Zeller, Albert – Nur wer allein zum Herrn gefleht,

Nur wer allein zum Herrn gefleht,
Allein, als wenn in weiter Welt
Nicht Eine Seele zu ihm steht,
In Lieb und Andacht ihm gesellt,
Der hat die seligste der Stunden,
Hat wahrhaft Gott und sich gefunden.

Wohl ist es süß, wohl ist es traut,
Mit frommen Herzen beten gehn,
Zu zwei, zu drei, mit vielen laut
Des Herren Lob und Preis erhöhn;
Er will bei uns, bei Millionen,
In gleicher Gnadenfülle wohnen.

Doch das, was dir, nur dir allein
Aus seinem Vaterherzen gilt,
Draus deines Wesens tiefstem Sein
Durch alle Adern Leben quillt,
Das kann er dir im ganzen Leben
Allein, allein mit dir, nur geben.

Allein, ob Tausend bei dir sind,
Allein im stillsten Kämmerlein,
Das macht es nicht, mein liebes Kind,
Allein und immer nur allein;
Es ist so leicht, so schwer zu fassen,
Doch wers gefasst, kanns nimmer lassen.

Einsam ist nur, wer ihn nicht sucht
Und Andres außer ihm begehrt,
Wenn unser Herz in schwanker Flucht
Sich sehnend da- und dorthin kehrt;
Wem einen Augenblick entfallen,
Dass Gott der Treuste ist von Allen.

Allein mit Gott ist nie allein,
Ist herrlichstes Zusammengehn,
Der tiefste, innigste Verein
Mit seinem Liebsten ungesehn;
Allein mit Gott, heißt lieben, leben,
Das Höchste nehmen, Höchste geben!

Albert Zeller – Versinke nicht in deinen Kummer!

Versinke nicht in deinen Kummer!
Versenke ihn!
Sin tiefer Gram ist Traum und Schlummer,
Bestrickt den Sinn.

Wach auf zum Licht! richt auf zum Tage
Dein Angesicht!
Das Herz ist sich die größte Plage,
Das sich gebricht.

Bist du die Sonn, um die die Erde
Sich mühsam dreht,
Ein wahrhaft leidiger Gefährte
Dann mit dir geht.

So viel des Guten und der Schönen
Blüht weit und breit:
Lass dich mit dem Geschick versöhnen,
So lang es Zeit!

Füg dich dem Ganzen aufgeschlossen!
Nimm hin dein Teil,
Und wirke still und unverdrossen
Für Andrer Heil!

Wer gern verliert sein eignes Leben
In Lieb und Treu,
Dem wird es tausendfach gegeben
Und stündlich neu.

Drum frisch hinein, und lass dich tragen
Von Lebensflut!
Es gilt ein leichtes, mut’ges Wagen
Ums höchste Gut!

Albert Zeller – O sagt euch freundlich guten Tag,

O sagt euch freundlich guten Tag,
Umfasset euch mit warmen Händen!
Wer weiß, bis zu dem Abend mag
Das Blatt noch wunderbar sich wenden!

Noch sind die Sehnen stark und straff,
Ihr sonnet euch in Blütentagen,
Oft hängt am Abend welk und schlaff
Die Hand am Morgen ausgeschlagen.

O sagt euch freundlich gute Nacht,
Gebt euch den Bruderkuss, ihr Brüder!
Gar Mancher legt zum Todesschlaf
In seiner kurzen Ruh sich nieder.

Was euch entzweit, das seid nicht ihr,
Ihr könnet euch nur sehr und lieben;
So blickt euch an, es wird, es muss
Der Dämon in sein Nichts zerstieben.

Der Weg ist weit, den Menschen ziehn,
So sprecht: „Der Herr mög dich bewahren!“
Dem fremdsten Wandrer ruft man zu,
Er möge wohl und friedlich fahren.

Albert Zeller – Wohlauf und lasst uns singen

Wohlauf und lasst uns singen
Dem ewig treuen Gott,
Der und aus Satans Schlingen
Und seiner ganzen Rott
Mit starker Hand befreiet
Und nun erlöset hat
Und was verirrt, entzweiet,
Bracht in die ewge Stadt.

