Gottfried Arnold – Sieg der Gelassenheit.

Ach triumphiere nicht vor’m Siege!
Wo willst du flieh’n, o Seele, hin,
Da frei vom Feind und sicher liege
Dein hart verwirrter Eigensinn?
Suchst du nach Ruh‘ in äußern Dingen:
Ach, glaub‘ es, du erlangst sie nicht!
Wirst du nicht nach dem Innern ringen,
So bleibst du ferne von dem Licht.

Lass dein Verlangen weislich hangen
An jener wahren Einsamkeit,
Die, wenn du aus dir selbst gegangen,
Dich erst von seinem Selbst befreit!
Die Eigensucht muss dich verlassen,
Die Lichtsgedanken müssen dich
In Kraft des Geistes recht erfassen,
Dann geht es recht und seliglich,

Drum bleib‘ nur im Gehorsam stehen!
Vom Posten weicht kein Kriegesmann,
Wenn ihm sein Feldherr ihn ersehen;
Er setzet Blut und Leben dran.
Der Glaube kennt nicht Eigenwillen,
Er sucht sich seinen Weg nicht aus,
Dass Gottes Rat er mög‘ erfüllen
Und kommen aus dem Streit heraus.

Du bist bir selbst die größte Plage,
Trägst deine Strafe selbst in dir;
Begehre keine süßen Tage,
Wenn du willst Ruh‘ genießen hier!
Wer sich auf Traumeslust will legen,
Wird immer mehr nur missvergnügt;
Lass dich die Liebe Christi pflegen,
Die alles Wissen überwiegt!

Lern‘ freu’n dich auf die stille Kammer
Des Grabes, da du wohnen wirst,
Dass dorthin einst aus allem Jammer
Hinführe dich dein Friedefürst!
Hier zeitlich eine Stätte haben,
Das reichet für den Geist nicht hin;
Und drüben kann sich auch nichts laben,
Wenn mit dir zieht dein Eigensinn.

Du kannst nicht in dem Weltgetümmel
Im Geist den Vater beten an.
Wen Er gerufen zu dem Himmel,
Der rechne nicht auf breite Bahn!
Er will durch Welthass hier dich üben,
Dass unter dessen Drängersjoch
Du recht den Himmel lernest üben,
Und sich dein Düstren stille noch.

Dort ist ein Vaterland zu hoffen;
Gott gibt schon dessen Vorschmack hier!
Dies Ziel hat Keiner je getroffen,
Der hier nicht kämpfet nach Gebühr.
Ein Christ nährt sich mit ew’gen Dingen,
Die süß, und doch unsichtbar sind,
Und Christus lässt es ihm gelingen. –
O werd‘ in Einfalt Gottes Kind!

Gottfried Arnold – Um völlige Liebe.

O stilles Lamm, o sanftes Wesen!
Wann wird‘ ich Dir doch ähnlich sein,
Dass meine Seel in Dir genesen
Und durch dein Blut kann werden rein?

Ach lass mich seine Kraft durchdringen!
Ach, zeuch mich in dein Herz hinein!
Lass mir’s den tiefsten Frieden bringen,
Darin ich mag verwahret sein!

Tilg‘ meines wilden Feuers Toben!
Nimm hin des Grimmes Heftigkeit,
Und lass mich Dich im Stillen loben
Mit göttlicher Gelassenheit!

Sanftmütig, still und eingezogen,
Bescheiden und in Einfalt weis,
Von Herzen niedrig und gebogen,
Bedachtsam mach‘ mich, Dir zum Preis!

Bin ich von deiner Hand gesetzet,
So ist der Erdkreis völlig mein,
Weil mich kein Sterben mehr verletzet,
Und Friedenspalmen mir gedeih’n.

Ach, holde Sanftmut! mach‘ doch süße
Mein bittres Herz, damit noch hier
Ich deine Leidensfrucht genieße
Und rein in Liebe steh‘ vor Dir!

Gottfried Arnold – Des Glaubens Kunst.

Das ist des Glaubens Kunst,
Bei tausend Widersprüchen,
In aller Nebel Dunst
Dem Feind nicht sein gewichen.
Und brich durch alle Türen:
So wird der Geist zum Thron
Der Gottheit Dich hinführen!
Denn über Luft und Stern

Ist erst die heit’re Stille,
Wenn Alles von sich fern
Verstößt der lautre Wille.
Dann liegt der Anker ewig fest
Am Schiff, das Gott nicht sinken lässt!

Gottfried Arnold – Sieg der Einfalt.

Es hilft uns nichts, mit hohen Gaben
Und Wissenschaft geziert zu sein;
Wir müssen ganz was Andres haben,
Dadurch das Herz kann werden, rein.
Das bloße Wissen bläht nur auf,
Und hemmt die Heiligung im Lauf.

