Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Danksagung für Christi Leiden.

Jesu, meines Lebens Bürge,
O, mein Licht!
Dass mich nicht
Höll‘ und Tod erwürge:
Ach, das hab‘ ich Dir zu danken!
Nimm mich an,
Denn ich kann
Nicht mehr von Dir wanken.

Kreuz und Dornen, Strick‘ und Bande,
Heiße Angst,
Drin Du rangst,
Ruten, Schmach und Schande,
Jammer, schmerzliche Beschwerden,
Sünd‘ und Tod,
Alle Not
Trugest Du auf Erden.

Ohne Dich wär‘ ich versunken;
Plag‘ und Pein
Schlügen drein,
Herz und Geist wär‘ trunken
Und von Schrecken eingenommen;
Ohne Dich
Wäre ich
Nicht dem Zorn entkommen.

Hast Du nun Dein teures Leben
An den Pfahl
Voller Qual
Also hingegeben:
So sei ebenfalls das meine,
Edler Hort,
Hier und dort
Nun und ewig Deine!

(1719 in Paris gedichtet.)

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Am Grabe des Lebensfürsten.

Ach, Leben, liebest Du den Tod?1Ursprünglicher Anfang: Ein Menschenmund an Gottesmund
Ei, Liebe! töte mich.
Doch, nein! Du lebst nun Beides, Gott
Und Menschen ewiglich.

Des Manns, der überall zu Haus,
Zu Allem gnugsam ist,
Der’s Leben bringt vom Tod heraus,
Und tötet, wenn Er küsst;

Der Leben geben, nehmen kann,
Der ewig es dann gibt,
Der einst starb, wie ein and’rer Mann,
Nun lebt uns ewig liebt:

Des Grab ward einst aus Gnad‘ und Recht
Zu diesem Zweck geweiht,
Dass Er das menschliche Geschlecht
Vom Tod auf ewig scheid‘!

(Um 1754)

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Der Schächer neben Christo.

Kann der arme Schächer glauben,
Dass sein Nachbar Christus sei,
Und der Priester wildes Schnauben
Treibet mit ihm Spötterei?
Ja, für Seine Qualen sorgen
Sie bis an Sein Ende noch.
Ist den Klugen Gott verborgen,
Sehen Ihn die Kinder doch.

Dieser hatte Dich betrachtet
Als das wahre Gotteslamm,
Und indem Du halbverschmachtet
Hingest am verfluchten Stamm,
Wollt er Dich nicht schmähen lassen,
Strafte den Verächter hart,
Wusste Dich so wohl zu fassen,
Dass Dein Herz ihm gnädig ward.

O wie kräftig ist Dein Sterben,
Dass dadurch Dein Höllenkind,
Frei und ledig vom Verderben,
Schnell des Himmels Wonne find’t!
Glaube, welcher mit Vertrauen
In die Vaterarme fällt!
Glaube, du kannst Schlösser bauen,
Du bist stärker, als die Welt!

Wo ist denn der Andre blieben?
Sah er nicht, was da geschah?
Konnt‘ er nicht, wie Jener, lieben?
Hing er Dir nicht auch so nah?
Ja, er hört und sah die Zeichen,
Doch er war und blieb verstockt.
Gnade muss das Herz erweichen,
Wenn das Wort zum Kreuze lockt!

Sünder! die ihr mit dem Schächer
Ach euch in den Himmel denkt:
Meinet ihr, der höchste Rächer
Hab‘ euch euren Lohn geschenkt?
Nein, der Schächer muss verbluten,
Er erträgt der Strafe Last,
Und Gott stäupet noch mit Ruten,
Die er nicht auf ewig hasst.

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Die Herrlichkeit der Erlösung.

Das Buch der göttlichen Gericht und Rechte
Steht Niemand offen, als dem weisen Knechte,

Dem, der als Gott im Rate mitgesessen,
Als man der Menschen Elend ausgemessen;

Und Nichts, das Gott genug war, ausgefunden,
So dass die Hoffnung auf Ersatz verschwunden,

Bis jener hohe Rat in Gottes Throne,
Der Vorsatz in dem eingebornen Sohne,

Nach seiner tiefen Einsicht ausgefunden
Das herrliche Verdienst der Todeswunden,

Wenn man sie einem Menschensohne schlüge,
Der Nichts, als eine fremde Last ertrüge,

Und der mit Gott doch auch in Gleichheit wäre:
Gott, gleichen Wesens, und Gott, gleicher Ehre;

Damit der Abgrund der Barmherzigkeiten
Den Sieg von dem Gerichte könnt erstreiten.

