Johann Peter Silbert – Dies Irae

Tag des Zornes, furchtbar stille!
Du verglühst des Erdballs Fülle,
Zeugt mit David die Sibylle.

Welch ein Zittern und Erbeben,
Wird im Glanz der Richter schweben,
Streng zu sichten Aller Leben!

Hehr wird die Posaune klingen,
Wird durch ferne Grüfte dringen,
Alle vor den Thron zu zwingen.

Die Natur, der Tod sieht bebend
Das Geschöpf der Gruft entschwebend,
Und dem Richter Antwort gebend.

Und ein Buch erscheint zur Stunde;
Die, entfaltend jede Kunde,
Liegt dem Weltgericht zum Grunde.

Sitzt der Richter zu Gerichte:
Kömmt das Heimlichste zum Lichte,
Dass er rächend Alles schlichte.

Wie werd‘ Aermster ich bestehen,
Ach, zu welchem Schirmer flehen,
Da kaum Fromme sicher stehen!

König schrecklicher Gewalten!
Frei ist deiner Gnade Schalten:
Wolle, Huldquell, mich erhalten!

Denke, Jesu! meiner Klage,
Mir galt deine Last und Plage,
Schirme mich an jenem Tage!

Du hast mich gesucht von Herzen,
Mich am Kreuz erlöst in Schmerzen:
So viel Huld lass nicht verscherzen!

Richter, der du Recht wirst sprechen!
O erlass‘ mir die Verbrechen,
Eh‘ der Tag erscheint zu rächen!

Strafbar seufz‘ ich auf mit Bangen;
Schuld, sie röthet meine Wangen,
Lass mein Flehen Huld erlangen!

Der Marien du vergeben,
Und den Schächer riefst in’s Leben,
Hast auch Hoffnung mir gegeben.

Zwar nicht würdig ist mein Flehen,
Doch in ew’gen Feuers Wehen,
Milder, lass mich nicht vergehen!

Lass in deiner Schafe Schaaren,
Fern den Böcken, mich bewahren,
Und zu deiner Rechten fahren.

Rufe, wenn Vermaledeiten
Flammen sich zur Qual bereiten,
Mich mit den Gebenedeiten.

Tief zerknirscht im Staube wende
Ich zu dir mein Herz: O spende
Mir, o Gott! ein selig Ende!

Anton Passy – Dies Irae

Wird des Zornes Tag herschreiten,
Soll die Welt in Asche gleiten,
Wie die Seher sind zu deuten.

Schrecken werden sich verbreiten,
Wann der Richter naht von Weiten,
Der hinschaut nach allen Seiten.

Wird ein Ton die Luft durchdringen,
Den Befehl den Gräbern bringen,
Alle vor den Thron hinzwingen.

Staunend harret alles Leben,
Da die Todten sich erheben,
Und dem Richter Antwort geben.

Nach dem Buche wird er schalten,
Wo es Alles ist enthalten,
Wie die Welten zu verwalten.

Und das Urtheil wird er sagen,
Die verborg’ne Sünd‘ anklagen,
Ungerächet nichts mehr tragen.

Wo doch, Aermster ich der Knechte,
Find‘ ich den, der mich verfechte,
Wann kaum sicher der Gerechte?

Herr und König voller Schrecken,
Lieget Hülf‘ in deinen Zwecken,
Wollest schützend mich auch decken!

Jesu, denk‘, in jener Stunde
Littest für mich Qual und Wunde,
Lass mich ja nicht geh’n zu Grunde!

Sieh, das Opfer deines Lebens
Und die Krone deines Strebens
Wär alsdann an mir vergebens.

O, gerecht in Lieb‘ und Hasse
Mir die Schulden jetzt erlasse,
Dass mich nicht dein Zorn dort fasse!

Sieh‘ mich, wie Verbrecher, zagen,
Hör‘ in tiefster Scham mich klagen,
Reue darf zu dir sich wagen.

Der verziehen Magdalenen,
Und erhört des Schächers Thränen,
Stillet mir auch all‘ mein Sehnen.

