Albert Zeller – Wo anders als zu Jesu Füßen

Wo anders als zu Jesu Füßen,
Wo anders als in seiner Schar
Sucht dich mein Sehnen und mein Grüßen,
Find ich es wieder wie es war?

Ich kenn dich nicht mehr nach dem Fleische
Und nach der irdischen Gestalt,
Und was ich hoffe, was ich Heische,
Dient einer himmlischen Gewalt.

Ich sah dich blühen und vergehen,
Und in die dunkle Gruft gesenkt;
Und wie du solltest auferstehen,
Zu ahnen ist mirs nicht geschenkt.

Das Weizenkorn fällt in die Erde,
Der Leib verwest, wie ihm gehört;
Mehr als ich ahnte und begehrte,
Wird dennoch dir und mir beschert.

Es ist der Leib der Offenbarung,
Wenn Gottes Ratschluss sich erfüllt,
Der deinen Geist zu heilger Wahrung
Mit Kraft durchdringt, mit Licht umhüllt.

„Noch heute,“ sprach im Tod der Meister,
„Sollst du im Paradiese sein;“
Wir kennen nicht die Zeit der Geister,
Und dringen nur im Glauben ein.

Das aber dürfen wir erfahren,
Dass unser Herr und Heiland lebt,
Und über unsern Totenbahren
Sein Auferstehungsbanner schwebt;

Dass er vor uns mit Geistesschritten
In tausend Liebesweisen geht,
Und in dem Bund der Treuen mitten
Als König der Versieglung steht.

Und wie am reichsten Gottes Segen
Schon hier aus Menschenherzen quillt,
Und seine Liebe allerwegen
Durch Brüder unser Sehnen stillt:

So hat er vor des Thrones Stufen
Zu höhrem Werke sie geweiht,
Und seine Seligen berufen
Zu Dienern seiner Seligkeit.

Dein Kommen war so sanft und leise,
So ungesehn und wunderbar;
So recht nach selger Geister Weise,
Und meinem Herzen dennoch klar.

Möcht ich nur immer stiller, freier
Dich lieben, wie du jetzt mich liebst, .
Und schon in der Vollendung Feier
Dich selber mir zu lieben gibst!

Dass ich mit dir mich froh bereite,
Wie du mich jetzt schon weihst und zierst,
Bis du mich einst mit Himmelsfreude
In deine ewge Hütte führst.

Albert Zeller – Die steilsten Wege musst allein du gehn

Die steilsten Wege musst allein du gehn,
Ob du allein, ob Tausend um dich stehn.
Die liebsten Freunde ziehen von uns fort,
Sei es für immer, seis von Ort zu Ort.
Der letzte Liebesruf, der dir erscholl,
Was ist er, als das letzte Lebewohl?
Doch klingt er dir in tiefster Tiefe nach,
Wenn schon dein Aug für diese Sonne brach;
Die Treusten stehn am Ufer festgebannt,
Dein Schifflein schwebt zum unsichtbaren Land.
Es brennt ihr Herz voll lieb und Traurigkeit;
Wie gerne gäben sie dir das Geleit!
Wohin du jetzt gehst, können sie nicht gehn:
Wann werden sie dein Antlitz wiedersehn?
Wer hat mit deinem Heiland einst gewacht
In seiner schwersten, längsten Leidensnacht,
Als er gerungen mit dem tiefsten Weh
Dort in dem Garten zu Gethsemane?
Wer starb mit ihm, als er am Kreuze hing
Und in den Tod für seine Brüder ging?
Allein hat er den letzten Gang gemacht,
Allein den Kampf, allein sein Werk vollbracht.
O selger Trost! Wer ist nun noch allein
In jeder Lebens-, jener Sterbenspein?
Er hats durchlebt bis in den tiefsten Grund;
Erbebend sprach es sein erbleichter Mund:
„Allein, verlassen, o mein Gott, mein Gott!“
Die Freunde stumm und laut der Feinde Rott!
Kein Menschenherz, das liebste nicht gewährt,
Was all dein Sehnen fort und fort begehrt;
Nur Gott allein füllt eine Seele aus,
Im Himmel nur bist gänzlich du zu Haus!

Albert Zeller – Klopft ich noch einmal an

Klopft ich noch einmal an
Von meines Elends Gassen,
Dass du nicht aufgetan,
Wenn Alles mich verlassen?
Hast du nicht tausendmal
Mich selbst hereingerufen,
Wenn ich voll Scheu und Qual
Stand an des Hauses Stufen?

Und trat ich ein bei dir,
Wie hast du mich empfangen,
Als hättest du nach mir,
Nicht ich nach dir Verlangen;
Als hätt ich dir ein Gut,
Ein köstliches, zu bringen,
Dir Herr, in dessen Hut
Der Schatz von allen Dingen!

