Blaul, Georg Friedrich – Morgenlied.

Wenn die Sonn‘ emporgestiegen,
Denk ich dein, du ew’ge Sonne,
Quell des Lichts und aller Wonne,
Dein gedenk ich mit Vergnügen.

Hast du doch in allen Nächten,
Die bisher mich schon umfangen;
Stets erhöret mein Verlangen,
Mich bedeckt mit deiner Rechten.

Hast mit väterlichem Walten
Dem geringsten deiner Knechte
In den bangsten seiner Nächte
Leib und Seele wohl erhalten.

Selbst wenn in der Nacht der Sünden
Ich von deinem Weg verirrte,
ließest du, getreuer Hirte,
Mich das Licht doch wieder finden.

Denn die Sonne deiner Gnade
Ging in solchen Finsternissen
Auf, und führt‘ mein irr Gewissen
Wieder hin auf deine Pfade.

Deine Liebe, deine Treue,
Die bisher mich wohl geborgen,
Preis‘ ich d’rum mit jedem Morgen,
Herr, mein Hüter, stets auf’s Neue.

Und aufs Neue sei gebeten:
Hilf mir auch an diesem Tage,
lass mich unter Freud‘ und Plage
Nie von deinen Wegen treten.

Will dir gänzlich halten stille,
Nichts will ich von dir begehren,
Magst mir Freud‘, magst Leid bescheeren,
So geschehe, Herr, dein Wille.

Eins nur, was ich gerne hätte,
Möcht‘ ich, Herr, von dir erlangen:
Wenn mein Tag zu End‘ gegangen,
Gib bei dir mir eine Stätte.

Öffne nach der Nacht des Todes
Einst mein Aug‘ dem ew’gen Lichte,
Das von deinem Angesichte
Strahlt, wie Glanz des Morgenrotes.

Lass mir deine Gnadensonne
Ewig nicht mehr untergehen,
Lass mich dich im Lichte sehen,
Quell des Lichts und aller Wonne.

Selneccer, Nikolaus – Morgensegen.

Mel. Gelobet seist du Jesu Christ.

Gott Lob, der Tag ist nun herbei,
Vom Schlaf sind wir gewecket frei.
Gott hat uns bhüt fürs Teufels Macht
Durch sein Engel in dieser Nacht.
Kyrieleis.

2. Ach Gott, vergieb uns unsre Sünd,
Sei uns gnädig, gut, sanft und lind,
Dein Engel allzeit bei uns sei,
Wider der Teufel steh uns bei.
Kyrieleis.

3. All unsre Arbeit segne du,
Gieb und Geduld und Muth dazu,
Verleih uns ein rechten Verstand,
Regier uns selbst durch deine Hand.
Kyrieleis.

4. Laß uns auf deinem Wege gehn
Und allzeit fest darin bestehn.
Dein heilger Geist leit unser Herz,
Bhüt uns vor Angst und großem Schmerz.
Kyrieleis.

5. In Irrthum laß uns fallen nicht,
Wenn uns der böse Geist anficht.
Vor Sünd und Schand behüt uns Gott,
Und hilf uns frei aus aller Noth.
Kyrieleis.

6. Behüt uns Herr vor Trug und List,
Vor Wucher, Geiz, unrechtem Genieß,
Vor allem Vortheil und vor Tand,
Vor Hader, Zank, Neid, Spott und Schand.
Kyrieleis.

7. Hilf, daß wir dienen deiner Ehr
Und dich vor Augen haben mehr
Denn alle Welt, Nutz, Ehr und Gwalt,
So werden wir mit Ehren alt.
Kyrieleis.

8. Amen, zur Arbeit gehn wir hin,
Gott kennet unser Herz und Sinn.
Unser Werk, Arbeit, Treu und Fleiß
Gereich zu Gottes Lob und Preis.
Kyrieleis.

9. Weil wir denn so zur Arbeit gehn,
Herr Christ, wollst uns gnädig beistehn.
Bei unserm Schweiß dein Segen sei,
So werdn wir satt und sorgen frei.
Kyrieleis.

10. Laß dein Engel stets bei uns sein,
Die lieben schönen Geisterlein.
Kein Macht an uns der Satan hab,
Dein Engel ihn stets treiben ab.
Kyrieleis.

11. Amen singen wir abermal.
Herr Christ, behüt uns vor Unfall.
Gieb, daß wir dich stets rufen an,
So lang die Zung sich regen kann.
Kyrieleis.

Arndt, Ernst Moritz – Morgengebet

Die Nacht ist nun vergangen,
Der Morgen steht so herrlich da,
Und alle Blumen prangen
Und alle Bäume fern und nah;
Auf Feldern und auf Wiesen,
In Wald und Berg und Thal
Wird Gottes Macht gepriesen
Von Stimmen ohne Zahl.