Das hat der Sohn, der große Sohn verstanden,
Und zwar allein in allen Gotteslanden.

Anstatt dass wir Verlor’ne so was wüssten,
Blieb’s bei den Engeln selber ein Gelüsten. (1. Ptr. 1,12.)

Und Gott wollt ihnen erst Gemeinen bauen,
Darin das große Wunder zu beschauen. (Eph. 3,10.)

Er hat sich alsobald dazu erboten,
Das Leben zu erneuern in den Toten,

Zu bringen Gnad‘ und Rettung den Verfluchten,
Die, eh‘ Er sie besucht, Ihn niemals suchten,

Und die Ihm heute noch die Ehre rauben,
Statt dankerfüllt an Sein Verdienst zu glauben.

Er lässet sich von Millionen schmähen,
Die Seine Treu‘ und Liebe nicht verstehen,

Und senkt sich in die Menschheit gern hernieder,
Und bringt dadurch die ganze Menschheit wieder;

So dass kein Menschenkind, um von dem Bösen
Befreit zu sein, bedarf ein neu Erlösen.

Die Rechnung, womit Satan einst geprahlet,
Ist ihm an Jesu Kreuze ganz bezahlet,

Getilget und vernichtet und entkräftet,
Mit dem Gekreuzigten an’s Kreuz geheftet.

Was ist’s nun Wunder, dass dem Lamm gegeben,
Für seine Marter ewiglich zu leben?

Und nun zum Lohne des erworb’nen Heiles,
Die Menschen hinzunehmen Seines Teiles,

Nicht, weil er Gottes Sohn von Ewigkeiten,
Nein, weil er Fleisch geworden in den Zeiten!

Drum brennen sieben Fackeln vor dem Throne,
Wann einst die Erde stürzt im Donnertone;

Wann vor Ihm fliehen alle Himmelslichter,
Vor Ihm, der Toten und Lebend’gen Richter;

Und das: weil Er, den Seelen zum Genesen,
So lange Zeit ein armer Mensch gewesen;

Weil Ihn die Glut des Feuerzorns getaufet,
Als Er mit Seinem Blut die Welt erkaufet.

Ja, weil von Ihm der Todesschweiß geflossen,
Ist Ihm das Lebensbuch nun aufgeschlossen,

Das allen Menschen und dem Himmelsheere
Sonst ein versiegelt Buch geblieben wäre.

Es stehet nun in diesem Buche drinne
So manch Gericht, bestimmt vom Anbeginne,

So manch Geheimnis, das stets zugewesen,
Bis Jesu Blick es hell heraus gelesen.

Nimm’s, Lamm! und lies dem Vater alle Namen.
Von dem Dir ewig zugedachten Samen,

Und lies uns unter diesen selgen Scharen!
Dann lassen wir all‘ andre Dinge fahren,

Bis jedes Herz das große Wort gefunden:
„Die Himmel drehen sich um Jesu Wunden!“

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Der Held im roten Gewand.

Sieh‘ da! wer kömmt voll Gottesehr‘
Im blutigen Gewand?
Ein Held, er gehet hoch daher,
Scheut keinen Widerstand!

Wer ist’s, so prächtig angekleid’t,
Daß ihr nichts Schön’res wisst?
Der unser Fried‘ und seiner Leut‘
Allmächtiger Heiland ist!

Warum sieht aber sein Talar
So blutbesprenget aus,
Als käm‘ der König unsrer Schar
Aus einem Kelterhaus?

Er spricht: Nicht ist’s verwunderlich,
Daß mein Kleid Flecken hat,
Weil Niemand da war, außer Ich,
Der Gottes Kelter trat!

Ach ja! Er hemmt den Wunderlauf,
Daß Er die Lasten nehm‘;
Er setzt den Kranz von Dornen auf,
Und lässt das Diadem.

Schweiß, Schrecken, Zähren, Angstgeschrei,
Die Wunden, die Er hat,
Sind, denk ich, Zeugen Seiner Treu‘,
Und Seiner Lieb‘ und Gnad‘.

O was ist doch für ein Beweis
Für Deine große Lieb‘,
O HErr, der blutige Todesschweiß,
Den Dir die Sünd austrieb!

