Arndt, Ernst Moritz – Himmelssehnsucht

Es lebt ein Geist, durch welchen alles lebt,
Durch den die Sonne kreist,
Der Blumenbusch die goldnen Köpfchen hebt,
Den Lenz der Vogel preist;

Durch den das Menschenherz, das Wunderding,
Vor eignen Wundern bebt,
Wenn er es mächtig zu dem Sonnenring
In tiefster Sehnsucht hebt.

O Geist der Geister! knieend bet‘ ich an,
Was keine Zunge spricht.
Zieh‘, ew’ges Licht, den kleinen Funken an!
Er will zu deinem Licht.

Er floß vom sel’gen Götterlande aus
Herab zur Erdenflur
Und sehnt sich ewig nach dem Sonnenhaus,
Nach himmlischer Natur.

O Geist der Geister, trage mich empor!
Und mache ganz mich dein!
Es ist mein Vaterland, was ich verlor:
Der Himmel ist ja mein.

 

Arndt, Ernst Moritz – Gegangen ist das Sonnenlicht

1. Gegangen ist das Sonnenlicht,
still schweiget Feld und Hain,
und hell am Firmamente bricht
hervor der Sterne Schein.

2. Und hell aus stiller Seele blitzt
ein wundersamer Strahl
von dem, der ewig waltend sitzt
im hohen Himmelssaal.

3. Wie wäre doch das Menschenkind
so elend und allein,
wenn nicht von oben zart und lind
ihm käme dieser Schein.

4. Es wäre nichts als Trug und Wahn,
ein zitternd Blatt am Baum,
ein Körnlein Staub im Ozean,
ein Traumbild fast von Traum.

5. Das Leben wallt von Ort zu Ort,
hat nimmer Ruh noch Rast
und treibt im wilden Fluge fort,
geschnellt durch eigne Last.

6. Es brauset wie ein schäumend Meer,
das keine Ufer kennt,
wirft uns wie Tropfen hin und her
im wilden Element.

7. Drum komm, o du, der Frieden bringt,
o Gott, in stiller Nacht,
wo hell die Engelsglocke klingt
bei goldner Sterne Pracht!

8. Komm, wirf den frommen Liebesstrahl
mir warm ins arme Herz,
und die Gedanken allzumal,
o zieh sie himmelwärts!

9. Drum komm mit deinem Engelheer,
du Vater, lieb und gut!
Du bist die einzig feste Wehr,
die einzig sich’re Hut.

10. Gar nichtig ist der Menschen Macht,
die eitle Eitelkeit.
Was Gott bewacht, ist wohlbewacht
hier und in Ewigkeit.

 

Text: Ernst Moritz Arndt (1769–1860)
Melodie: Dresden 1667 (Nun sich der Tag geendet hat)
Quelle; GB Württemberg 1912, Nr. 82

Arndt, Ernst Moritz – Gebet an den Geist

O Gottes Geist und Christi Geist,
Der uns den Weg zum Himmel weist,
Der uns die dunkle Erdennacht
Durch seine Lichter heller macht.

Du Hauch, der durch das Weltall weht
Als Gottes stille Majestät,
Du aller Lichter reinstes Licht,
Erleucht‘ uns Herz und Angesicht.

Komm, leuchte mit dem Gnadenschein
Hell in die weite Welt hinein,
Komm, mach uns in der Finsterniß
Des lichten Himmelwegs gewiß.

Ach, hier ist Alles Staub und Nacht,
Die Wahn und Sünde trübe macht;
Ach, hier ist Alles Noth und Tod,
Geht uns nicht auf dein Morgenroth.

Das Morgenroth der bessern Welt,
Das wie ein Strahl vom Himmel fällt,
Als Gottes Macht und Gottes Lust
Durchblitzt die kranke Menschenbrust.

O Gottes Geist und Christi Geist,
Der uns wie Kinder beten heißt,
Der uns wie Kinder glauben heißt,
O komm! o komm, du heil‘ger Geist!

Komm, Gottes Frieden, Gottes Muth!
Komm, stille Kraft die nimmer ruht!
Komm, gieße deinen Gnadenschein
In Seele Sinn und Herz mir ein:

Dann wandl‘ ich wie ein Kind des Lichts,
Im Glanze deines Angesichts
Schon meinen kurzen Erdenlauf
Stets himmelein und himmelauf.

 

Arndt, Ernst Moritz – Gebet um das Gebet

Du, der in flammende Gebete
Des Lebens höchste Kraft gelegt
Und aus des Busens tiefster Stätte
Das Herz in süßer Sehnsucht regt,
Du, aller Himmel höchster Meister,
Du, alles Lebens höchster Schein,
Komm, führe in das Land der Geister
Dein sehnend Kind zum Lichte ein!

Wo Myriaden Sonnen kreisen,
Der Morgenröthen Jubelklang
In tausendfach verschiednen Weisen
Ertönt, Ein seliger Gesang,
Wo Millionen Heil’ge knieen
Und schauen dir ins Angesicht,
O Vater! Gott! laß dort mich blühen
Am kleinsten Strahl von deinem Licht.

