Ludwig I. von Bayern – Das höhere Leben.

Gedicht von Seiner Majestät dem Könige Ludwig I. von Bayern.

Froh zu sein in diesem Erdenleben,
Schwinge dich aus seinem engen Kreis,
Zu dem Himmel musst du dich erheben,
Von demselben nur wird Glück gegeben,
Das kein Sinnlicher zu ahnen weiß.

Unaufhaltbar, wie die Tage, eilen
Alle ird’schen Dinge rastlos fort,
Auf der Erde gibt es kein Verweilen,
Und die Wunden kann sie niemals heilen,
Ruhe findest du an keinem Ort.

Als ein Pilger walle du hienieden,
Zu der Heimat deinen Geist gewandt,
Bloß alsdann wird deiner Seele Frieden,
Der ihr sonsten nirgendwo beschieden,
Welcher niemals von der Welt gekannt.

In dem hohen, herrlich hehren Schweben
Scheinet, was auf Erden, alles klein,
Ein unwürd’ges Ziel, danach zu streben,
Lohnend nicht, an ihrem Gut zu kleben,
Bald verschwindend trügerischer Schein.

Willst du nicht des Ird’schen Kette tragen,
Die ans Niedere geschlossen hält,
Musst du frei und freudig ihm entsagen,
Nur alsdann wird Seligkeit dir tagen,
Edler Bürger einer bessern Welt!

Dora Rappard-Gobat – Im Heiligtum

Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar!
Psalm 84, 5.

HErr! Als du sterbend hattest überwunden,
Da ward von unsichtbarer Hand zerrissen
Des Tempels Vorhang, der in Finsternissen
Den Weg zum Gnadenstuhle hielt umbunden.

Nun ist der Zugang frei, die Bahn gefunden!
Dein Blut besprengt die Herzen und Gewissen,
Und wer auf deine Nähe ist beflissen,
Der wohnt im Heiligtum all Tag und Stunden .

Dank, Dank sei dir, o Jesu! Dir alleine
Singt dein erlöstes Volk nun seine Lieder;
Es möchte leben dir, nur dir zum Ruhme.

Auch auf dies Büchlein blick in Gnaden nieder;
Mach es in deiner Hand zum Glöcklein reine,
Manch Herz zu laden ein zum Heiligtume.

Carl von Gerok – Daniels Fenster.

(Daniel 6, 19.)

In dem heitern Sommerhause
An den Wassern Babylons,
Wo der Weltstadt wüst Gebrause
Leiser klingt, gedämpften Tons,
In des Söllers luftgen Hallen,
Die gen Zion offen stehn,
Sieht man auf die Kniee fallen
Daniel, zum HErrn zu flehn.

Tag für Tag zu dreien Malen
Kniet er da vor Gott dem HErrn:
Früh, wenn in des Ostens Strahlen
Kaum verblich der Morgenstern!
Mittags, wenn der Sonne Gluten
Heiß auf Babels Dächern glühn;
Abends, wenn des Euphrat Fluten
Goldbeglänzt vorüberziehn.

Über Babels Prachtpaläste
Schaut er mit entzücktem Sinn
Nach der fernen Davidsfeste,
Nach den Bergen Zions hin;
Über Babels Palmenwipfel,
Seiner Gärten Rosenflor,
Schwebt Morijas heilger Gipfel
Des Propheten Auge vor.

Und der Winde leise Flügel
Tragen durch der Wüste Meer,
Über Ströme, Tal und Hügel
Ihm die Grüße Zions her,
Laben ihn im fernen Lande
Mit der Heimat Wonneduft,
Stärken ihn im Knechtesstande
Mit der Freiheit Himmelsluft.

Selig wer im Weltgebrause
Nach der obern Gottesstadt,
Nach dem rechten Vaterhause
Stets ein Fenster offen hat,
Wo er knieend im Gebete
Seine Seufzer heimwärts schickt,
Und in Früh- und Abendröte
Nach den Bergen Zions blickt!

