Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von – Die Vorsehung des Heilandes.

Du sel’ge Liebe Du!
Wohl heißest Du verborgen;
Wer kommt in Deine Ruh?
Wer öffnet Deinen Rat!
Der so viel Tiefen hat?
Die Seelen nur allein,
Die ohne Willen sein.

Wer Nichts auf Erden will,
Lässt Gottes Liebe sorgen;
Sein Sinn ist immer still;
Sein Puls schlägt ordentlich,
Sein Herz vergnüget sich;
In allerlei Gefahr
Verbleibt sein Auge klar.

Wie wollte Satanas
Dies stille Wohlsein kränken?
Als daß er irgend was
Im Menschen aufgeregt,
Das nun zu denken pflegt:
„Ach hätt‘ ich’s so und so,
Dann wär‘ ich erst recht froh!“

Seitdem sieht’s also aus:
Der Mensch ist unzufrieden:
Bald dünket ihm sein Haus
Zu groß und bald zu klein;
Bald will er Etwas sein,
Das, wenn er’s worden ist,
Ihm an dem Herzen frisst.

Als nun Christ unser HErr
Vom Himmel uns besuchet,
Und als ein Wanderer
In armer Knechtsgestalt
Die Erde durchgewallt,
Hat Er, nebst andrer Last,
Auch diese aufgefasst.

Allein das war ein Mann,
Der wusste sich zu raten!
Obgleich der ganze Bann
Auf seinen Schultern lag
Bis an den Todestag,
Stand Er doch aufgericht’t;
Warum? Er wählte nicht!

Ach! wüsste dieses Lamm,
Was Eigenwille wäre,
Hätt‘ unser Bräutigam
So sehr, wie Seine Braut,
Auf Fug und Recht gebaut;
Er wär‘ noch immer Gott,
Und wir des Teufels Spott!

Allein, Er wollte nicht;
Er litt nach aller Schwere,
Er war auf Nichts erpicht,
Ging in die tiefste Pein
Nach Vaters Willen ein.
Nun ist Sein Schmerz vorbei,
Und wir sind ewig frei!

Es kann nicht anders sein,
Als: Seine rechten Jünger
Gehn eben dahinein:
Hienieden leiden sie,
Denn Jesus litt auch hie,
Und Seine Herrlichkeit
Ist auch für sie bereit.

Beim Kreuz wuchs unser Held:
Das Herzensfeld ist wüste,
Durch Leiden wird’s bestellt;
Nichts wächset ohne dies,
Und das gedeiht gewiss,
Was nach der Liebe Rat
Hier Grund gefasset hat.

Allein die Erde muss
Sich nicht dagegen härten;
Sonst zeigt sich kein Genuss:
Nur Marter steht sie aus,
Und wird nichts Ganzes draus;
Wird sie gediegen sein,
So dringt die Kraft hinein.

Gott Lob! die Liebe ist
Von uns nur des gewärtig,
Daß man sich selbst vergisst,
Im Herzen Ehrfurcht spürt,
Die Hand zum Munde führt,
Und spricht in tiefer Still‘:
Will’s Gott, wohlan! ich will.

Bald wird ein Gotteskind
Aus Nacht in’s Licht erhoben;
Wenn eig’ne Wahl zerrinnt,
So hört sein Leiden auf;
Es tritt als Sieger drauf,
Und wer es fassen kann,
Spricht: Jesus hat’s getan!

Wer sollte wohl dabei
Nicht von Verwundrung stehen?
Wer sagt nicht froh und frei:
„Du bist ein Wundergott!
Die Weisheit wird zu Spott,
Das größte Klugsein träumt,
Wenn sich’s mit dir nicht reimt.“

Du wunderbares Sein!
Wir wollen nach dir sehen;
Wir wollen kinderklein
Und Dir gelassen, blind,
Wobei man nur gewinnt,
Doch mit geheimem Flehn,
Dir zu Gebote stehn!

Ja, hochgelobtes Lamm!
Wir fallen Dir zu Füßen;
Du Seelenbräutigam!
Komm, mach‘ uns dieses wahr,
Ja, mach‘ es offenbar;
Daß, wer sich dir vertraut,
Auf Felsengründe baut!