Denn ach! zur kalten Erde wollen
Die Himmelslichter nicht herab,
Und ihre goldnen Lampen rollen
gefühllos über Sarg und Grab;
Der Wechsel hier vom Leid zum Glücke,
Vom Glück zum Leide ist zu schwer:
Es bricht die zarte Geisterbrücke,
Und Paradiese blühn nicht mehr.

Drum Himmel steige! sinke Erde!
Und irdisch Leben unter mir!
Daß ich ein weißer Engel werde,
Steht, weiße Engel, neben mir,
Und helft im Glauben mir vollenden
Der Erde mühevollen Streit,
Und traget mich auf reinen Händen
Empor ins Land der Seligkeit

Arndt, Ernst Moritz – Wir wollen ihm die Krippe schmücken

Wir wollen ihm die Krippe schmücken
Und bei ihm bleiben die ganze Nacht,
Die Händ ihm küssen und sie drücken,
Dieweil er uns so Guts gebracht.

2. Und wollen nimmer von ihm gehen
Und zu ihm beten aller Frist,
Und immerdar von Herzen flehen:
Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ!

3. Du lieber Herr, gib deinen Segen
Den frommen Kindlein, die zu dir flehn;
Geleite sie auf allen Wegen
Und lass uns deine Gnade sehn.

4. Von allen Gaben gibt es keine,
Die hochwillkommen wie diese ist;
Drum bitten wir nur um das Eine:
Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ!

Weitere Texte des Autors in der „Glaubensstimme“

Arndt, Ernst Moritz – Schlafe, Kindlein, hold und süß

Schlafe, Kindlein, hold und süß,
wie im Engelsparadies,
schlaf‘ in stiller, süßer Ruh‘,
tu‘ die kleinen Äuglein zu.

Draußen stehn die Lilien weiß,
haben allerschönsten Preis;
droben in der lichten Höh‘,
stehn die Englein, weiß wie Schnee.

Kommt, ihr Englein, weiß und fein,
wiegt mir schön mein Kindelein,
wiegt sein Herzchen fromm und gut,
wie der Wind der Lilie tut!

Schlafe, Kindlein, schlafe nun!
Sollst in Gottes Frieden ruhn,
denn die frommen Engelein
wollen deine Wächter sein.

Weitere Texte des Autors in der „Glaubensstimme“

Arndt, Ernst Moritz – Kommt her, ihr seid geladen

Kommt her, ihr seid geladen,
der Heiland rufet euch,
der süße Herr der Gnaden,
an Huld und Liebe reich;
der Erd und Himmel lenkt,
will Gastmahl mit euch halten
und wunderbar gestalten
was er in Liebe schenkt.

Kommt her, verzagte Sünder,
und werft die Ängste weg;
kommt her, versöhnte Kinder,
hier ist der Liebesweg.
Empfangt die Himmelslust,
die heilge Gottesspeise,
die auf verborgne Weise
erquicket jede Brust.

Kommt her, betrübte Seelen,
die Not und Jammer drückt,
mit Gott euch zu vermählen,
der wunderbar beglückt.
Kommt, legt auf ewig ab
der Sünde bange Säumnis;
empfanget das Geheimnis,
das Gott vom Himmel gab.

O Wonne kranker Herzen,
die mir von oben kam!
Verwunden sind die Schmerzen,
getröstet ist der Gram.
Was von dem Himmel fleußt,
hat lieblich sich ergossen;
mein Herz ist gar durchflossen
vom süßen Liebesgeist.

Drum jauchze, meine Seele,
hell aus der Sündennacht!
Verkünde und erzähle
die tiefe Wundermacht,
die unermeßlich süß
ein Born der Liebe, quillet
und jeden Jammer stillet,
der fast verzweifeln ließ.

Drum jauchze, meine Seele,
drum jauchze deinem Herrn!
Verkünde und erzähle
die Gnade nah und fern,
den Wunderborn im Blut,
die selge Himmelsspeise,
die auf verborgne Weise
dir gibt das höchste Gut.

Weitere Texte des Autors in der „Glaubensstimme“

Arndt, Ernst Moritz – Gottes Gericht

„Ich will das Schwert lassen klingen,
Die Herzen sollen verzagen.
Wie Blitz auf feurigen Schwingen
Herbrausen Reiter und Wagen,
Es schallen Donnergeschosse,
Blut dürsten Männer und Rosse.“

So hat der Herr es gesprochen,
Der Schaffer, Helfer in Nöten.
In Blut wird Sünde gebrochen,
Die Schmach das Eisen muß töten:
So tilgt er Weibergebärde,
Und heilt die Welt mit dem Schwerte.

Dann wollen Männer nicht sterben,
Und Weiber Kindlein nicht wiegen,
Dann nahet Mord und Verderben,
Und Völker müssen erliegen,
Und Schlachten mähen das Alte,
Damit sich Neues gestalte.

Dann fahren durch die Verruchten,
Gott hat die Macht ihnen gegeben;
Und flehen lernen, die fluchten,
Und Toren Hände erheben;
Wild schnauben Räuber und Henker,
Sie meinen´s, Er ist der Lenker.