Fänd ich heute mich umfangen,
Von der Weltlust Paradies,
Säh ich rings in Lüften hangen
Gärten der Semiramis:
Hinter Babels Riesenmauern
Fühlt ich doch der Knechtschaft Stand,
Und mein Sehnen und mein Trauern
Flöge heim ins Vaterland.

Läg ich tief im Schoß der Erden,
In des Kerkers Nacht und Graus:
Auch mein Kerker müsste werden
Mir zum heitern Sommerhaus,
Hätt ich nur ein Fenster offen
Heimwärts gen Jerusalem,
Dass mein Beten und mein Hoffen
Himmelan die Zuflucht nähm.

Liegt mir meines Hauses Enge,
Meines Tagwerks heiß Gewühl,
Meiner Sorgen bang Gedränge
Auf der Seele schwer und schwül:
Morgens tu‘ ich, tu‘ am Abend
Zion zu mein Fenster auf,
Heimatlüfte, himmlischlabend,
Nehmen dorther ihren Lauf.

Dorther säuselt Luft von Osten
Und erquickt die matte Brust,
Lässt mich in der Knechtschaft kosten
Künftger Freiheit Himmelslust;
Dorther schimmern Hoffnungssterne
Durch der Zeiten Nebelflor,
Harfenklänge wehn von ferne
Sel’ge Botschaft mir ins Ohr.

Wo ich mag mein Haus mir bauen,
In den Tälern, auf den Höhn:
Immer soll nach Salems Auen
Mir ein Fenster offen stehn;
Schließt mit seinen stolzen Gassen
Babel rings mein Hüttchen ein:
Unverbaut soll’s doch mir lassen
Zion zu mein Fensterlein.

Gustav Jahn – Die Blume Saron’s.

(Hohelied 2, 1)

Einer Blume will ich mich vergleichen,
Einer Blume tief im Tal versteckt.
Unter Gras und dicken Waldgesträuchen
Hat mich suchend seine Lieb‘ entdeckt.
Und in seiner Augen Himmelsscheine
Und gepflegt von seinem treuen Sinn,
Blüht‘ ich auf; drum dank‘ ich Ihm alleine
Alles, alles, was ich hab‘ und bin.

Ohne ihn wie konnt‘ ich je erblühen!
Mich beschien kein milder Strahl des Lichts
Und ich wusste von der Sonne Glühen,
Von dem Tau des Himmels wusst‘ ich nichts.
Doch es schlummerte in mir verborgen
Ein Gefühl, dass ich in fremdem Land:
Leise ahnt‘ ich einen Frühlingsmorgen
In der Heimat, die ich nie gekannt.

Als Er nahte, da ich Ihn gesehen
Brach er an, mein Auferstehungstag;
Mich durchschauerte ein süßes Wehen,
Und ein neues Leben wurde wach.
Träumend sah ich aus den Hüllen steigen
Einen schlanken, blütenreichen Schaft.
Eigne Schwachheit wollt ihn erdwärts neigen,
Aber mächtig hob ihn fremde Kraft.

Was im Geiste damals ich erschauet,
Als sein Finger mich zuerst berührt,
Hat mein Freund nun still in mir erbauet
Und es in der Zeit hinausgeführt.
O wie pflegt‘ er mich mit Liebesblicken,
Da das neue Leben leise spross,
Und die Dornen drohten zu ersticken
Jeden Keim, der langsam sich erschloss.

Treulich wahrt‘ er mich vor rauhem Winde,
Hat zur Mittagszeit mich mild erfrischt,
Hat den Mehltau und den Schmutz der Sünde
Sorglich von den Blättern mir gewischt.
Hat mit Tau von oben mich befeuchtet,
Schirmte mich vor jeglicher Gefahr;
Hat mit Huld und Gnade mir geleuchtet,
Wenn es trüb und finster um mich war.

