Zeller, Albert – Es fällt kein Haar von eines Menschen Haupt,

Es fällt kein Haar von eines Menschen Haupt,
Wenn es nicht Gottes ewger Rat erlaubt,
Und wenn das Haupt, das diese Locken trägt,
Sich nun hinab zum letzten Schlummer legt,
Wer hats gewollt als seine höchste Macht,
Die Tod und Leben schöpferisch bewacht,
Den schönsten Traum aufs stille Lager senkt,
Zur rechten Zeit ein froh Erwachen schenkt?

O Liebe Gottes, wie bist du so groß!
Wie ruht es sich so sanft in deinem Schoß!
Macht schon die Locke, die ich treu bewahr,
Mir eines Kindes Leben offenbar,
Wie wird es sein, wenn alles sich erfüllt,
Das Vaterantlitz ganz sich mir enthüllt!

Zeller, Albert – Vater und Mutter werden dich verlassen,

Vater und Mutter werden dich verlassen,
Die liebsten Seelen ziehen vor der Zeit:
Wer kann das Leid und all den Jammer fassen,
In die der arme Mensch wird eingeweiht?
Ein trüber Flor hängt um die Lichtgestalten
Der schönen Welt in schweren Falten her,
Es scheint ein dunkles, unheilvolles Walten,
Gesetzlos, wie das wild empörte Meer.

Wo ist die Heimat, wo die sichre Stätte,
Da unser höchstes Glück vor Anker ruht?
O wer es wüsste, sie gefunden hätte,
Wie schwölle dem so königlich der Mut!
Doch keine Antwort wird dem stürmschen Fragen,
Dem ungebrochnen schmerzbetörten Sinn,
Und gleich der Wolken flüchtgen Schatten jagen
Die Zweifel über unser Leben hin.

Herr, gib uns Licht in diesen bangen Nächten,
Mach unser Herz vor deiner Größe still,
löse die Bande, die uns eng umflechten,
Und zeig uns klar, was deine Liebe will,
Du, der du mit der gleichen Vatertreue
Au deine Kinder auf dem Herzen trägst,
Und ohne dass es jemals dich gereue,
Gedanken nur des Friedens für sie hegst!

Dein Tun ist Licht, und deines Lichtes Strahlen
Bescheinen auch den dunkeln Erdenpfad,
Und Jeder trinkt aus deiner Liebe Schalen,
Der sich in Demut kindlich zu dir naht.
Du hast uns nicht zum irdschen Glück erschaffen,
Wenn du uns auch viel tausendmal erquickst,
Und in den Kampf mit deines Geistes Waffen
Die Engel deines Trostes niederschickst.

Arbeiten, Beten, Geben und Vergeben
Ist hier die Losung. Wohl ein selig Los!
Willst du noch größern Schmuck für dieses Leben?
Dünkt dir der Segen nicht genugsam groß?
Und weiter führet ja und immer weiter
Durch Nacht und Tag die ernste Pilgerbahn;
Ein Christenkind bleibt immer sanft und heiter,
Es kennt das Ziel: Es gehet himmelan!

Zeller, Albert – Wie wunderbar ist Gottes Welt

Wie wunderbar ist Gottes Welt
An Erd und Himmel doch bestellt!
Der Mond, die Sterne und der Tag,
Was unser Aug nur schauen mag,
Der Seen und Berge Herrlichkeit,
Die grünen Täler weit und breit,
Ein Leben, Tauschen, Wieder dein,
Ein Liebesgruß ins Herz hinein!
Und mitten in der Herrlichkeit
So tiefer Schmerz, so herbes leicht
Dass wir mit jedem Schritte sehn,
Dass wir hier nur als Pilger gehn,
Und unser Herz, wie schöns hier ist,
Der schönren Heimat nie vergisst.

Zeller, Albert – Wie von jedem Wellenschlage

Wie von jedem Wellenschlage
Wird des Ufers Saum berührt
Und von Tage wird zu Tage
Guter Grund hinweggeführt,
Also nimmt von unsrer Seele
Jeder Wellenschlag der Zeit,
Wie das Herz es sich verhehle,
Auch ein Stück Vergangenheit.