Meinem Flehen lass gelingen,
Bis an deinen Thron zu dringen,
Lass die Höll‘ mich nicht verschlingen.

Wo die Schafe froh hineilen
Wolle mir den Platz ertheilen,
Fern den Böcken lass mich weilen.

Und, wann die Vermaledeyten
In die ew’gen Flammen schreiten,
Ruf‘ mich zu Gebenedeyten!

Müd von Ringen, Kämpfen, Streiten,
Fleh‘ ich zu dir, Herr der Zeiten,
Wolle selbst mein End‘ bereiten!

Johann Friedrich von Meyer – Dies Irae

Johann Friedrich von Meyer – Dies Irae

Jener Zorntag löst im Raube
Auf die Welt zu Asch‘ und Staube;
So bezeugt’s der heil’ge Glaube.

Welch ein Zittern wird das werden,
Wenn der Richter kommt auf Erden
Streng zu sichten die Beschwerden!

Die Posaun‘ im Wundertone
Sprengt die Gräber jeder Zone,
Sammelt Alles vor den Throne.

Tod wird und Natur erbeben,
Wann das Fleisch ersteht zum Leben,
Antwort vor Gericht zu geben.

Und ein Buch wird aufgeschlagen,
Darin Alles eingetragen,
Was den Weltlauf wird verklagen.

Sitzt der Richter nun und richtet,
Wird das Dunkle all‘ gelichtet,
Und kein Greu’l bleibt ungeschlichtet.

Was dann werd‘ ich Armer sagen?
Wen zum Schutz zu rufen wagen,
Wo sogar Gerechte zagen?

Hehrer König, dessen Dulden
Selig macht umsonst von Schulden,
Mach mich selig, Quell der Hulden!

Frommer Jesu, wollst gedenken,
Dass Du kamst, mir Heil zu schenken,
Nicht mich in’s Verderben senken!

Hast du doch um mich geworben,
Bist für mich am Kreuz gestorben,
So viel Müh‘ sei unverdorben!

Richter der gerechten Rache,
Tilge meine böse Sache,
Eh‘ zur Rechnung ich erwache!

Ich erseufze schuldbefangen,
Roth von Scham sind meine Wangen,
Schon‘, o Gott, ich fleh‘, des Bangen!

Der die Sünd’rin rein erkläret,
Und des Schächers Wort erhöret,
Hat auch Hoffnung mir gewähret.

Mein Gebet ist arm und blödig;
Doch du, Guter, handle gnädig,
Sprich der ew’gen Glut mich ledig!

Bei den Schafen Platz bereite,
Von den Böcken weggeleite,
Stell‘ mich dir zur rechten Seite!

Flieh’n dann die Vermaledeyten,
Schmählich herber Pein Geweihten,
Ruf‘ mich mit den Benedeyten!

Flehend ring‘ ich meine Hände,
Staub mein Herz verzehrter Brände:
Trage Sorge für mein Ende!

Adolph Ludwig Follen – Dies Irae

Tag des Zornes, wenn er taget:
Feuerloh die Zeit zernaget:
Wie Sibyll mit David saget.

Ha! wie wird dann sein ein Beben,
Wird der Richter sich erheben,
Allwärts strenges Recht zu geben!

Der Posaune seltsam Hallen
Wird in allen Gräbern schallen;
Zu dem Richtstuhl Geister wallen.

Tod und Leben staunend sehen,
Wie herfür die Leichen gehen,
Dem Gerichte Rede stehen.

Und man wird das Buch entfalten,
Darin Alles steht enthalten;
Darnach wird der Richter schalten.

Also wenn da sitzt der Richter,
Dunkles tritt in helle Lichter,
Rache trifft die Bösewichter.

Weh! wie arm bin ich zu sagen!
Welchem Schirmvogt soll ich klagen,
Da Gerechte schier verzagen?

Der du, Fürst furchtbarer Grösse,
Nur verdammst das heillos Böse,
Born der Liebe, mich erlöse!

Denk, o frommer Christ, in Gnaden,
Ich war Ursach deinen Pfaden,
Wend‘ an jenem Tag den Schaden!