Eins, nur eines hab‘ ich noch zu leiden;
Denn mein Gärtner ließ im Tal mich stehn,
Ließ mich, wo des Königs Rinder weiden
Und die Füße seiner Herden gehn.
O, wie könnte mir so bange werden,
Blick‘ ich auf die dräuende Gefahr,
dass die rauhen Füße dieser Herden
Mich zerknicken und zertreten gar!

Doch auf ihn nur soll mein Auge schauen,
Nimmer um mich auf der Feinde Wut.
Meinem Freunde will ich ganz vertrauen,
Meines Gärtners ewig treuer Hut.
Einer Blume will ich mich vergleichen,
Aber alles, Glanz und Duft und Schein,
Was ich bin und hab‘ und werd‘ erreichen,
Alles, alles dank‘ ich Ihm allein!

Gustav Jahn – Schwarz aber lieblich

(Hohelied 1,5)

Aus meines Königs Kammer,
Als meines Königs Braut,
Bin ich hervorgetreten
Und habe mich beschaut.

Und habe mich befunden
Schwarz von Gesicht und Hand.
Mein König meine Sonne,
Hat also mich verbrannt.

Denn all mein eignes Leben
In dieser Sonne Licht,
Mein Wollen, mein Verlangen,
Ist schwarz von Angesicht.

Und was ich tu‘ und treibe,
Geschieht mit schwarzer Hand;
Den Wandel meiner Füße
Hab‘ ich für schwarz erkannt.

Ihr Töchter meiner Mutter,
Schwarz bin ich ganz und gar!
Und dennoch Braut des Königs,
Das ist gewisslich wahr!

Und dennoch schön und lieblich,
Zur Hochzeit reich geschmückt,
dass sich an meiner Schöne
Mein Bräutigam erquickt.

Er hat für mich bereitet
Ein wunderbares Kleid,
Mit viel Geschrei und Thränen
Im heißen blut’gen Streit.

Das ist der Rock des Heiles,
In den hüll‘ ich mich ein
Er hält mich ganz umfangen
Und macht mich hell und rein.

Dass nichts an mir zu sehen
Von meiner schwarzen Haut;
Und ich ganz lieblich scheine,
Als eines Königs Braut.

Schwarz bin ich in mir selber
Und arm und nackt und blos;
Doch lieblich in der Gnade
Und herrlich, reich und groß.

Schwarz bin ich! schwarz geboren,
Doch weiß im Gnadenstand!
Weiß bin ich erst geworden,
Als ich mich schwarz befand.

Schwarz ist vor Gott verdammet;
Denn Gottes Kleid ist Licht.
Weiß kann ich mich nicht nennen !
Schwarz lässt mein HErr mich nicht.

Schwarz macht mich alle Abend
Des Tages Sündenschuld;
Weiß wäscht mich jeden Morgen
Mein HErr mit viel Geduld.

Wenn ich mich schwarz erkenne,
Gefall‘ ich meinem Freund,
Je schwärzer ich mir scheine,
Je lieber er es meint.

Je schwärzer meine Farbe,
Je weißer glänzt sein Kleid,
Vom Haupte bis zur Sohle
Deckt mich Gerechtigkeit.

Ihr Töchter meiner Mutter,
Schwarz bin ich, das ist wahr!
Doch Braut des ew’gen Königs
Und lieblich ganz und gar.

Wilhelm Wackernagel – Psalm 121, 3.

Ja wohl! Der uns behütet wird nicht schlafen,
Auf Seinen Augen kann kein Schlummer liegen,
Sein Lichtsschwert muss die Finsternis besiegen
Und dunkler Mächte Taten schnell bestrafen.

Mit holder Stimm‘ voran Er geht den Schafen,
Die Er erworben durch Sein blutig Siegen,
Und nimmermehr sie können unterliegen
Und ob sie auch des Feindes Pfeile trafen.