Ein Abgrund ist in uns verborgen
Mit unermess’ner Eitelkeit;
Die heißt uns wachen, rennen, sorgen,
Dass Gott sich nicht an uns erfreut;
Wir haben dieses Elends Macht
Durch unsern Fall auf uns gebracht.

Wär‘ Einer völlig auch entzücket
Bis in des dritten Himmels Licht,
Und noch nicht kräftiglich entrücket
Der Selbstsucht schrecklichem Gericht:
Er strauchelte doch überall,
Und tat im Himmel einen Fall!

Hier gilt ein Menschenwort geringe,
Viel Reden reichet hier nicht zu;
Nein, es sind überird’sche Dinge,
Dadurch man kommt zur wahren Ruh‘!
Wo Nacht mit Nacht stimmt überein,
Kann Licht mit Licht nur siegreich sein!

Gottfried Arnold – Des Herrn Wunderführung.

So führst Du doch recht selig, Herr, die Deinen,
Ja, selig, und doch meist verwunderlich!
Wie könntest Du es böse mit uns meinen,
Da deine Treu‘ nicht kann verleugnen sich?
Die Wege sind oft krumm, und doch gerad,
Darauf Du lässt die Kinder zu Dir geh’n;
Da pflegt’s oft wunderseltsam auszuseh’n,
Doch triumphiert zuletzt dein hoher Rat.

Du willst dein Wert nicht auf Gesetze bauen,
So die Vernunft und gute Meinung stellt.
Du kannst den Knoten mit dem Schwert zerhauen,
Und sanft auflösen, wie es Dir gefällt.
Du reißest wohl die stärksten Band‘ entzwei;
Was sich entgegensetzt muss sinken ein:
Ein Wort bricht oft den allerhärtsten Sinn,
Dann geht dein Fuß auch durch Umwege frei.

Was unsre Klugheit will zusammenfügen,
Teilt dein Verstand in Ost und Westen aus;
Was mancher unter Joch und last will biegen,
Setzt deine Hand frei an der Sterne Haus.
Die Welt zerreißt, und Du verknüpfst in Kraft;
Sie bricht, Du baust; sie baut, Du reißest ein;
Ihr Glanz muss Dir ein dunkler Schatten sein;
Dein Geist bei Toten Kraft und Leben schafft.

Wen die Vernunft oft fromm und selig preiset,
Den hast Du schon aus deinem Buch getan;
Und wem die Welt dies Zeugnis nicht erweiset,
Den führst Du in der Still‘ doch himmelan.
Den Tisch der Pharisäer läss’st Du steh’n,
Und speisest mit den Sündern, sprichst sie frei;
Wer weiß, was öfters deine Absicht sei?
Wer kann der tiefsten Weisheit Abgrund seh’n?

Was Alles ist, gilt nichts in deinen Augen,
Was Nichts ist, hast Du, großer Gott, recht lieb;
Der Worte Pracht und Ruhm mag Dir nicht taugen,
Du gibst die Kraft durch deines Geistes Trieb.
Die besten Werke bringen Dir kein Lob:
Sie sind versteckt, der Blinde geht vorbei,
Wer Augen hat, sieht sie, doch nie so frei;
Die Sachen sind zu klar, der Sinn zu grob.

O Herrscher! sei von uns gebenedeiet,
Der Du uns tötest und lebendig machst!
Wenn uns dein Wort der Weisheit Schatz verleihet,
So seh’n wir erst, wie wohl Du für uns wachst!
Die Weisheit spielt mit uns1Spr. 8,30, wir spielen mit;
Bei uns zu wohnen, ist ihr lauter Lust;
Die reget sich in deiner Vaterbrust,
Und gängelt uns mit zarter Kinder Schritt.

Bald scheinst Du etwas hart uns anzgreifen,
Bald fährest Du mit uns ganz säuberlich;
Geschieht’s, dass unser Sinn sucht auszuschweifen,
So weist die Zucht uns wieder hin auf Dich.
Da geh’n wir dann mit blöden Augen hin,
Du blickst uns an, wir sagen Besserung zu;
Drauf schenkt dein Geist dem Herzen wieder Ruh,
Und hält im Zaum den ausgeschweiften Sinn.

Du kennst, o Vater, wohl das schwache Wesen,
Die Unmacht und der Sinnen Unverstand;
Man kann uns fast an unsrer Stirne lesen,
Wie es um schwache Kinder sei bewandt.
Drum greifst Du zu, und hältst und trägest sie,
Brauchst Vaterrecht und zeigest Muttertreu;
Wo Niemand meint, dass Etwas deine sei,
Da hegst Du deine Schaf, und läss’st sie nie.