Drum laß es donnern und blitzen,
Du, Herr, bleibst ewig derselbe,
Du rollst in leuchtenden Sitzen
Das hohe Himmelsgewölbe,
Du trägst die Erde, die kleine,
Und nennst sie freundlich die deine.

Du hebest hoch vom Getümmel
Die Guten auf von der Erde,
Du hebst sie selbst in den Himmel,
Daß unten herrlich sie werde.
Das Leid es muß ja vergehen,
Das Glück muß wieder erstehen.

O laß den himmlischen Glauben,
Die süße Liebe uns halten!
Dann laß Tyrannen nur schnauben,
Wir stehen in höhern Gewalten;
Wir lachen der bübischen Wichte,
Denn Gottes sind die Gerichte.

Weitere Texte des Autors in der „Glaubensstimme“

Arndt, Ernst Moritz – Geht nun hin und grabt mein Grab!

Geht nun hin und grabt mein Grab!
Denn ich bin des Wanderns müde.
Von der Erde scheid‘ ich ab;
Denn mir ruft des Himmels Friede,
Denn mir ruft die süße Ruh‘
Von den Engeln droben zu.

Geht nun hin und grabt mein Grab!
Meinen Lauf hab‘ ich vollendet,
Lebe nun den Wanderstab
Hin, wo alles Ird’sche endet,
Lege selbst mich nun hinein
In das Bette sonder Pein.

Was soll ich hienieden noch
In dem dunkeln Thale machen?
Denn wie mächtig, stolz und hoch
Wir auch stellen unsre Sachen,
Muß es doch wie Sand vergehn,
Wenn die Winde drüber wehn.

Darum, Erde, fahre wohl,
Laß mich nun in Frieden scheiden!
Deine Hoffnung, ach, ist hohl,
Deine Freuden selber Leiden,
Deine Schönheit Unbestand,
Eitel Wahn und Trug und Tand.

Darum, letzte gute Nacht,
Sonn‘ und Mond und liebe Sterne!
Fahret wohl mit Eurer Pracht;
Denn ich reis‘ in weite Ferne,
Reise hin zu jenem Glanz,
Drinnen ihr verschwindet ganz.

Die ihr nun in Trauer geht,
Fahret wohl, ihr lieben Freunde!
Was von oben niederweht,
Tröstet ja des Herrn Gemeinde.
Weint nicht ob dem eiteln Schein!
Ew’ges kann nur droben sein.

Weinet nicht, daß ich nun will
Von der Welt den Abschied nehmen,
Daß ich aus dem Irrthum will
Aus den Schatten, aus den Schemen,
Aus dem Eiteln, aus dem Nichts
Hin ins Land des ew’gen Lichts!

Weinet nicht! mein süßes Heil,
Meinen Heiland hab‘ ich funden,
Und ich habe auch mein Theil
In den heil’gen Todeswunden,
Woraus einst sein theures Blut
Floß der ganzen Welt zu gut.

Weint nicht! mein Erlöser lebt;
Hoch vom finstern Erdenstaube
Hell empor die Hoffnung schwebt,
Und der Himmelsheld, der Glaube;
Und die ew’ge Liebe spricht:
Kind des Vaters, zittre nicht!

Evangelisches Gesangbuch der Bremischen Gemeinden
Weitere Texte des Autors in der „Glaubensstimme“

Arndt, Ernst Moritz – Ich weiß, woran ich glaube

Ich weiß, woran ich glaube,
Ich weiß, was fest besteht,
Wenn alles hier im Staube
Wie Sand und Staub verweht;
Ich weiß, was ewig bleibet,
Wo alles wankt und fällt,
Wo Wahn die Weisen treibet
Und Trug die Klugen prellt.

Ich weiß, was ewig dauert,
Ich weiß, was nimmer läßt,
Mit Diamanten mauert
Mir´s Gott im Herzen fest.
Ja, Recht mit Edelsteinen
Von allerbester Art
Hat Gott der Herr den Seinen
Des Herzens Burg verwahrt.

Ich kenne wohl die Steine
Die stolze Herzenswehr,
Sie funkeln ja im Scheine
Wie Sterne schön und hehr:
Die Steine sind die Worte,
Die Worte hell und rein,
Wodurch die schwächsten Orte
Gar feste können sein.

Auch kenn´ ich wohl den Meister,
Der mir die Feste baut,
Er heißt der Fürst der Geister,
auf den der Himmel schaut,
Vor dem die Seraphinen
Anbetend niederknien,
Um den die Engel dienen:
Ich weiß und kenne ihn.

Das ist das Licht der Höhe,
Das ist der Jesus Christ,
Der Fels, auf dem ich stehe,
Der diamanten ist,
Der nimmermehr kann wanken,
Der Heiland und der Hort,
Die Leuchte der Gedanken,
Die leuchten hier und dort.

So weiß ich, was ich glaube,
Ich weiß, was fest besteht
Und in dem Erdenstaube
Nicht mit als Staub verweht;
Ich weiß, was in dem Grauen
Des Todes ewig bleibt
Und selbst auf Erdenauen
Schon Himmelsblumen treibt.