So sie nur treu und fest die Augen heben
Zu jenen Bergen, wo die Füße stehen
Des, der durch Nacht und Tod vorangegangen.

Er kühlt die Stirn durch Seines Geistes Wehen
Und bleibt ihr treuer Hirt im Erdenleben,
Bis droben Seine Arme sie umfangen.

Renaud – Psalm 2.

Es rast die Welt in wildem Grimm:
Und soll ihr nicht gelingen!
„Hinweg mit Gott und seinem Christ!
Die Fessel, die uns lästig ist,
Des Glaubens soll zerspringen!“

Und Gott, er lacht und spottet drob!
Dem sich der Himmel beuget,
Er spricht: „Es bleibt mir unverletzt,
Den ich zum König eingesetzt,
Der Sohn, den ich gezeuget!“

„Der Heiden Fülle geb‘ ich ihm;
Er wird ihr Vater heißen;
Sein Zepter soll mit Schwerteswucht
Die Feinde werfen in die Flucht,
Wie Töpfe sie zerschmeißen.“

O hört’s, ihr Großen dieser Welt:
Der Sohn kommt zum Gerichte;
Küsst ihn, dass nicht sein Zorn entflammt
Und eure Zuversicht zusamt
Dem Spotte werd zu nichte!

Julius Sturm – Der HErr.

Du bist der Fels, der auf der Wüstenreise
Mit klarer Flut den matten Wandrer labt;
Der Mannatau, der ihn als Himmelsspcise
Mit täglich neuer Gotteskraft begabt.

Die Säule, die bei Tag und Nacht ihn leitet,
Damit er nicht verfehlt die rechte Bahn;
Der Fürst des Heers, der für ihn kämpft und streitet,
Bis er darf ruhn mit dir in Kanaan.

unbekannt – Unter des Blutes Schutz.

Dass wenn Ich das Blut sehe, ich vor euch übergehe. 2 Mose 12, 13.
Zur Besprengung des Blutes Jesu Christi. 1 Petri 1, 2.

Der Ostermond stieg noch nicht hoch empor,
Ein dumpfes Schweigen lastet auf dem Land,
Und lautlos harret hier und dort ein Häuflein
Versammelt, auf den Ruf zum heil’gen Fest.

Da, horch! ein rascher Fußtritt vor der Thür,
Ein Jüngling, atemlos und späh’nden Blicks
Hält, eh‘ er eintritt, inne, schaut sich um
Nach Pfost‘ und Schwelle und ruft bangen Tons:

„Ist Blut gesprengt? O Vater, sag‘ mir schnell
Die Nacht wird dunkler, und verhüllt das Zeichen,
Es sei denn, dass die Angst den Blick mir trübt.“

„Warum so hastig, Sohn? Es ist gesprengt.
Das Lamm hab‘ gestern Abend ich geschlachtet,
Und streng befohlen, dass der Knecht das Blut
Aufstreiche da, wo Moses es geheißen.
Genügt dir das noch nicht, mein lieber Sohn?“

„O Vater! Ist’s gesprengt, Ja oder Nein?
Wie ruhig bist du, weißt du nicht, dass ich,
Dein erstgeborner Sohn, in dieser Nacht
Vor Tod und Leben stehe durch dies Blut!

Wenn Gottes Racheengel schweigend schwebt
Den Todesweg durch dieses finst’re Land.
Wie kann ich ruh’n in der Unsicherheit?
Nur unterm Blut des Lammes ist mein Schutz.

– O Schwester, komm und hilf mir, bring ein Licht
– Kein Blut! Es ist kein Blut auf Pfost und Schwelle!
Wo ist das Blut? Geht, sucht’s, sucht es und findet’s,
Sonst muss ich sterben noch in dieser Nacht.“

In Eile, bebend, suchen sie das Blut,
Sie finden es und o! in welcher Hast
Den Ysopbüschel tauchen sie hinein
Und bald auf Schwell‘ und Pfosten ihres Hauses.
Sieht endlich man das Blut, das köstliche,
Das einzig retten kann vor Gottes Zorn.
Wie sicher rasten nun die bangen Sucher;
Sie wissen sich geborgen unterm Blut.