Suchend mich, sankst du in harter
Müh‘, um mich am Kreuz Erstarrter!
Nicht umsonst sei solche Marter!

Richter der gerechten Rache!
Das Geschenk „Vergebung“ mache,
Eh‘ der Rachetag erwache!

Stöhnend, gleich dem Bösewichte,
Roth von Schuld im Angesichte,
Bet‘ ich: Herr, Gott, gnädig richte!

Der du schuldfrei sprachst Marien,
Der dem Schächer du verziehen
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Unser Beten ist nicht theuer,
Doch du Gnadenreicher, Treuer,
Rette mich vor ew’gem Feuer!

Zu den Schäflein lass mich leiten,
Fern den Böcken lass mich schreiten,
Herr, zu deiner rechten Seiten.

Gott, wann du verruchte Bruten
Dann verdammst zu Höllengluten,
Rufe mich mit deinen Guten.

Brünstig Fleh’n zu dir ich sende,
Asche wird mein Herz elende,
Herre Gott, verwalt‘ mein Ende!

O du Tag, du Tag der Zähren,
Der aus Asche wird verklären,
Reif zum Spruch, das Volk der Erden!
Dem, o Gott, lass Gnade werden.

Frommer Jesu! Herre du:
Schenke denen Rast und Ruh!

Carl August Döring – Dies irae

Tag des Zorns, wo Gott eins richtet,
Und die Welt in Glut vernichtet,
Wie Propheten uns berichtet.

Dann wird sein, ach, welch ein Beben!
Wird der Richter sich erheben,
Streng zu sichten Aller Leben.

Mit wie wundervollem Tone
Ruft Posaunenhall zum Throne,
Dem zur Strafe, dem zum Lohne!

Die Natur, der Tod sieht bebend
Das Geschöpf der Gruft entschwebend,
Und dem Richter Antwort gebend.

Und das Buch bringt nun zur Stunde,
Dies, enthaltend jede Kunde,
Liegt dem Weltgericht zum Grunde.

Christus sitzet zu Gerichte,
Bringt das Heimlichste zum Lichte,
Dass er rächend alles schlichte.

Weh, was soll ich Aermster sagen?
Welchen Schutzherrn mir erfragen,
Da Gerechte fast verzagen?

Furchtbar majestätisch‘ Wesen!
Gläub’ge nur wirst du erlesen,
Gnadenborn, hilf mir vom Bösen.

Denk, o frommer Gott, in Gnaden,
Dass auf dich die Schuld geladen!
Lass mir jenen Tag nicht schaden!

Du hast mich gesucht von Herzen,
Mich am Kreuz erlöst von Schmerzen,
Lass solch Heil mich nie verscherzen!

Richter, der du Recht wirst sprechen,
Gott, erlass mir die Verbrechen,
Eh‘ der Tag kommt, sie zu rächen!

Strafbar seufz‘ ich auf mit Bangen,
Schuld, sie röthet meine Wangen,
Lass mein Flehen Gnad‘ erlangen!

Der du schuldfrei sprachst Marien,
Der dem Schächer du verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Darf ich fleh’n? Bin ich dir theuer?
Sei barmherzig, o du Treuer,
Rette mich vom ew’gen Feuer!

Zu den Schafen, Jesu, stelle
Mich zur Rechten, Gnadenquelle,
Fern den Böcken, fern der Hölle!

Wenn die ew’ger Qual Geweihten
Heulend hin zum Abgrund schreiten,
Nimm mich zu den Benedeyten.

Tief gebeugt im Staube, wende
Ich zu dir mein Herz: O spende
Mir, mein Gott, ein selig Ende.

O du Tag, wo Tausend weinen,
Die aus ihrem Grab‘ erscheinen
Vor dem ernsten Richterthrone,
Schon, Gott, sie schone, schone!

Frommer Jesu, lasse du
Eingehn sie zu deiner Ruh!

Johann Christoph von Zabuesnig – Dies Irae

Tag der strengsten Rechenschaft,
Der die Welt mit Feuer straft!
David und Sibylle zeugen.