Und so morgen, wie auch heute
Geht ein Teil von uns dahin,
Eine willenlose Beute,
Wie die Wellen selbst entfliehn.
Soll es also immer bleiben?
Ist das Schönste Schaum und Spiel?
Setzt denn Nichts dem eitlen Treiben
Ein gewisses, festes Ziel?

Lieben, Hassen, Suchen, Meiden,
Finden und Verlorengehn
Drängen sich von allen Seiten
Ohne Halt und Stillestehn,
Wie vom Wirbelwind getrieben
Fallend Laub im Herbst sich dreht.
Sind auf immer wir verschrieben
Dem zu Frühe, dem zu Spät?

Ärmer als das ärmste Wesen
In der Schöpfung reichem Kreis,
Wären wir zur Qual erlesen,
Bänd uns solch ein Machtgeheiß;
Doch der Geist, der uns verliehen,
Nimmt es auf mit einer Welt,
Wenn im Wechsel und Entfliehen
Alles um ihn welkt und fällt.

Wohl dem, welcher der Verheißung
Und des Himmels Kraft vertraut,
Und nach ihrer heilgen Weisung
Treu sein innres Leben baut!
Frei nach Außen und nach Innen
Wirkt und ruhet, nimmt und gibt!
Mag Vergängliches zerrinnen,
Ewges hat er nur geliebt.

Wie ein Palmbaum steigt sein Leben
An des Stromes Ufer auf,
Segen muss ihm Alles geben
In der Dinge Wechsellauf,
Wie er selber Lust und Segen
Allen dienend freudig beut,
Und im liebevollen Regen
Jugendlich sich selbst erneut.

Zeller, Albert – Vom Himmel fällt des Segens Tau,

Vom Himmel fällt des Segens Tau,
Der eine kranke Blume heilet
Und dem geheimnisvollen Bau
Aufs Neue Kraft und Duft erteilet.
Der Freund im Schmerz, was kann er tun,
Als sanft die zu Gebeugte heben,
So lang die innern Kräfte ruhn
Mit ihrem eignen tiefsten Weben;
Doch, hat in ihres Schöpfers Macht
Sie dann aufs Neue sich erhoben,
So freut er sich der stillen Pracht
Und blickt mit ihr im Dank nach oben!

Zeller, Albert – Gottes Name sei geschrieben

Gottes Name sei geschrieben
Über all dein Tun und Lieben,
Sei es groß nun, sei es klein!
Nicht was du getan hienieden,
Was du warst, das schaffet Frieden,
Ewig Segen oder Pein.

Auch der Ärmste, der Entblößte
Aller Kraft, vermag das Größte,
Was ein Mensch nur wirken kann:
Seiner Seele Feld zu bauen,
Fröhlich auf zum Herrn zu schauen,
Frei zu werden von dem Bann.

Kannst ein Gotteskind ja werden!
Gibt es Höhres noch auf Erden?
Nun wohlan, so zögre nicht:
Werd sein Kind, auch deine Engel
Sehen allzeit ohne Mängel
Deines Gottes Angesicht.

Willst du wirken, nun so trete
Fromm und kindlich im Gebete
Hin vor seinen Gnadenthron!
Bet für Diesen, bet für Jenen,
Bet für alle Welt mit Sehnen,
Bet zum Vater in dem Sohn!

Soll dir Größres noch begegnen,
Als die ganze Welt zu segnen?
Willst du stärker, reicher sein?
Preise Gott zu allen Stunden,
Ob sie bös, ob gut befunden,
Und das Himmelreich ist dein.

Zeller, Albert – Weißt du, o Seele auch, was gottgelassen heißt?

Weißt du, o Seele auch, was gottgelassen heißt?
Das ist ein stiller Mut, das ist ein freudger Geist,
Der lässet alle Lust, die Gott nicht wohlgefällt,
Der lässet alles Leid und Traurigkeit der Welt,
Ja selbst die eitle Neu, die stets nur an sich klebt
Und weder Blick noch Herz zum Kreuz des Herrn erhebt,
Die murrt, indem sie nur sich selbst zu richten glaubt
Und sich den süßen Trost der ewgen Gnade raubt.
Die Gottgelassenheit, das höchste Pilgergut,
Auf der der Segen hier und die Verheißung ruht,
Sie werd und bleibe stets dein liebstes Eigentum
Zu deiner Seligkeit und deines Gottes Ruhm!