Die frommen Nachtigallen
Sie klingen hellen Freudenklang,
Die Lerchen höchst vor allen
Zum Himmel tragen sie Gesang,
Der Kuckuck auf den Zweigen
Und auch der Zeisig klein
Sie wollen sich dankbar zeigen,
’s will keiner hinten seyn.

Und ich? Ich sollte schweigen?
Ich, Gottes reiches Ebenbild?
Durch das mit Liebesneigen
Der Feuerstrom der Gottheit quillt,
Dem er die Sternenlichter
Zur Brüderschar geweiht
Und Engelangesichter
Verklärt in Herrlichkeit?

Das Wild im grünen Walde,
Der Vogel auf dem grünen Baum,
Sie priesen also balde
Den Vater überm Sternenraum?
Es sumsete die Imme,
Das Würmchgen seine Lust,
Und ich hätt‘ keine Stimme
Des Lobes in der Brust?

Nein, Vater aller Güte,
Du meiner Seele Freudenlicht,
Wie gern will mein Gemüthe!
Doch meine Worte können nicht.
Wer mag dich würdig preisen,
Durch den die Welten sind,
Von dem die tiefsten Weisen
Kaum lallen wie ein Kind?

O Herr, laß mich auch heute
In deiner Liebe wandeln treu,
Daß ich der Sünden Beute,
Der Eitelkeiten Spiel nicht sey;
Laß mich nach deinem Bilde
Den Weg der Tugend gehn:
So wird der Tag mir milde,
So kommt der Abend schön.

 

Behm, Martin – Ein Morgensegen

1. O heilige Dreifaltigkeit,
O hochgelobte Einigkeit,
Gott Vater, Sohn, Heiliger Geist,
Heut diesen Tag mir Beistand leist.

2. Mein Seel, Leib, Ehr und Gut bewahr,
Daß mir kein Schaden widerfahr,
Und mich der Satan nicht verletz,
Noch mich in Schand und Schaden setz.

3. Des Vaters Macht mich heut anblick,
Des Sohnes Weisheit mich erquick,
Des heilgen Geistes Glanz und Schein
Erleucht meines finstern Herzens Schrein.

4. Mein Schöpfer, steh mir kräftig bei,
Christ, mein Erlöser, hilf mir frei;
O Tröster werth, weich nicht von mir,
Mein Herz mit werthen Gaben zier!

5. Herr, segne und behüte mich,
Herr, leucht mich an ganz gnädiglich,
Herr heb auf mich dein Angesicht,
Dein Frieden auf mich Armen richt.

6. Solch göttlich Benediction
Send mir herab vom Himmelsthron,
Damit ich heut und alle Tag
Durch dich frei sei von aller Plag.

7. Laß mich erlangen Trost und Heil,
Daß mir dein Segen werd zu theil;
Vor sichtbarn Feinden mich bewahr,
Und wehr auch der unsichtbarn Schar.

8. Rett mich aus meiner Angst und Noth,
Daß ich nicht werd zu Schand und Spott;
So preis ich dich mit Innigkeit
Allhier und dort in Ewigkeit.

Amen.

Claudius, Matthias – Frau Rebekka mit den Kindern

Kommt, Kinder, wischt die Augen aus,
Es gibt hier was zu sehen,
Und ruft den Vater auch heraus…
Die Sonne will aufgehen!

Wie ist sie doch in ihrem Lauf
So unverzagt und munter!
Geht alle Morgen richtig auf,
Und alle Abend unter!

Geht immer, und scheint weit und breit
in Schweden und in Schwaben,
Dann kalt, dann warm, zu seiner Zeit,
Wie wir es nötig haben.

Von ohngefähr kann das nicht sein,
Das könnt ihr wohl gedenken;
Der Wagen da geht nicht allein,
Ihr müßt ihn ziehn und lenken.

Das Sternenheer hoch in der Höh‘,
die Sonne, die dort glänzet,
Das Morgenrot, der Silbersee
Mit Busch und Wald umkränzet,

Dies Veilchen, dieser Blütenbaum,
Der seine Arm ausstrecket,
Sind, Kinder! „seines Kleides Saum“,
Das ihn vor uns bedecket;

Ein „Herold“, der uns weit und breit
Von ihm erzähl‘ und lehre;
Der „Spiegel seiner Herrlichkeit“;
Der „Tempel seiner Ehre“,

Ein mannichfaltig groß Gebäu,
Durch Meisterhand vereinet,
Wo seine Lieb‘ und seine Treu‘
Uns durch die Fenster scheinet.

Er selbst wohnt unerkannt darin,
Und ist schwer zu ergründen.
Sei fromm, und sucht von Herzen ihn,
Ob ihr ihn möchtet finden.

