnadensprecher
Ueber reuige Verbrecher?

12. Noch ist nicht mein Spruch gefället;
Eh’ derselbe mich zerschellet,
Hör’ die Bitt’ an dich gestellet!

13. Hast Maria angeblicket,
Hast den Schächer selbst entzücket
Ich soll bleiben unerquicket?

14. O du Guter, Milder, Treuer,
Rette vor dem ew’gen Feuer,
Den du hast erlöst so theuer!

15. Zwar nicht auf mein Bitten steh’ ich,
Nein, zu deiner Gnade fleh’ ich,
Halte sie mich, sonst vergeh’ ich.

16. Du wirst scheiden, bannen, aechten,
Reisse mich noch aus dem Schlechten,
Rechts von dir zu den Gerechten!

17. Wenn die Bösen überwiesen,
Und den Flammen zugewiesen,
Sei ich in die Freud’ gewiesen!

18. Ach, ich schau die Höllenbrände,
Rufe, ringe meine Hände:
Mach es wohl mit mir am Ende!

Liscoo – Dies Irae

Celano, Thomas von – De die Iudicii

Dies irae, dies illa
Solvet seclum in favilla
Teste David cum Sibylla.

Quantus tremor est futurus
Quando index est venturus
Cuncta stricte discussurus!

Tuba mirum spargens sonum
Per sepulcra regionum
Coget omnes ante thronum.

Mors stupebit et natura
Cum resurget creatura
Iudicanti responsura.

Liber scriptus proferetur
In quo totum continetur
Unde mundus iudicetur.

Judex ergo cum sedebit
Quidquid latet, apparebit
Nil inultum remanebit.

Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus
Dum vix iustus sit securus?

Rex tremendae maiestatis
Qui salvandos salvas gratis
Salve me, fons pietatis.

Recordare, Iesu pie
Quod sum causa tuae viae
Ne me perdas illa die.

Quaerens me sedisti lassus
Redemisti erucem passus
Tantus labor not sit cassus.

Iustae iudex ultionis
Donum fac remissionis
Ante diem rationis.

Ingemisco tanquam reus
Culpa rubet vultus meus
Supplicanti parce, Deus!

Que Mariam absolvisti
Et latronem exaudisti
Mihi quoque spem dedisti.

Preces meae non sunt dignae
Sed tu bonus fac benigne
Ne perenni cremer igne!

Inter oves locum praesta
Et ab hoedis me sequestra
Statuens in parte dextra!

Confutatis maledictis
Flammis acribus addictis
Voca me cum benedictis!

Oro supplex et acclini
Cur contritum quasi cinis
Gere curam mei finis.

Lacrymose dies illa,
Qua resurget ex favilla
Judcandus homo reus:

Huis ergo parce, Deus!
Pie Jesu, Domine,
Dona eis requiem!

Amen.

Quelle: Zeitschrift für die historische Theologie Zwölfter Band/ Neue Folge. Sechster Band. Leipzig 1843 Verlag von L. H. Bösenberg.

corrigiert und erweitert 10.11.2019