Und können ruhig nun aufsteigen sehn
Den Mond, der seine Silberstrahlen wirft
Rings auf Egyptens stilles, weites Land.
Nicht lange bleibt’s so still, bald gellt cinSchrei
Herzbrechend durch die mitternächt’ge Luft,
Noch einer und noch einer, bis sie alle
Zu einem großen Jammer sich verschmelzen;
Denn in Egyptenland in jedem Haus
Liegt tot ein Sohn! – Und Israel? –
Israel steht im Schirm des heil’gen Blutes.

Auch unser Opferlamm geschlachtet ward,
Das Eine, mackellose, erstgeborne,
Des ew’gen Vaters! – SiEht der Vater auch
Dies Blut auf mir? Ist’s wahrlich denn gesprengt,
Auf Schwell‘ und Pfosten meines tiefsten Herzens?
Das ist die Frage jedes neuen Tages.
O rast‘ und schlumm’re nicht, bis du gefunden
Des Blutes Zeichen rettend über dir.

Umsonst sucht keiner hier, ein Jeder findet,
Der kommt, die Seele damit zu besprengen.
O Bruder! Schwester! Bleib‘ in Zweifel nicht;
Der Heiland starb für dich; ist es dein Wunsch,
Besprengt zu sein mit Seinem teuern Blut,
Verschieb es nicht, komm‘, und im Kommen bete:
„O HErr! Im Schutze dieses heil’gen Blutes
Möcht gern ich stehn; und, o mein Vater, sich‘
Auf meine Schuld und Sünde nicht, sich nur
Auf dieses Zeichen, das so deutlich spricht,
dass meine Zuflucht ich dazu genommen.
Ja, HErr! Ich glaube, denn Du sagst es mir,
dass ich gerettet bin durch dieses Blut,
Und meine Seele darf in Frieden ruh’n,
In süßer Zuversicht, dass Du willst schauen
Nur auf dies Blut und dass ich sei geborgen.

—-

Und im Beginn nicht nur des Lebens möchte ich
Mich also bergen und die Ruhe finden:
In dieser teuern Freistatt Tag für Tag
Möcht‘ bleiben ich auf dieses Lebens Reise,
Durch wilde Wogen und durch öde Wüsten.

Vater, Vater, gib mich nicht dahin
Ins Sünd’gen und ins Irren, halte mich
In Deiner Macht doch sicher bis ans Ende.
Wenn einstens dann, in dieses Blutes Schutz,
Ich durch die Tore wall‘ der heil’gen Stadt,
Durch diese Tore rein wie Perlenglanz
Dann schau‘ zurück ich auf den ganzen Weg,
Den ich gewandelt, und erkenn‘ die Wunder,
Die Wunder Deiner ew’gen Treu und Gnade,
Die mich geführet aus dem Land der Sünden
Und sicher durch den Jordan heimgebracht,
Ins ew’ge Heim bei meinem Vater droben.
Dann nehm‘ die Harfe ich und singe jubelnd:
„Preis sei dem Lamm, das für uns ward geschlachtet.“

Karl von Gerok – Morija.

(1 Mose 29)

Zwei Pilger gehn im Dämmergrau
Geheimnisvoll durch Feld und Au.

Am Himmel glänzt der Morgenstern,
Noch schweigt die Erde nah und fern.

Und schweigend gehn die Wandrer fort,
Und keiner spricht ein lautes Wort.

Der Eine wie der Morgen klar,
Mit rosigen Wangen und goldenem Haar.

Der Andre würdig von Gestalt,
Von silberweißem Bart umwallt.

So fromm und fröhlich blickt das Kind,
Es spielt sein Haar im Morgenwind.