Vom Auf- zum Niedergange,
Von Mitternacht zum Meer,
Von Fesseln und vom Zwange
Erlöst ein ganzes Heer;
Das, was da war verschmachtet
In Wüsten voller Brand,
Zertreten und verachtet,
Erhöht zu neuem Stand!

Was hinter Eisengitter
Lag tief in Finsternis,
Was Sturm und Ungewitter
Zerschmettert und zerriss,
Dass sie gen Himmel fuhren
Und in des Abgrunds Schlund,
Jauchz auf den Friedensfluren
Mit dankerfüllten Mund!

Was wär aus uns geworden
Und unsrer Missetat?
Wir stunden an den Pforten
Des Grabes früh und spat;
Uns ekelte der Speise,
Die uns das Leben bot,
Wir riefen laut und leise
Nach dem Befreier Tod.

Du kamst und risst die Seele
Erbarmend aus dem Tod,
Gedachtest nicht der Fehle;
Das Aug, von Tränen rot,
Durft wieder aufwärts schauen
zu deinem Angesicht,
Sich weiden an den Auen
Des Lebens voller Licht.

Wie sollen wir vergelten,
Was du uns wohl getan?
Der Schatz von tausend Welten
Fing nicht zu tilgen an
Die Schulden ohne Maßen,
Und wir so arm und bloß,
Von aller Kraft verlassen,
Was wäre unser Los?

Doch, du, voll Huld und Gnaden,
Begehrst das Alles nicht,
Du tilgest unsern Schaden
Und aus ist das Gericht;
Willst keine andern Gaben,
Als unser ganzes Herz
Und was wir sind und haben,
Nicht Blut, noch Gold, noch Erz.

Drum auf zum Hochgesange
Du hocherlöstes Heer,
Vom Auf- zum Niedergange
Erbraus es wie ein Meer:
Hosianna in der Höhe
Dem Herrn der Herrlichkeit,
Den Menschen Wohl statt Wehe
Und Frieden weit und breit!

Albert Zeller – Wenn sich zwei Freunde von einander scheiden,

Wenn sich zwei Freunde von einander scheiden,
So sagen sie sich wohl ein gutes Wort,
Das sie als stiller Segen mög begleiten;
Jedweden freundlich hin an seinen Ort.
Du gehst von dannen manche ernste Stunde
Hat unsern Geist, hat unser Herz bewegt
Die große Frage und die große Kunde,
Was unser Sein im tiefsten Grunde hegt;
Und eh ein Kreis des Forschens war geschlossen,
War uns die Frist als wie im Nu verflossen.

Ein Kleines nur von seiner Weisheit Fülle
Hat uns der Ewige hier anvertraut,
Und unter bunter, tausendfacher Hülle
Die Welt der Wahrheit schonend aufgebaut.
Wie er das Auge schütte vor Erblindung
Vor seines irdschen Lichtes Überpracht,
Schirmt er den Geist und jegliche Empfindung
Und löset ihre Binde leicht und sacht,
Bis sie erstarkt und mählig sich gewöhnen
Ans volle Anschaun alles Wahren, Schönen.

Groß im Gewähren, größer im Versagen,
Erzieht er sich sein menschliches Geschlecht,
Und übet trotz der ungestümen Klagen
Fest und gelind sein hohes Vaterrecht,
Erschaffend Jeden für die eigne Weise,
Fortbildend, führend nach besondrem Plan,
Auf tausend Wegen bei der einen Reise
Zum gleichen Ziel, zur Seligkeit hinan;
Und jeder Wechsel, jede neue Wendung,
Sie dienen nur zu seines Plans Vollendung.

So nimm auch du dein Teil aus seinen Händen
Mit frohem Sinn und mit Genügen hin!
Reich ist der Herr an Liebe und an Spenden,
Und wer sich freut, der mehret den Gewinn,
Arbeitet mit am großen Gotteswerke,
Und seine Arbeit ist sein höchster Lohn,
Die Schwachheit selbst wird ihm zur neuen Stärke
Und alle bösen Zweifel sind entflohn:
Er wirkt, er ruht, in seinem Gott gegründet,
Im Einklang mit der ganzen Welt verbündet.