Die Kelter drückte Dich für mich,
Daß Dir das Blut entging,
Wovon die Spur sich feierlich
An Deine Kleider hing!

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Jesus in Gethsemane.

So willst Du getrost erwarten,
Was du übernehmen musst!
Also leidest Du im Garten,
HErr, für Adams Gartenlust.
Bebst Du nicht vor diesem Orte?
Drückt Dich nicht der Sünder Schuld
Tödlich nach dem Richterworte?
Nein, Du leidest mit Geduld!

Nein, Du willst der Menschen Schulden,
Unser unermess’nes Leid
Nach des Zorns Gesetz erdulden,
Sohn und Herr der Ewigkeit!
Wir, die schnödesten Geschöpfe,
Rühmten uns der eig’nen Schand‘,
Und der schwächste aller Töpfe
Brach dem Töpfer in der Hand.

Darum kann es nicht geschehen,
Daß der Kelch vorübergeh‘;
Gottes Urteil muss ergehen,
Und das bringt Dir solches Weh.
Aber Du willst gern ertragen,
Was Dein Gott Dich tragen heißt,
Wenn Dein Geist sich gleich vor Zagen
Fast dem müden Leib entreißt.

Lass mich Gottes Zorn erkennen,
Teures Heil, in Deiner Not!
Denn sie war der Hölle Brennen
Und ein Sturm vom andern Tod.
Lass mich aller Sünd‘ entsagen,
Die Dich in den Tod gedrückt!
Lass mich an mir selbst verzagen,
Bis mich Deine Lieb‘ erquickt!

Gibst du mir dereinst zu schmecken
Deines Leidens Bitterkeit,
Mich vom Bösen abzuschrecken,
Ach, so mache mich bereit!
Kann es anders nicht geschehen,
Daß ich komm in’s Vaters Reich,
Ohne gramgebückt zu gehen,
Ach, so stütze mich zugleich!

Ich will gerne stille halten,
Weil ich weiß, daß Du mich liebst,
Und die Gnade lässest walten,
Wenn Du mir das Leiden gibst.
Lernt man erst die Sünde scheuen,
Wenn sie gallenbitter wird,
So kann mich die Reu‘ nicht reuen,
Die mich göttlich neu gebiert.

Mich ermuntert, Herr, Dein Zagen:
Du hast nie umsonst geweint,
Sondern alle Feind‘ erschlagen,
Auch mein Fleisch, den liebsten Feind.
Lass mein Fleisch in Dir verderben,
Lass die Welt vergeh’n in Dir;
Lass in mir die Sünde sterben,
Und Dein Reich erwach‘ in mir!

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Die Vorsehung des Heilandes.

Du sel’ge Liebe Du!
Wohl heißest Du verborgen;
Wer kommt in Deine Ruh?
Wer öffnet Deinen Rat!
Der so viel Tiefen hat?
Die Seelen nur allein,
Die ohne Willen sein.

Wer Nichts auf Erden will,
Lässt Gottes Liebe sorgen;
Sein Sinn ist immer still;
Sein Puls schlägt ordentlich,
Sein Herz vergnüget sich;
In allerlei Gefahr
Verbleibt sein Auge klar.

Wie wollte Satanas
Dies stille Wohlsein kränken?
Als daß er irgend was
Im Menschen aufgeregt,
Das nun zu denken pflegt:
„Ach hätt‘ ich’s so und so,
Dann wär‘ ich erst recht froh!“

Seitdem sieht’s also aus:
Der Mensch ist unzufrieden:
Bald dünket ihm sein Haus
Zu groß und bald zu klein;
Bald will er Etwas sein,
Das, wenn er’s worden ist,
Ihm an dem Herzen frisst.

Als nun Christ unser HErr
Vom Himmel uns besuchet,
Und als ein Wanderer
In armer Knechtsgestalt
Die Erde durchgewallt,
Hat Er, nebst andrer Last,
Auch diese aufgefasst.

Allein das war ein Mann,
Der wusste sich zu raten!
Obgleich der ganze Bann
Auf seinen Schultern lag
Bis an den Todestag,
Stand Er doch aufgericht’t;
Warum? Er wählte nicht!

Ach! wüsste dieses Lamm,
Was Eigenwille wäre,
Hätt‘ unser Bräutigam
So sehr, wie Seine Braut,
Auf Fug und Recht gebaut;
Er wär‘ noch immer Gott,
Und wir des Teufels Spott!