Claudius, Matthias – Morgenlied eines Bauersmanns

Da kömmt die liebe Sonne wieder,
Da kömmt sie wieder her!
Sie schlummert nicht und wird nicht müder,
Und läuft doch immer sehr.

Sie ist ein sonderliches Wesen,
Wann morgens auf sie geht,
Freut sich der Mensch und ist genesen
Wie beim Altargerät.

Von ihr kommt Segen und Gedeihen,
Sie macht die Saat so grün,
Sie macht das weite Feld sich neuen,
Und meine Bäume blühn.

Und meine Kinder spielen drunter,
Und tanzen ihren Reihn,
Sind frisch und rund und rot und munter,
Und das macht all ihr Schein.

Was hab‘ ich dir getan, du Sonne,
Daß mir das widerfährt?
Bringst jeden Tag mir neue Wonne,
Und bin’s fürwahr nicht wert.

Du hast nicht menschliche Gebärde,
Du issest nicht wie wir;
Sonst holt‘ ich gleich von meiner Herde
Ein Lamm und brächt‘ es dir,

Und stünd‘ und schmeichelte von ferne:
„Iß und erquicke dich,
Iß, liebe Sonn‘, ich geb‘ es gerne,
Und willst du mehr, so sprich.“

Gott in dem blauen Himmel oben,
Gott denn belohn‘ es dir!
Ich aber will im Herzen loben
Von deiner Güt‘ und Zier.

Und weil wir ihn nicht sehen könne,
Will ich wahrnehmen fein,
Und an dem edlen Werk erkennen
Wie freundlich er muß sein!

Oh! bis mir denn willkommen heut,
Bis willkomm, schöner Held!
Und segn‘ uns arme Bauersleute,
Und unser Haus und Feld.

Bring‘ unserm König heut‘ auch Freude,
Und seiner Frau dazu.
Segn‘ ihn und tu ihm nichts zuleide,
Und mach ihn mild wie du!

Behm, Martin – Morgengebetlein

Das walt Gott Vater und Gott Sohn,
Gott heil‘ger Geist ins Himmels Thron!
Man dankt dir, eh die Sonn aufgeht,
Wanns Licht anbricht, man vor dir steht.

Drum beug ich diesen Morgen früh
In rechter Andacht meine Knie
Und ruf zu dir mit heller Stimm,
Dein Ohren neig, mein Red vernimm.

Ich rühm von Herzen deine Güt,
Weil du mich gnädig hast behüt,
Daß ich nun hab die finstre Nacht
In Ruh und Frieden zugebracht.

Ich schlief und wußt nicht, wie mir wär,
So schlich der Teufel um mich her.
Den hast du durch dein Macht vertriebn,
Daß ich vor ihm zur Ruh bin bliebn.

Mein Gott, ich bitt durch Christi Blut,
Nimm mich auch diesen Tag in Hut,
Laß deine liebsten Engelein
Mein Wächter und Gefährten sein.

Gieb Gnad, daß ich mein Werk und Pflicht
Mit Freuden diesen Tag verricht
Zu deinem Lob und meinem Nutz,
Und daß ich theu meim Nächsten Guts.

Hilf, daß ich zu regieren wiß
Mein Augen, Ohren, Händ und Füß,
Mein Lippen, Mund und ganzen Leib,
All bös Begierden von mir treib.

Bewahr mein Herz vor Sünd undSchand
Daß ich, vom Uebel abgewandt,
Mein Seel mit Sünden nicht beschwer
Und mein Gewissen nicht versehr.

Behüt mich heut und alle Zeit
Vor Schaden, Schand und Herzeleid;
Tritt zwischen mich und meine Feind,
So sichtbar und unsichtbar seind.

Mein Aus- und Eingang heut bewahr,
Daß mir nichts Uebels widerfahr,
Behüt mich vor eim schnellen Tod,
Und hilf mir, wo mir Hülf ist noth.

Amen.

Philipp Spitta – Es wird mein Herz mit Freuden wach

Es wird mein Herz mit Freuden wach,
ein Segenstag ist dieser Tag;
da ruft’s mit hellem Klang hinaus:
Komm heut in deines Gottes Haus!

Am Tage, da er reden will,
tu auf dein Herz und halt dich still;
da er an dir sein Werk will tun,
laß deiner Hände Werke ruhn!

Heut hält der Herr ein offnes Haus,
da teilt dem Hungrigen er aus
sein teures Wort, das Lebensbrot;
wer das genießt, dem schad’t kein Tod.

Heut wird der gute Sämann gehn,
den edlen Samen auszusäh’n,
der in den Herzen, da er haft’t,
vielfältig edle Früchte schafft.

Heut führt der treue Hirt ins Tal
die Schaf’ und Lämmer allzumal
zu guter Weid’ an rechter Stell’,
auf grüner Au, zum frischen Quell.