Wer ist, den nicht Schrecken quält,
Kommt der Richert, alle Welt
Unter sein Gericht zu beugen?

Laut wird der Posaunen Stoss
Aus der fernsten Gräber Schooss
Vor den Thron die Menschen sammeln.

Tod wird staunen und Natur:
Die beklagte Creatur
Wird beschämt die Antwort stammeln.

Aufgeschlagen liegt das Buch;
Schon sind nach gerechtem Spruch
Ausgezeichnet die Verbrecher.

Der Gerichtshof ist bestellt,
Das Geheimste aufgehellt,
Böses findet seinen Rächer.

Aermster, was beginne ich?
Welcher Freund vertheidigt mich,
Wenn schon der Gerechte zittert?

König höchster Majestät,
Rette den, der zu dir fleht!
Sei barmherzig, nicht erbittert.

Da du, Jesus, als du kamst,
Mich zu retten auf dich nahmst,
Schone mein an jenem Tage!

Mühsam hast du mich gesucht,
Nicht verloren sei die Frucht
Deines Tod’s und deiner Plage!

Strenger Rächer aller Schuld,
Lass mich fühlen deine Huld,
Eh‘ der Rechtstag wird beginnen!

Meine Frevel leugn‘ ich nicht,
Scham bedecket mein Gesicht,
Lass Vergebung mich gewinnen!

Magdalena sprichst du frei,
Hörst des Schächers Angstgeschrei,
Giebst mir Hoffnung zu erkennen.

Ohne Werth ist mein Gebet,
Doch wenn’s um Erbarmung fleht,
Lass mich dort nicht ewig brennen!

Herr, bestimme meinen Stand
Nicht bei Böcken linker Hand,
Nein, bei Schafen, dir zur Rechten.

Fällt auch ohne Widerspruch
Auf Verdammte schwerer Fluch,
Ruf‘ mich unter die Gerechten.

Grosser Sünden mir bewusst,
Schlag‘ ich reu’voll an die Brust,
Lass versöhnen dich hienieden!

Wenn der Thränentag sich zeigt,
Wo der Mensch dem Grab‘ entsteigt,
Vor dein Strafgericht beschieden;

Herr! vergieb, was ich verbrach,
Sieh mir meine Sünden nach!
JEsus, gieb uns deinen Frieden!

Adalbert – Dies Irae

Einst, ja einst des Zornes Wille
Tilgt die Welt in Flammenfülle,
David zeugt’s und die Sibylle.

Wie wird Schrecken uns vernichten,
Wann der Richter kommt zu richten
Strenge unser ganzes Tichten!

Die Posaun‘ im Schreckenstone
Schallend durch die Grabeszone
Sammelt alle hin zum Throne.

Staunen werden Tod und Leben,
Wenn der Mensch sich wird erheben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben.

Und das Buch wird aufgeschlagen,
Worin alles eingetragen,
Um die Welt d’raus anzuklagen.

Wann der Richtstuhl aufgerichtet,
Wird, was dunkel ist, gelichtet
und Nichts bleiben ungerichtet.

Wie werd‘ ich da sein voll Wehen!
Wessen Schutz soll ich erflehen,
Da Gerechte kaum bestehen?

König, Majestätsverkünder,
Der erlösest du die Sünder,
Ach, erlös‘ mich, Liebesgründer!

Denke, JEsu, mein in Gnade,
Da ich Ziel bin deinem Pfade,
Dass mir jener Tag nicht schade!

Sieh, am Kreuz mir zugewendet
Hast die Knechtschaft du geendet;
Solch ein Leid sei nicht verschwendet!

Richter der Vergeltung! Sende
Gnade mir, und Langmut spende
Vor der Tage letztem Ende!

Wie ein Sünder seufz‘ ich bange,
Und die Schuld färbt meine Wange,
Gnade, Gott, in meinem Drange!

Der Marien du Trost gewähret,
Und den Schächer selbst erhöret,
Hast auch Hoffnung mir bescheret.

Unwert zwar ist all‘ mein Flehen,
Doch du lässt mich nicht vergehen
In des ew’gen Feuers Wehen.