Allein, Er wollte nicht;
Er litt nach aller Schwere,
Er war auf Nichts erpicht,
Ging in die tiefste Pein
Nach Vaters Willen ein.
Nun ist Sein Schmerz vorbei,
Und wir sind ewig frei!

Es kann nicht anders sein,
Als: Seine rechten Jünger
Gehn eben dahinein:
Hienieden leiden sie,
Denn Jesus litt auch hie,
Und Seine Herrlichkeit
Ist auch für sie bereit.

Beim Kreuz wuchs unser Held:
Das Herzensfeld ist wüste,
Durch Leiden wird’s bestellt;
Nichts wächset ohne dies,
Und das gedeiht gewiss,
Was nach der Liebe Rat
Hier Grund gefasset hat.

Allein die Erde muss
Sich nicht dagegen härten;
Sonst zeigt sich kein Genuss:
Nur Marter steht sie aus,
Und wird nichts Ganzes draus;
Wird sie gediegen sein,
So dringt die Kraft hinein.

Gott Lob! die Liebe ist
Von uns nur des gewärtig,
Daß man sich selbst vergisst,
Im Herzen Ehrfurcht spürt,
Die Hand zum Munde führt,
Und spricht in tiefer Still‘:
Will’s Gott, wohlan! ich will.

Bald wird ein Gotteskind
Aus Nacht in’s Licht erhoben;
Wenn eig’ne Wahl zerrinnt,
So hört sein Leiden auf;
Es tritt als Sieger drauf,
Und wer es fassen kann,
Spricht: Jesus hat’s getan!

Wer sollte wohl dabei
Nicht von Verwundrung stehen?
Wer sagt nicht froh und frei:
„Du bist ein Wundergott!
Die Weisheit wird zu Spott,
Das größte Klugsein träumt,
Wenn sich’s mit dir nicht reimt.“

Du wunderbares Sein!
Wir wollen nach dir sehen;
Wir wollen kinderklein
Und Dir gelassen, blind,
Wobei man nur gewinnt,
Doch mit geheimem Flehn,
Dir zu Gebote stehn!

Ja, hochgelobtes Lamm!
Wir fallen Dir zu Füßen;
Du Seelenbräutigam!
Komm, mach‘ uns dieses wahr,
Ja, mach‘ es offenbar;
Daß, wer sich dir vertraut,
Auf Felsengründe baut!

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Glaubensmut.

Christenherz, ermanne dich,
Christi Lehre recht zu preisen;
Lass dich Sein Wort sicherlich,
Treue Seele, unterweisen!

Richt’st du dich nach diesem Wind,
Brauchst du dich nicht umzudrehen,
Kannst gerade und geschwind
Gottes Port entgegengehen.

Sollst du streiten, streit getrost!
Sollst du beten, sei versunken;
Scheint dir gleich der Feind erbost:
Ist doch Pharao ertrunken!

Israel wird nicht ereilt;
Israel, lass dir nicht grauen!
Der das rote Meer zerteilt,
Dem ist gut sich anvertrauen.

Wer auf Sein Wort geht und steht,
Darauf kämpft und stille lieget,
Dessen Horn wird hoch erhöht,
Dessen Gegner wird besieget.

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Nachfolge Christi.

Der Henne folgt das Küchlein nach;
Es liebet seiner Mutter Sprach‘:
Ach, gib, daß ich Dir folge recht,
Mein Heiland, als ein treuer Knecht!

Dein Leben zeigt mir meine Pflicht;
Du bist mein Spiegel und mein Licht;
Ach, HErr! wie bin ich noch so weit
Von Deines Bildes Ähnlichkeit!

Du stundest stets auf Deiner Hut;
Du kanntest wohl der Feinde Wut;
O lass mich doch nicht sicher sein,
Wo mir der Feind könnt‘ brechen ein!

Von Ehrerbietung war Dein Herz
Vor Deinem Gott, und stets aufwärts
Erhoben: ach! ich bitt‘ um Stärk‘,
Dahin zu richten auch mein Werk.

Ernsthaftig warst Du allezeit,
Von Scherz und Tändeleien weit;
O, daß ich noch so eitel bin,
Und oft verlasse diesen Sinn!

Den Sinnen starbst Du gänzlich ab,
Lebtest in steter Übergab‘
Des Willens bloß an Deinen Gott:
Erfüll‘ in mir auch dies Gebot!