Also gehst Du nicht die gemeinen Wege,
Dein Fuß wird selten öffentlich geseh’n:
Damit Du siehst, was sich im Herzen rege,
Wenn Du in Dunkelheit mit uns willst geh’n.
Das Widerspiel legst Du vor Augen dar
Von dem, was Du in deinem Sinne hast;
Wer meint, er habe Deinen Rat gefasst,
Der wird am End‘ ein Andres oft gewahr.

O Auge, das nicht Trug noch Heucheln leidet,
Gib mir des scharfen Blickes Sicherheit,
Der die Natur von Gnade unterscheidet,
Das eigne Licht von deiner Heiterkeit!
Lass doch mein töricht Herz dich meistern nicht,
Brich ganz entzwei den Willen, der sich liebt;
Erweck die Lust, die sich nur Dir ergibt,
Und tadelt nie dein heimliches Gericht!

Will etwa die Vernunft Dir widersprechen,
Und schüttelt ihren Kopf zu deinem Weg,
So wollst Du ihre Festung so zerbrechen,22. Kor. 10,4.5
Dass ihre Höhe sich bei Zeiten leg?!
Kein fremdes Feu’r33. Mos. 10,1 u.f. entzünde sich bei mir,
Das ich vor Dich in Torheit bringen möcht,
Womit ich gar Dir zu gefallen dächt;
Ach selig, wer sein Licht empfängt von Dir!

So zieh‘ mich denn hinein in deinen Willen,
Und trag‘ und heg‘ und führ‘ dein armes Kind!
Dein innres Zeugnis soll den Zweifel stillen,4Röm. 8,15
Dein Geist die Furcht und Lüste überwind‘!
Du bist mein Alles, denn dein Sohn ist mein;
Dein Geist regt sich ganz kräftiglich in mir,
Ich brenne nur nach Dir in Heilsbegier;
Wie oft erquickt mich deiner Klarheit Schein!

Drum muss die Kreatur mir immer dienen,
Kein Engel schämt nun der Gemeinschaft sich;
Die Geister, die vor Dir vollendet grünen;5Ebr. 12,22
Sind meine Brüder, und erwarten mich.
Wie oft erquicket meinen Geist ein Herz,
Das Dich und mich und alle Christen liebt!
Ist’s möglich, dass mich etwas noch betrübt?
Komm, Freudenquell! weich‘ ewig, aller Schmerz!

Gottfried Arnold – Dein Wille!

Gleich wie ein Rosenbusch, von Morgentau durchspielt,
Vom Westwind wird gelind und freundlich angeblasen,
So hat des Herren Geist mein Angesicht gekühlt,
Seit ich, trotz aller Welt und aller Feinde Rasen,
Gepflanzt ins Paradies durch einen scharfen Stoß,
Des Heilands Blümchen bin, benetzt mit seinem Blute,
Das Er aus lauter lieb‘ auf meine Blätter goss.
Das ist mein Lebenstau, der sättigt mit dem Gute
Der ganzen Ewigkeit. Sein freundlich Angesicht
Ist mir ein Sonnenschein. Mein Herz darf nicht verziehen,
Es geht durch eig’nen Tod ins unerschaff’ne Licht.
Durchs Sterben wirst du erst zum wahren Leben fliehen;
Da wird das Kind gezeugt, das Gottes Geist erzielt,
Denn für Dich, alter Mensch, wird keine Ruhstatt funden!
Hier gilt die neue Kraft, die vor dem Vater spielt,
Hier quillet nur das Heil aus Tod und Christi Wunden.
Wer überwindet, soll das Paradies ererben;
Wem sollte bitter sein das so durchsüßte Sterben?

Gottfried Arnold – Einer erweckten Seele.

Geh‘ fort, mein Geist, in diesem Trieb,
lass Dich nicht Furcht noch Lüste mehr aufhalten!
Hast du geschmeckt des Heilands lieb‘,
So lass das Herz nicht wiederum erkalten.
Lauf fort, und werde brünstig recht;
Halt, was Du hast, und greife nach noch mehrer’n Gaben!
Die Erd‘ ist Dir ja viel zu schlecht,
Den Himmel sollst Du nun im Herzen haben.
Sieh, wie dein Gott zerbricht die Macht,
Die Dich beherrscht! D’rum tritt nur fröhlich weiter,
Vergiss die finst’re Trauernacht!
Der Tag ist da, die Dunkelheit wird heiter!
Wohl dir, Du sollst bald können seh’n
Dich über Sonn‘ und Mond und alle Welt erhoben,
Wenn Du vor Gottes Sohn wirst steh’n.
Ach, fang ihn an, so bald Du kannst, zu loben!