Albert Zeller – Willst du des Friedens Frucht genießen,

Willst du des Friedens Frucht genießen,
So trachte nach Zufriedenheit:
Nur sie allein kann uns versüßen
Des Lebens herbe Wirklichkeit.
Der Friede wächst aus ihrem Keime
Und steigt allmählig auf zum Licht,
Wie aus des Liedes erstem Reime
Des Sängers herrlichstes Gedicht.

Nimm hin, was dir dein Gott gegeben,
Was er dir nahm, in gleichem Sinn!
So schafft dein Dulden und dein Streben
Dir gleichen himmlischen Gewinn:
So lang wir fordern oder rechten
Mit Menschen oder Schicksalsgunst,
Ist unser Wollen Spiegelfechten
Und schwerer Träume eitler Dunst.

Frei will die höchste Liebe schalten,
Bleibt doch nur Liebe stets ihr Tun;
Wie sie dein Leben mag gestalten,
Du darfst in ihrem Schatten ruhn;
Sie strömt aus einem Vaterherzen,
Wie hier auf Erden keines schlägt;
Sie bleibt sich gleich in allen Schmerzen,
In Allem, was dein Herz bewegt.

Nur frei empfangen, frei erwidern,
Das ist ihr einziges Gebot,
Wie sie sich selber wollt erniedern
Zu jedem Dienste bis zum Tod:
So wird das ganze Leben lieben
Und ausgesüßet jedes Leid;
Was ist vom Leiden dann geblieben,
Als in dem Herren Fried und Freud?

Albert Zeller – Zum letztenmal, zum letztenmal!

Zum letztenmal, zum letztenmal!
Das ist das schwerste Wort,
Das uns in diesem Erdental
Begleitet fort und fort.

Zum letztenmal, zum letztenmal!
Wer sagt und weint es aus,
Des Herzens ganze Lust und Qual,
Die Wonne und den Graus?

Und gibt es denn ein Letztesmal?
Hat lieb und Treu ein End,
Wenn sich der Wege große Zahl
Auch auf ein Kleines trennt?

Von Einem her, zu Einem hin,
Zu Einem selgen Ziel,
Sie scheinen ja sich nur zu fliehn
Und dünken uns nur viel.

Wir schauen hier im dunkeln Wort,
Was ist und wird und war;
Geduld! Geduld! es wird ja dort
Bald Alles offenbar.

Wir trügens nicht das helle Licht,
Vergingen ganz und gar;
Doch was die Treue selbst verspricht,
Bleibt ewig fest und wahr.

Der erste Ring, das letzte Ding
Ruht in der gleichen Hand,
Wie Menschenwitz sich auch verfing,
In ewigem Bestand.

Wer hier sein Werk am Erdentag
Wie du in Treue schuf,
Hat fest gemacht, was kommen mag,
Den himmlischen Beruf.

Der letzten Dinge letzter Sinn,
Geboren in der Zeit,
Schließt sich im herrlichen Gewinn
Der ewgen Seligkeit.

Albert Zeller – Ich steh in Gottes Hand;

Ich steh in Gottes Hand;
Würd mich der Herr nicht tragen,
Ich läg in Nichts zerschlagen,
Ein Trümmer an des Lebens Strand.

Nun seh ich überall
Sein freundlich Antlitz leuchten,
Wie aus der Wellen feucht’n
Spiegeln die Sonne tausendmal.

Dumpf rauscht empor das Meer;
Vom Grund, auf dem sie ruhten,
Stiegen empor die Fluten,
Und rollen hoch und höher her.

Wer hat das Meer bewegt?
Wer hieß empor es wallen
und lässt es wieder fallen,
Wenn seine schwache Stunde schlägt?

O Herz, wie gleichest du
Den wandelbaren Wellen!
Zum Himmel willst du schwellen,
Dann kommt die Ebb‘ und tote Ruh.