Zu den Schafen, den Gerechten,
Fern de Böcken, jenen Schlechten,
Stelle mich zu deiner Rechten!

Wenn sie, die vermaledeiet,
Sind der Flammenwut geweihet,
Heiße mich gebenedeiet!

Flehend zu dir hingekehret,
Wie zu Staub das Herz verzehret,
Sei mir sanft mein Tod bescheret!

Jenen Tag voll Tränenbeben,
Da aus Asche sich erheben
Zum Gericht wird der Sünder:
Gott dann schone sein nicht minder!

Frommer Jesu, Herre du,
Schenke ihnen ew’ge Ruh!

Bunsen, Christian Carl Josias – Dies Irae

Tag des Zorns, o Tag voll Grauen,
Da die Welt den Herrn soll schauen,
Nach dem Wort, dem wir vertrauen!

Zittern in der Erde Gründen
Wir des Richters Nah’n verkünden,
Der die Herzen will ergründen.

Wunderbar Posaunenhallen
Wird durch jedes grab erschallen,
Auf zum Throne! rufend Allen.

Erd‘ und Tod wird seh’n mit Beben
Das Geschöpf der Gruft entschweben,
Antwort seinem Herrn zu geben.

Und ein Buch wird sich entfalten,
D’rin die Schuld der Welt enthalten,
Ueber die Gericht zu halten.

Wenn er nun sitzt auf dem Throne,
Kommt alsbald vor Gottes Sohne
Alles zu verdientem Lohne.

Was soll dann ich Armer sagen?
Wer mich zu vertreten wagen,
Wo selbst die Gerechten zagen?

Furchtbar hoch erhab’ner König,
Quell der Liebe, Heiland gnädig,
Mach‘ du mich der Sünden ledig.

Jesu, deiner Lieb‘ gedenke,
Dass du für mich kamst, bedenke,
Darum einst mir Gnade schenke.

Bist voll Schmerz mich suchen gangen,
Hast für mich am Kreuz gehangen,
Nicht umsonst sei Tod und Bangen!

Richter der gerechten Rache!
Deiner Huld mich theilhaft mache,
Eh‘ der Tag des Zorns erwache!

Gleich Verworf’nen fühl ich Bangen,
Schuld macht glühen meine Wangen,
Mein Gebet lass Gnad‘ erlangen!

Du, der lossprach einst Marien,
Und dem Schächer hast verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Gar unwürdig ist mein Flehen,
Lass du, Heiland, Gnad‘ mich sehen,
Nicht in’s ew’ge Feuer gehen!

Von den Böcken woll’st mich scheiden,
Zu den Schafen mich geleiten,
Stell’n zu deiner rechten Seiten!

Ruf‘ wenn in die ew’gen Flammen
Sinken, die du willst verdammen,
Mit den Deinen mich zusammen!

Sieh“ nach dir streck‘ ich die Hände,
Zum Zerknirschten, Herr, dich wende,
O gieb mir ein sel’ges Ende!

Tag voll Thränen, wo mit Grauen
Gott die Creatur will schauen,
Auferstehend aus dem Grabe!
Nimm die Schuld, Herr, Allen abe!

Frommer Jesu, Heiland du,
Schenke All’n die ew’ge Ruh!

Hohlfeldt – Dies Irae

Tag des Zornes, wo entzündet
Diese Welt zu Asche schwindet,
Wie die Lehre uns verkündet.

Welch ein Zittern, welch ein Zagen,
Wenn des Todtenrichters Fragen
Streng erforschen alle Klagen!

Mächtig, mit Posaunentone,
Schallt’s aus Gräbern jeder Zone,
Rufend Alle zu dem Throne.

Tod und Welt sieht dann mit Beben
Sich die Creatur erheben,
Und dem Richter Antwort geben.

Aufgethan vor jenem Lichte
Wird das Buch der Weltgeschichte
Vor dem ewigen Gerichte.

Wird der Richter also sitzen,
Dann wird Licht in’s Dunkle blitzen,
Nichts vor seiner Rache schützen.