Heut ist der Arzt, der Wundermann,
der allen Schaden heilen kann,
mit Hilf’ in Rat und Tat bereit
für jede Wunden, Schmerz und Leid.

Das ist ein Tag, ein Segenstag,
da wird mein Herz mit Freuden wach,
und lieblich klingt der Ruf hinaus:
Komm heut in deines Gottes Haus!

Gellert, Christian Fürchtegott – Mein erst Gefühl sei Preis und Dank;

Mein erst Gefühl sei Preis und Dank;
Erheb ihn, meine Seele!
Der Herr hört deinen Lobgesang;
Lobsing ihm, meine Seele!

Mich selbst zu schützen, ohne Macht,
Lag ich und schlief im Frieden.
Wer schafft die Sicherheit der Nacht,
Und Ruhe für die Müden?

Wer wacht, wenn ich von mir nichts weiß,
Mein Leben zu bewahren?
Wer stärkt mein Blut in seinem Fleiß,
Und schützt mich vor Gefahren?

Wer lehrt das Auge seine Pflicht,
Sich sicher zu bedecken?
Wer ruft dem Tag und seinem Licht,
Die Seele zu erwecken?

Du bist es, Herr und Gott der Welt,
Und dein ist unser Leben.
Du bist es, der es uns erhält,
Und mir’s itzt neu gegeben.

Gelobet seist du, Gott der Macht,
Gelobt sei deine Treue!
Daß ich nach einer sanften Nacht
Mich dieses Tags erfreue.

Laß deinen Segen auf mir ruhn,
Mich deine Wege wallen;
Und lehre du mich selber tun
Nach deinem Wohlgefallen.

Nimm meines Lebens gnädig wahr;
Auf dich hofft meine Seele.
Sei mir ein Retter in Gefahr,
Ein Vater, wenn ich fehle.

Gib mir ein Herz voll Zuversicht,
Erfüllt mit Lieb und Ruhe,
Ein weises Herz, das seine Pflicht
Erkenn und willig tue.

Daß ich, als ein getreuer Knecht,
Nach deinem Reiche strebe,
Gottselig, züchtig und gerecht
Durch deine Gnade lebe.

Daß ich, dem Nächsten beizustehn,
Nie Fleiß und Arbeit scheue,
Mich gern an andrer Wohlergehn
Und ihrer Tugend freue.

Daß ich das Glück der Lebenszeit
In deiner Furcht genieße,
Und meinen Lauf mit Freudigkeit,
Wenn du gebeutst, beschließe.

Theodor Isaak Hertzogenrath – Morgenlied

Wundervoller Gott,
Glanz und Licht der Erden,
Starker Zebaoth,
vor dem auch die Nacht
Und des Todes Nacht
Hell und licht muß werden.

Deine starke Hand,
Hoch und mächtig droben,
Geht durch alle Land:
Finsterniß und Licht
Hast du zugericht‘,
Und sehr weis‘ erhoben!

Denn dein fester Bund
Bleibet, wie wir sehen,
Noch zu dieser Stund,
So auch Tag und Nacht,
Unter deiner Macht
Unverändert stehen.

Alles weiß die Zeit,
Die du hast gesetzet,
Und ist schnell bereit,
Nach dem Ort und Ziel,
Da dein hoher Will
Solches hingeschätzet.

Nun hat meine Seel,
Die dir ist verbunden,
In der freien Höhl
Deiner Sicherheit
Auch zu dieser Zeit
Ihre Ruh gefunden.

Darum mein Gemüth,
Das dich heilig liebet,
Durch dein‘ große Güt‘,
Gleichsam als entzückt,
Und vom Schlaf erquickt,
Dir die Ehre gibet.

Laß mich diesen Tag
Also vor dir leben,
Wie ich wünsch hernach,
Wann das große Licht,
Jesus, mein Gesicht
Einmal wird umgeben.

Und damit ich heut
Unter deinem Segen
Mein‘ Beruf mit Freud
Und auf alle Weis
Zu dein’s Namens Preis
Vor dir ab mög‘ legen.

Wollst du, theurer Herr,
Durch ein süß Gedeihen
Mich zu deiner Ehre
Leiten und damit
Meine Gäng und Tritt
Jederzeit erfreuen.

Wenn ich auch zuletzt
Meine Zeit vollende,
Die du hast gesetzt,
ach so hilf du mir,
Jesu, mein Begier,
Daß ich selig ende.

Die evangelische Volksbibliothek
Fünfter Band
Die geistliche Dichtung von Luther bis Klopstock
ausgewählt und eingeleitet
von Paul Pressel
Stuttgart
Adolph Bechers Verlag (Gustav Hoffmann)
1863