Der Alte geht so tiefgebückt,
Als ob ihn schwere Bürde drückt.

Der Knabe auf den Schultern trägt
Das Holz, zum Opferbrand zerlegt.

Der Alte trägt den Opferstahl,
Der funkelt rot im Frühlingsstrahl.

Der Knabe zu dem Vater spricht,
Und hebt empor sein hold Gesicht:

„Das Holz zum Opfer hab ich hier;
Sag, Vater, wo das Opfertier ?“

Der Vater zu dem Knaben spricht,
Und wendet ab sein trüb Gesicht:

„Das Lämmlein wird ihm Gott ersehn,
Mein Sohn, lass du uns fürbass gehn.“

Und schweigend gehn die Pilger fort,
Und keiner spricht ein lautes Wort.

Das ist der Vater Abraham
Mit Isaak, seinem Opferlamm.

Mit Isaak, seinem einz’gen Sohn,
Mit seines Alters Lust und Kron.

Manch schweren Gang hat er gethan,
Doch keiner kam so schwer ihn an.

Doch will er auch noch diesen gehn,
Was Gott gebeut, das muss geschehn.

Zum Berg Morija steigt er auf,
Das ist des Glaubens Pilgerlauf.

Wohl wallen noch zum gleichen Ziel,
Zum Opferberg der Pilger viel.

Sie gehn alleine, Paar und Paar,
In brannen Locken, grauem Haar.

Dort geht mit seines Herzens Kron
Ein Vater mit dem einz’gen Sohn.

Da trägt die Mutter, bleich von Harm,
Ihr weißes Lämmlein in dem Arm.

Und jener trägt ein Kreuz mit Schmerz,
Und dieser trägt ein schweres Herz.

Sic wandern still des Weges fort,
Und keiner spricht ein frohes Wort.

Und fraget eins: wie und warum?
So bleibet Erd und Himmel stumm.

Was Gott gebeut, das muss geschehn,
Das andre wird der HErr versehn.

Drum bringe du dein Opfer still,
Und füge dich, wie Gott es will.

Drum trage nur und frage nicht,
Drum wage nur und zage nicht.

Und wär’s auch dunkel nah und fern,
Am Himmel glänzt ein Morgenstern,

Der führt zum Opferberg hinauf;
Das ist des Glaubens Pilgerlauf.

*

Wer steigt vom Opferberg herab?
Ein selger Greis, ein froher Knab.

Das ist der Vater Abraham
Mit Isaak, seinem Opferlamm.

Mit Isaak, seinem einz’gen Sohn,
Mit seines Alters Lust und Kron.

Er führt den Knaben an der Hand,
Gen Himmel ist sein Blick gewandt.

Der Ausgang war so trüb und schwer,
So fröhlich ist die Wiederkehr.

Der Morgen graut‘ in Sorg und Not,
So selig glüht das Abendrot.

Der ew’ge Gott ist fromm und gut,
Er dürstet nicht nach Menschenblut.

Er hat sein Opfer schon ersehn,
Du Menschenkind sollst frei ausgehn.

Und wer sein Liebstes nicht verschont,
Sieht himmlisch seine Trcu belohnt.

So viel am Himmel Sterne stehu,
So viel soll Abram Kinder sehn.

Drum trage du und frage nicht,
Drum wage du und zage nicht.

Der ew’ge Gott ist fromm und gut,
Er will dein Herz und nicht dein Blut.

Das Gotteslamm ist schon ersehn
Und du sollst frei und ledig gehn.

Sein Todesgang und Opferblut
Macht all dein Kreuz und Schaden gut.

Und wenn dein Herz vor Jammer brach,
Der HErr vergilt dirs tausendfach.

Da droben glänzet Stern an Stern,
Das sind die Tröstungen vom HErrn.

Hier ist des Glaubens Pilgerlauf
Und droben geht das Schauen auf.