Das hat der Herr vollbracht,
Der Herz und Meer beweget,
Der Wellen türmt und leget,
Mich sterblich und unsterblich macht.

Er lass zur Zeit der Flut
Nicht töricht mich vermessen,
Und in der Ebbe nie vergessen,
In welchem Born mein Leben ruht!

Albert Zeller – Wie gerne möcht ich Hütten bauen

Wie gerne möcht ich Hütten bauen,
Wo die Verklärung dich umstrahlt,
Und in dein Gottesantlitz schauen,
Wie es kein Wort, kein Zeuge malt,
Wo deine Heilgen aus den Toten
Anbetend feiernd um dich stehn,
Der nahenden Vollendung Boten,
Entzückt den Glanz die Jünger sehn!

Kurz war die Pracht, und eh sies dachten,
Schloss sich ihr Aug der Herrlichkeit
In schwachen menschlichen Umnachten,
Und wieder wallte weit und breit
Des irdschen Tages Sonnenflimmern
Um Fels und Wald, um Tal und Flur:
Von der Verklärung hohem Schimmern
Dahin die letzte lichte Spur.

Wie ist das Reich der selgen Geister
Dem Staubgeborenen so nah!
Sie sind bei dir, dem Herrn und Meister,
Und du bist heut und immer da;
Doch wenn in selgen Augenblicken
Der Vorhang unsichtbar sich hebt,
Und sich das Herz zum Schaun will schicken,
Sind wir von Wolken schnell umschwebt.

In solchem Fluten, solchem Schwanken,
Von Licht zu Nacht, von Nacht zu Licht,
Erglühn und dunkeln die Gedanken,
Die lichtesten ein Traumgesicht;
Da fasst den Kühnsten Angst und Grauen:
Wer sind wir, Herr? und wo bist du?
Wann lässt du uns dein Antlitz schauen,
Und schenkst für immer Fried und Ruh?

Wir möchten reden, müssen schweigen,
Kaum wissend, was wir selbst gesehn,
Und von den Bergen niedersteigen
Und in des Lebens Täler gehn.
Nicht feiern dürfen wir da droben
Im Anschaun solcher Herrlichkeit;
Hier unten müssen wir erproben,
Ob wir dir wirklich uns geweiht.

So willst dus Herr, der uns erschaffen,
Von Höhen uns zu Tiefen führt;
Uns übst in deines Lichtes Waffen,
In treuem Dienst, wie sichs gebührt;
Und, wenn die Dunkel uns umwallen,
Und uns entgeht der letzte Hort,
Aus lichten Wolken lässt erschallen
Dein trost- und friedereiches Wort.

Was uns in jenen selgen Stunden
Kam Unaussprechliches zu gut,
Im eignen Kampf, in Kreuz und Wunden
Wird es uns erst zu Fleisch und Blut:
Da wird die Ahnung zur Erkenntnis,
Dein Wort zur grünen Lebenssaat,
Frei, klar und offen das Bekenntnis,
Und aus der Sehnsucht Kraft und Tat.

Albert Zeller – Nur keinen guten Augenblick verscherzt!

Nur keinen guten Augenblick verscherzt!
Aus Augenblicken nur besteht das Leben:
Die Freude frisch und wonniglich geherzt,
Zur bösen Stunde dankbar und ergeben!
Auch tief verschleiert bleibt die Schönheit schön,
Und jeder Nebel muss zuletzt vergehn.

Lebwohl! Lebwohl! wann tut nicht Scheiden weh?
Ein bittrer Leid gibt es ja nicht hienieden;
Doch hat das Scheiden ohne Meiden je
Die Liebe selbst und Liebende geschieden?
Nein, höher nur und herrlicher entflammt
Das Feuer, das aus Gottes Herzen stammt.

Lebwohl! Lebwohl! Hinauf, hinausgeschaut!
Das Leben rauscht dahin wie eine Welle;
Wohl dem, der auf die Ewigkeit gebaut,
In Gottes Herzen hat die rechte Stelle!
In seiner liebe bleiben wir vereint,
Ob hier, ob dort uns seine Sonne scheint.