Ach, was werd‘ ich Armer flehen?
Wen zum Retter mir ersehen,
Da Gerechte kaum bestehen?

Fürst auf schreckenvollem Throne!
Freie Gnade führt zum Lohne,
Quell der Huld, gieb mir die Krone!

Denk, o Jesu, der Beschwerden,
Die du trugst für mich auf Erden,
Lass mich nicht verloren werden.

//Strophe 10 fehlt im Original//

Richter mit gerechter Waage,
Sprich mich los von Schuld und Klage
Vor der Rechnung grossem Tage.

Seufzend fühl‘ ich mein Vergehen,
Muss erröthend vor dir stehen,
Hör‘ erbarmend, Gott, mein Flehen.

Der Mariens Schuld vergeben,
Liess den Schächer Gnad‘ erstreben,
Schenkt auch meiner Hoffnung Leben.

Unwerth, die mein Fleh’n zu weihen,
Kann nur, Heiland, dein Verzeihen
Mich von ew’ger Glut befreien.

Hin zu deinen Schafen leite,
Sondernd von des Abgrunds Beute,
Mich an deine rechte Seite!

Sinkt die Schaar von Satansknechten
Zu der Hölle Flammenmächten,
Ruf mich zu den Gerechten.

Betend tief im Staube wende
Ich zerknirscht zu dir die Hände,
Trage Sorge für mein Ende.

Thränentag, du wirst mit Schrecken
Einst des Sünders Asche wecken,
Vor des Richters Thron zu stehen;
Gnade lass vor Recht ergehen!

Jesu‘, milder König du,
Schenke ihm die ew’ge Ruh.

Schmedding, Johann Heinrich – Dies Irae

Jener Tag, den Zorn entzündet,
Da die Welt in Asche schwindet,
Ward prophetisch uns verkündet.

Welch ein Schrecken wird entstehen,
Wenn man aus des Himmels Höhen
Wird den Richter kommen sehen!

Die Posaune wird erklingen,
In die Todtengrüfte dringen,
Alle vor den Thron zu bringen.

Tod und Schöpfung werden beben,
Wenn, um Rechenschaft zu geben,
Die Entschlafnen sich erheben.

Sieh, ein Buch ist aufgeschlagen,
Da von Jedes Lebenstagen
Sind die Sünden eingetragen.

Alles wird zu Tage kommen,
Wann der Richter Sitz genommen,
Und der Ahndung nichts entkommen.

Was will dann ich Armer sagen?
Wen um Beistand will ich fragen,
Da beinah die Frommen zagen?

König auf dem Schreckensthrone!
Niemand hat ein Recht zum Lohne;
Quell der Gnaden, ach, verschone!

Milder Jesu, zu Gemüthe
Nimm die mir erzeigte Güte,
Die mich jenes Tag’s behüte.

Du bist auf die Welt gekommen,
Hast am Kreuz dein End‘ genommen,
So viel Liebe lass mir frommen.

Rächer der gerechten Sache,
Gnade gieb, eh‘ ich erwache
Zu dem Tage deiner Rache.

Sieh‘! ich seufze schuldbefangen,
Schamroth färbet mir die Wangen,
Lass mich Gnade, Gott, erlangen!

Da dem Schächer und Marien
Magdalenen du verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Zwar ist ohne Werth mein Flehen,
Doch aus Güte lass geschehen,
Dass der Höll‘ ich mög‘ entgehen.

Zu den Schäflein mich geselle,
Nicht mich zu den Böcken stelle,
Dort, an deines Thrones Schwelle.

Mit den Sel’gen mich zusammen
Führe, wann du zu den Flammen
Die Verruchten wirst verdammen.

Dir erheb‘ ich Herz und Hände,
Flehend ich zu dir mich wende,
Herr, verleih ein gutes Ende.

Jenen Tag, – er ist voll Jammer, –
Da aus seiner Todtenkammer
Wird der Schuldige erstehen:
Gott, lass Huld für Recht ergehen.

Milder Jesu, schenke du,
Ihnen, Herr, die ew’ge Ruh.
Amen.