Carl von Gerok – Hagars Quell.

(1 Mose 21, 19.)

Das Auge voll Thränen, die Seele voll Harm,
Irrt Hagar ins Feld mit dem Knaben im Arm;
Ihr Krüglein ist leer,
Ihr Herze ist schwer,
Rings dehnt sich die Wüste, ein sandiges Meer.

Mutter, mich dürstet, so wimmert das Kind;
Sie rennet sich wund und sie luget sich blind;
Wohin sie auch schaut,
Die Wüste nur graut,
Die schreckliche Öde belebet kein Laut.

Da nimmt sie den Knaben verzweifelnd vom Schoß
Und wirft ihn zur Erde und reißet sich los,
Sein jammervoll Flehn,
Sein langsam Vergehn,
Es bricht ihr das Herze, sie kann es nicht sehn.

Sie setzt sich von ferne mit starrendem Blick,
Da tönet’s ins Ohr ihr wie Engelsmusik;
Sie horchet und lauscht:
Es rieselt und rauscht,
Verzweifelung ist mit Entzücken vertauscht.

Sie füllet die Flasche am sprudelnden Quell,
Sie tränket den Knaben, sein Auge wird hell,
Ihr seliger Mund,
Er küsst ihn gesund,
Gen Bersaba wandern sie fröhlich zur Stund.

Und wandert noch wo eine Mutter voll Harm
Und wieget ein wimmerndes Kindlein im Arm:
wirf’s auf den HErrn,
Still harre von fern,
Denn sündig bist du, doch erbarmt Er sich gern.

Der gnädig die hungrigen Raben ernährt,
Und Futter den Jungen der Löwin beschert,
Der hörte das Schrei’n,
Der sähe die Pein
Des schmachtenden Würmleins – und bliebe von Stein?

Und ging dir versiegen das Wasser im Krug:
Das Brünnlein des Höchsten hat Fülle genug;
Aus brennendem Sand,
Aus felsiger Wand
Schlägt Brunnen des Heils des Allmächtigen Hand.