Gottfried Arnold – Segen der Einfalt.

Die Reinheit und Einheit, die ist es allein,
Daran man Dich kennet,
Wenn Du wirst genennet,
Auf dass uns nicht blende der glänzend’re Schein.

Wo Eigenlieb‘ herrschet, da bist Du noch nicht;
In Meinheit und Deinheit,
Da ist noch Unreinheit;
Da steht man noch ferne vom göttlichen Licht.

Wer noch nicht gestorben der blinden Natur,
Der wird wohl gezieret,
Doch Leichtlich verführet,
Wenn er sich nicht lenket zur einigen Spur.

Die Klarheit der Wahrheit ruht mitten im Streit;
Soll sie sich entdecken,
So muss sich verstecken
Die mancherlei Gleichheit, darin man sich freut.

Rein muss sein der Spiegel, wenn man sie soll sehen;
Die Unruh‘ vom Frieden
Muss werden geschieden,
Wenn man will ihr himmlisches Wesen versteh’n.

Wir selbst sind beflecket von trüglichem Witz;
Doch wenn wir besiegen
Die Vielheit der Lügen,
Dann seh’n wir der Wahrheit erleuchtenden Blitz.

Wenn Bilder und Wesen, wenn Farbe und Zahl,
Wenn Alles verschwunden:
Dann hat sich gefunden
Die Klarheit der Wahrheit im Herzen zumal.

Dann seh’n wir das Fünklein einfältiglich an,
Wie es wird bereitet,
Und wie sich’s verbreitet;
Reich ist, wer in Armut dann halten ich kann.

Doch wer sich erhebet, der kränkelt im Streit,
Denn seine Unreinheit
Macht Vielheit aus Einheit;
Da wird er durch Nichts, als durch Sterben befreit.

Wer früh sich ins leidsame Wesen ergibt,
Wird frei vom Gerichte,
Und wandelt im Lichte,
Darinnen die Einfalt der Ewige liebt.

Spangenberg, August Gottlieb – Heil’ge Einfalt

Heil’ge Einfalt, Gnadenwunder,
Tiefste Weisheit, größte Kraft,
Schönste Zierde, Liebeszunder,
Werk, das Gott alleine schafft!

Alle Freiheit geht in Banden,
Aller Reichthum ist nur Wind,
Alle Schönheit wird zu Schanden,
Wenn wir ohne Einfalt sind.

Wenn wir in der Einfalt stehen,
Ist es in der Seele licht;
Aber wenn wir doppelt sehen,
So vergeht uns das Gesicht.

Einfalt denkt nur auf das Eine,
In dem alles andre steht;
Einfalt hängt sich ganz alleine
an den einigen Magnet.

Einfalt quillt aus Jesu Wunden
Mit dem theuren Gottesblut.
Wer sie da nicht hat gefunden,
Der ist fern von diesem Gut.

Wem sonst nichts, als Jesus schmecket,
Wer allein auf Jesum blickt,
Wessen ohr nur Jesus wecket,
Wen nichts außer ihm erquickt.

Wer nur hat, was Jesus giebet,
Wer nur lebt aus seiner Füll‘,
Wer nur will, was ihm beliebet,
Und nur kann, was Jesus will.

Wer nur geht auf seinem Pfade,
Wer nur sieht bei seinem Licht,
Wer nur stets verlangt nach gnade
Und mag alles andre nicht.

Wer ihn so mit Inbrunst liebet,
Daß er seiner selbst vergißt,
Wer sich nur um ihn betrübet,
Und in ihm nur fröhlich ist.

Wer allein auf Jesum trauet,
Wer in Jesu alles findt,
Der ist auf den Fels gebauet,
Und ein selig’s Gnadenkind.

Wohl dem, der den Herrn läßt wachen,
Wohl ihm, der Herr ist sein Hirt!
Jesus wartet seiner Sachen,
Daß man sich verwundern wird.

Das Leben A. G. Spangenberg’s,
Bischoffs der Brüdergemeinde
von
K. Fr. Ledderhose
Heidelberg,
Universitätsbuchhandlung von Karl Winter.
1846