Zeller, Albert – Nur wer allein zum Herrn gefleht,

Nur wer allein zum Herrn gefleht,
Allein, als wenn in weiter Welt
Nicht Eine Seele zu ihm steht,
In Lieb und Andacht ihm gesellt,
Der hat die seligste der Stunden,
Hat wahrhaft Gott und sich gefunden.

Wohl ist es süß, wohl ist es traut,
Mit frommen Herzen beten gehn,
Zu zwei, zu drei, mit vielen laut
Des Herren Lob und Preis erhöhn;
Er will bei uns, bei Millionen,
In gleicher Gnadenfülle wohnen.

Doch das, was dir, nur dir allein
Aus seinem Vaterherzen gilt,
Draus deines Wesens tiefstem Sein
Durch alle Adern Leben quillt,
Das kann er dir im ganzen Leben
Allein, allein mit dir, nur geben.

Allein, ob Tausend bei dir sind,
Allein im stillsten Kämmerlein,
Das macht es nicht, mein liebes Kind,
Allein und immer nur allein;
Es ist so leicht, so schwer zu fassen,
Doch wers gefasst, kanns nimmer lassen.

Einsam ist nur, wer ihn nicht sucht
Und Andres außer ihm begehrt,
Wenn unser Herz in schwanker Flucht
Sich sehnend da- und dorthin kehrt;
Wem einen Augenblick entfallen,
Dass Gott der Treuste ist von Allen.

Allein mit Gott ist nie allein,
Ist herrlichstes Zusammengehn,
Der tiefste, innigste Verein
Mit seinem Liebsten ungesehn;
Allein mit Gott, heißt lieben, leben,
Das Höchste nehmen, Höchste geben!

Albert Zeller – Versinke nicht in deinen Kummer!

Versinke nicht in deinen Kummer!
Versenke ihn!
Sin tiefer Gram ist Traum und Schlummer,
Bestrickt den Sinn.

Wach auf zum Licht! richt auf zum Tage
Dein Angesicht!
Das Herz ist sich die größte Plage,
Das sich gebricht.

Bist du die Sonn, um die die Erde
Sich mühsam dreht,
Ein wahrhaft leidiger Gefährte
Dann mit dir geht.

So viel des Guten und der Schönen
Blüht weit und breit:
Lass dich mit dem Geschick versöhnen,
So lang es Zeit!

Füg dich dem Ganzen aufgeschlossen!
Nimm hin dein Teil,
Und wirke still und unverdrossen
Für Andrer Heil!

Wer gern verliert sein eignes Leben
In Lieb und Treu,
Dem wird es tausendfach gegeben
Und stündlich neu.

Drum frisch hinein, und lass dich tragen
Von Lebensflut!
Es gilt ein leichtes, mut’ges Wagen
Ums höchste Gut!

Albert Zeller – O sagt euch freundlich guten Tag,

O sagt euch freundlich guten Tag,
Umfasset euch mit warmen Händen!
Wer weiß, bis zu dem Abend mag
Das Blatt noch wunderbar sich wenden!

Noch sind die Sehnen stark und straff,
Ihr sonnet euch in Blütentagen,
Oft hängt am Abend welk und schlaff
Die Hand am Morgen ausgeschlagen.

O sagt euch freundlich gute Nacht,
Gebt euch den Bruderkuss, ihr Brüder!
Gar Mancher legt zum Todesschlaf
In seiner kurzen Ruh sich nieder.

Was euch entzweit, das seid nicht ihr,
Ihr könnet euch nur sehr und lieben;
So blickt euch an, es wird, es muss
Der Dämon in sein Nichts zerstieben.

Der Weg ist weit, den Menschen ziehn,
So sprecht: „Der Herr mög dich bewahren!“
Dem fremdsten Wandrer ruft man zu,
Er möge wohl und friedlich fahren.