Wie fest war Deine Zuversicht,
Daß Dich einmal würd‘ lassen nicht
Der Vater: O, gib doch auch mir,
Daß ich so hang‘ und Fleh‘ an Dir!

Im Leiden warst Du als ein Lamm,
Schaltst nicht, die Dir ohn‘ Ursach‘ gram;
Du tatest nicht auf Deinen Mund,
Batst für die Feind‘: o Liebesgrund!

Ach! gib mir doch auch die Geduld,
Wenn ich muss tragen viele Schuld,
Daß ich’s von Gottes Hand annehm‘,
Und nicht, als ob’s von Menschen käm‘!

Du warest öfters gern allein,
Und hieltest viel auf Stillesein;
Auf Berg‘, in Wüsten brachtest Du
Oft ganze Nächt im Wachen zu.

Dein Wandel war ein stet Gebet:
O, daß ich auch den Eifer hätt‘!
Ach! Du wollst mir mit Kraft beisteh’n,
Stets betend auch einherzugehn!

Sehr treu und freundlich umzugehn
Mit Armen, Schwachen, Irrenden,
War Deine Weis und steter Brauch:
O wär‘ es doch der meine auch!

Doch wenn’s betraf Dein’s Gottes Ehr‘,
Konntst Du, o Lamm, auch eifern sehr:
Fürchtetest nicht Hoch oder Reich,
Gering, Ansehnlich war Dir gleich.

Gib mir auch unerschrocknen Mut
Und Eifer, wenn’s vonnöten tut;
Doch aber auch Bescheidenheit
Und heilige Fürsichtigkeit!

Wenn man dabei uns Schwärmer schilt,
Wenn als ein Tor Dein Jünger gilt,
Daß ihn die alten Freunde fliehn,
Und selbst Verwandte sich entziehn:

So gingen Deine Jünger all‘
Doch durch viel Elend, Schmach und Qual,
Die nun auf Deinem Berg Zion
Sich ewig freun vor Deinem Thron.

Scheint’s Dem unmöglich, Andern schwer,
So kennen sie nicht Deine Lehr‘,
Noch Deine Liebe; die macht’s leicht,
Daß uns Nichts mehr unmöglich däucht.

In meinem Herzen merk‘ ich doch:
Daß eben sei Dein sanftes Joch
Die richtige und schmale Bahn,
Die geht Dir nach, an’s Kreuz hinan!

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Um die Hirtenpflege Jesu.

Brüder, mein Verlangen
Und mein herzlich Flehen
Kannst in sonsten Nichts bestehen,
Als daß wir doch Alle
So durchdrungen würden
Von dem Hirten unsrer Hürden,
Daß der Sinn
Nur dahin Seine Blicke richte,
Sonst nichts Andres tichte.

Er bleibt doch der Schönste!
Nichts ist Ihm zu gleichen;
Alle Herrlichkeit muss weichen.
Auf der ganzen Erden
Wird Nichts so gefunden;
Wer des Hirten Treu‘ empfunden,
Der weiß dies
Ganz gewiss,
Daß bei Ihm zu wohnen
Alle Müh‘ kann lohnen.

Hast du Das erwogen?
Ist dir’s völlig offen,
Daß der’s höchste Glück getroffen,
Der sich diesem Hirten
Völlig übergeben?
Das, nur das heißt selig Leben,
Wenn man sich
Lediglich
Nach ihm hingekehret,
und auf Ihn nur höret!

Herz! schon lange währen
Deine Gnadentage;
Nun ist deines Hirten Frage:
Bist du auch Mein Schäflein?
Bist du Meine Freude?
Kennst du Meine Lebensweide?
Hast auch du
Endlich Ruh
Vor der Eigenliebe?
Hast du sanfte Triebe?

Hör‘ nicht auf zu ziehen,
HErr, in künft’gen Jahren,
Wie wir’s bis daher erfahren!
Du bist oft so kräftig
Unter uns gekommen,
Hast uns mächtig hingenommen.
Nimm der Schar
Ferner wahr!
Gib ihr solch ein Wesen,
Drin Dein Bild zu lesen!

Vater in der Höhe!
Diese Kindesbitten
Dir vor Deinen Thron wir schütten:
Du wirst sie erhören,
Wirst sie nicht beschämen,
Sondern in die Zucht uns nehmen,
Daß wir hier
Deine Zier,
und dem Sohn auf Erden
Noch ein Lustspiel werden.