So lobet denn, alle Geschöpfe, den König!
Dies loben ist dennoch für Ihn noch zu wenig;
Er müsse Sich selbst in uns völlig erheben,
Und einzig in seinen Erlöseten leben!
Der süße Geruch soll ihm stetig aufsteigen
Vom Opfer der Lippen, bis dass sie erreichen
Die Wohnung des Herrn im ewigen Lichte;
Erzählet die wunderbar sel‘ge Geschichte!
Verschweiget die Taten des Herren nicht weiter,
Entdeckt sie! es spielet das Morgenrot heiter
Vom Glanze, der alle Gewölke vertreibet,
Und uns zu Jerusalems Bürgerschaft treibet!
Wohlauf, ihr Erkauften des Landes, seid munter,
Herauf aus dem Schlaf, aus der Hoffart herunter!
Erwachet, und gürtet euch, eilends zu gehen
Dorthin, wo der Herr uns gebietet zu stehen!

Gottfried Arnold – Den Weltgelehrten.

Soll stets nur Dinte und Papier
Euch Gottes Wort ins Herze schreiben?
Wie weit geht eures Geist’s Begier?
Soll euch ein leerer Schal eintreiben
Die volle Lebenskraft,
Die Gottes Geist nur schafft?
Wie lange wollt ihr Kinder sein,
Und nicht ins Wesen dringen ein?

Ihr spielt, als wie mit Puppenzeug,
Ihr schwächet selber eure Stärke,
Bleibt immer kindisch, blöd und weich;
Vermeint ihr nicht, dass man es merke,
Euch graue vor dem Licht,
Das hell vom Schöpfer bricht?
O schließet nicht die Augen zu,
Sonst kommt ihr nie zur vollen Ruh‘!

Wie mögt ihr and’re Seelen noch
Mit euren armen Dingen plagen?
Ihr legt auf sie das harte Joch,
Mit ew’gem Schreiben, Lesen, Sagen,
Dass ja von dem Geschrei
Und Schau kein Ende sei;
Ach wolltet ihr, was Jesus will,
Wie bald würd‘ Alles sanft und still!

Gottfried Arnold – Segen der Einfalt.

Die Reinheit und Einheit, die ist es allein,
Daran man Dich kennet,
Wenn Du wirst genennet,
Auf dass uns nicht blende der glänzend’re Schein.

Wo Eigenlieb‘ herrschet, da bist Du noch nicht;
In Meinheit und Deinheit,
Da ist noch Unreinheit;
Da steht man noch ferne vom göttlichen Licht.

Wer noch nicht gestorben der blinden Natur,
Der wird wohl gezieret,
Doch Leichtlich verführet,
Wenn er sich nicht lenket zur einigen Spur.

Die Klarheit der Wahrheit ruht mitten im Streit;
Soll sie sich entdecken,
So muss sich verstecken
Die mancherlei Gleichheit, darin man sich freut.

Rein muss sein der Spiegel, wenn man sie soll sehen;
Die Unruh‘ vom Frieden
Muss werden geschieden,
Wenn man will ihr himmlisches Wesen versteh’n.

Wir selbst sind beflecket von trüglichem Witz;
Doch wenn wir besiegen
Die Vielheit der Lügen,
Dann seh’n wir der Wahrheit erleuchtenden Blitz.

Wenn Bilder und Wesen, wenn Farbe und Zahl,
Wenn Alles verschwunden:
Dann hat sich gefunden
Die Klarheit der Wahrheit im Herzen zumal.

Dann seh’n wir das Fünklein einfältiglich an,
Wie es wird bereitet,
Und wie sich’s verbreitet;
Reich ist, wer in Armut dann halten ich kann.

Doch wer sich erhebet, der kränkelt im Streit,
Denn seine Unreinheit
Macht Vielheit aus Einheit;
Da wird er durch Nichts, als durch Sterben befreit.

Wer früh sich ins leidsame Wesen ergibt,
Wird frei vom Gerichte,
Und wandelt im Lichte,
Darinnen die Einfalt der Ewige liebt.

Gottfried Arnold – Inneres Leben mit Gott.

Lass deinen Sinn nicht dies und das zerstreuen
Dein Geist muss ganz in Gott gesammelt sein;
Soll, Seele, dich ein tiefer Fried‘ erfreuen,
So lass ihn geh’n stets in das Eine ein.
Da findest du Altar und Tempel schon zu sehen,
Der Priester pflegt da stets im Schmuck vor Gott zu stehen.
Geh‘ aus dir selbst und deiner Eigenheit:
So bist du in der Welt von Welt befreit!