August Gottlieb Spangenberg – Heilge Einfalt! Gnadenwunder!

1 Heilge Einfalt! Gnadenwunder!
tiefste Weisheit! größte Kraft!
schönste Zierde! Liebeszunder!
Werk, das Gott alleine schafft!

2 Alle Freiheit geht in Banden,
aller Reichtum ist nur Wind;
alle Schönheit wird zu Schanden,
wenn wir ohne Einfalt sind.

3 Wenn wir in der Einfalt stehen,
ist es in der Seele licht;
aber wenn wir doppelt sehen,
so vergeht uns das Gesicht.

4 Einfalt ist ein Kind der Gnade,
eine klage Ritterschaft,
die auf ihrem schmalen Pfade
nicht nach dem und jenem gafft.

5 Einfalt denkt nur auf das Eine,
in dem alles Andre steht;
Einfalt hängt sich ganz alleine
an den ewigen Magnet.

6 Einfalt quillt aus Jesu Wunden,
mit dem teuren Gottesblut;
wer sie da nicht hat gefunden,
der ist fern von diesem Gut.

7 Wem sonst nichts als Jesus schmecket,
wer allein auf Jesum blickt;
wessen Ohr nur Jesus wecket;
wen nichts außer ihm erquickt:

8 Wer nur hat, was Jesus gibet;
wer nur lebt aus seiner Füll;
wer nur will, was ihm beliebet;
wer nur kann, was Jesus will;

9 Wer nur geht auf seinem Pfade;
wer nur steht bei seinem Licht;
wer nur stets verlangt nach Gnade,
und mag alles Andre nicht.

10 Wer ihn so mit Inbrunst liebet,
dass er seiner selbst vergisst;
wer sich nur um ihn betrübet,
und in ihm nur fröhlich ist;

11 Wer allein auf Jesum trauet,
wer in Jesu Alles findt;
der ist auf den Fels erbauet,
und ein seligs Gnadenkind.

12 Wohl dem, der den Herrn lässt machen,
wohl ihm, der Herr ist sein Hirt!
Jesus wartet seiner Sachen,
dass man sich verwundern wird.

Gottfried Arnold – Sieg der Einfalt.

Es hilft uns nichts, mit hohen Gaben
Und Wissenschaft geziert zu sein;
Wir müssen ganz was Andres haben,
Dadurch das Herz kann werden, rein.
Das bloße Wissen bläht nur auf,
Und hemmt die Heiligung im Lauf.

Ein Abgrund ist in uns verborgen
Mit unermess’ner Eitelkeit;
Die heißt uns wachen, rennen, sorgen,
Dass Gott sich nicht an uns erfreut;
Wir haben dieses Elends Macht
Durch unsern Fall auf uns gebracht.

Wär‘ Einer völlig auch entzücket
Bis in des dritten Himmels Licht,
Und noch nicht kräftiglich entrücket
Der Selbstsucht schrecklichem Gericht:
Er strauchelte doch überall,
Und tat im Himmel einen Fall!

Hier gilt ein Menschenwort geringe,
Viel Reden reichet hier nicht zu;
Nein, es sind überird’sche Dinge,
Dadurch man kommt zur wahren Ruh‘!
Wo Nacht mit Nacht stimmt überein,
Kann Licht mit Licht nur siegreich sein!

Gottfried Arnold – Segen der Einfalt.

Die Reinheit und Einheit, die ist es allein,
Daran man Dich kennet,
Wenn Du wirst genennet,
Auf dass uns nicht blende der glänzend’re Schein.

Wo Eigenlieb‘ herrschet, da bist Du noch nicht;
In Meinheit und Deinheit,
Da ist noch Unreinheit;
Da steht man noch ferne vom göttlichen Licht.

Wer noch nicht gestorben der blinden Natur,
Der wird wohl gezieret,
Doch Leichtlich verführet,
Wenn er sich nicht lenket zur einigen Spur.

Die Klarheit der Wahrheit ruht mitten im Streit;
Soll sie sich entdecken,
So muss sich verstecken
Die mancherlei Gleichheit, darin man sich freut.

Rein muss sein der Spiegel, wenn man sie soll sehen;
Die Unruh‘ vom Frieden
Muss werden geschieden,
Wenn man will ihr himmlisches Wesen versteh’n.

Wir selbst sind beflecket von trüglichem Witz;
Doch wenn wir besiegen
Die Vielheit der Lügen,
Dann seh’n wir der Wahrheit erleuchtenden Blitz.

Wenn Bilder und Wesen, wenn Farbe und Zahl,
Wenn Alles verschwunden:
Dann hat sich gefunden
Die Klarheit der Wahrheit im Herzen zumal.

Dann seh’n wir das Fünklein einfältiglich an,
Wie es wird bereitet,
Und wie sich’s verbreitet;
Reich ist, wer in Armut dann halten ich kann.

Doch wer sich erhebet, der kränkelt im Streit,
Denn seine Unreinheit
Macht Vielheit aus Einheit;
Da wird er durch Nichts, als durch Sterben befreit.

Wer früh sich ins leidsame Wesen ergibt,
Wird frei vom Gerichte,
Und wandelt im Lichte,
Darinnen die Einfalt der Ewige liebt.