unbekannter Verfasser (1821) – Dies Irae

Schreckenstag und Trauerstunde!
Da die Erd‘ im Feuerschlunde
Glühen wird nach Davids Munde.

Welches Zittern wird entstehen,
Wenn wir einst den Richter sehen,
Ungerührt von unserm Flehen!

Der Posaune Schall wird klingen,
Durch der Erde Gräber dringen,
Alle zum Gerichte zwingen.

Tod, Natur, ihr werdet beben,
Da, erweckt zum neuen Leben,
Rechenschaft der Mensch wird geben.

Gottes Buch wird aufgeschlagen,
Treu enthält es eingetragen
Jede That aus diesen Tagen.

Wenn der ernste Richter schlichtet,
Und der Herzen Dunkel lichtet,
Bleibt nichts Böses ungerichtet.

Was soll dann ich Sünder sagen,
Wenn auch die Gerechten zagen
Und den Richter kaum ertragen?

Herr, der du erhaben thronest,
Und aus Güte unser schonest,
Sieh‘ auf mich, wenn du belohnest!

Milder Jesus, denk‘ im Segen:
Ich war’s Ziel von deinen Wegen,
Viel war dir an mir gelegen.

Viel hast du für mich ertragen,
Bis man dich an’s Kreuz geschlagen,
Wirst du mir den Werth versagen?

Mit Versöhnungsblut besprenge,
Jesus, meiner Sünden Menge
Vor dem Tage deiner Strenge!

Röthe färbt des Schuld’gen Wangen,
Das Gewissen quält mich Bangen,
Lass, ach lass mich Gnad‘ erlangen!

Marien hast du entsündet,
Selbst dem Mörder Heil verkündet,
Und mein Hoffen fest begründet.

Doch was nützen meine Zähren?
Du nur kannst der Hölle wehren,
Dass mich Himmelsfreuden nähren.

Lass mich zu den Schafen gehen,
Nicht bei Böcken trostlos flehen,
Sondern dir zur Rechten stehen.

Wenn verflucht die Sünder fliehen,
Und zu ihrer Strafe ziehen,
Dann sprich: Dir ist Heil verliehen!

Meine Sünden sind mir leide,
Schmerz durchwühlt mein Eingeweide,
Schon, wenn ich von hinnen scheide!

Schreckenstag, an dem die Bangen
Aus der Gruft vor dich gelangen,
Nach Gebühre zu empfangen.

Dann verschone, Gott, verschone!
Jesus auf dem Richterthrone!
Dass im sel’gen Frieden wohne
Deine Christenschaar. Amen.