Du heißt die schwere Last
Mich von den Schultern nehmen,
Wie einen lieben Gast
Mich häuslich zu bequemen;
Sprichst mir so freundlich zu.
Verbindest meine Wunden,
Und lässt in süßer Ruh
Das kranke Herz gesunden.

Du zeigst mir sanft und klar,
Wo ich bin irr gegangen,
Und wo mein Auge war
Von Schein und Trug umfangen;
Lehrst wieder mich mit Fleiß
Des rechten Weges Zeichen,
Dass ich nun besser weiß,
Mein Ziel noch zu erreichen.

Du weißt, wie Leiden tut,
Und hasts für mich erfahren;
Heißt mich, den guten Mut
Erhöhen und bewahren;
Gespeist, getränkt und stark
Greif ich zum Wanderstabe,
Und fühle bis ins Mark,
Was ich empfangen habe.

Manch unaussprechlich Wort
Hab ich von dir vernommen,
Und darf an jedem Ort
Und allzeit wieder kommen,
Wenn meine Kraft versiegt,
Und meine Knie wanken,
Und wenn die Seele fliegt
Zum Jubel und zum Danken.

Könnt ich nur aller Welt
Und jedem Wandrer sagen,
Dem es so sehr missfällt
Hier in der Wallfahrt Tagen,
Was solche Einkehr heißt,
Wie sie den Sinn erquicket,
Wenn sich nur Herz und Geist
In ihre Wohlfahrt schicket!

Einst kommt ein selger Tag,
Da darf ich wohnen bleiben;
Nichts in der Welt vermag
Mich ferner zu vertreiben.
O Gott! wie wird das sein
Ein Jubel ohne Ende:
Ach siehe gnädig drein,
Vollende, Herr, vollende!

Albert Zeller – Das Größte, was du Herr an mir getan

Das Größte, was du Herr an mir getan,
War, dass du nahmst, die du mir einst gegeben,
Dass ich im Nehmen durfte dich empfahn,
Im Tode selbst das lebensvollste Leben.

Wohl saß ich früh zu deiner Boten Fuß,
Und lauschte froh der wundervollen Mähre,
Dass dieses Leben nur der Morgengruß
Aus deiner Ewigkeiten Fülle wäre.

Wohl sagte mir des eignen Herzens Schlag,
Durchzückend mich mit einer heilgen Ahnung,
Dass dieses Sein sei nur der erste Tag
Des ganzen Seins und Alles seine Mahnung.

Ich sah und hörte früh der Erde Not,
Und glaubte fest an deine hohe Sendung,
An deiner Liebe schöpfungsreichen Tod,
Und unsres Jammers gnadenvolle Wendung.

Ich eilte hin am heilgen Ostertag
Zu deinem Grab mit Marie Magdalenen,
Wie noch die Welt in tiefem Schlummer lag,
Und was ich sah, ging über all mein Sehnen.

Ich sah dich kommen und dann wieder gehn
In deines Leibes himmlischer Verklärung
Und alle Toten mit dir auferstehn,
Und meiner tiefsten Fragen Vollgewährung.

Ich sah dir nach, wie du zum Himmel gingst,
Der dich zu unsrem ewgen Heil gesendet,
Und deines Vaters Gotteslohn empfingst,
Nachdem du hier sein großes Werk vollendet:

Und glaubte tief mich selber eingeweiht
In deines Lebens wundervollen Segen,
Und mich von aller Angst und Not befreit,
Und hörte deinen Gruß auf allen Wegen.

Doch als ich sah mich selbst ins Grab gesenkt
In ihr, die mir als eignes Ich gegeben,
Da fühlt ich erst, was uns in dir geschenkt,
In deinem Sterben, wie in deinem Leben.

Und wie das Schwert durch meine Seele ging,
Drang erst dein Wort mit ganzer Kraft zum Herzen,
Und unter namenlosem Weh empfing
Mein Geist die Taufe deiner Todesschmerzen.

Dein Ruf war stärker als mein Angstgeschrei;
Die Erde wollte unter mir sich spalten;
Und vor dem Heiligtume riss entzwei
Der Vorhang, der mein Auge noch gehalten.

Und dein und meiner ward ich nun gewiss,
Wie ich es nie zuvor war je gewesen,
Und schloss sich auch vor meinem Aug der Riss,
Ich hatte in dem deinigen gelesen.

Und Blick und Herz und Anker blieb zurück
In deines Tempels heiliger Bewahrung,
Und meines Lebens Licht und Trost und Glück
Ist dieser Stunde selge Offenbarung.

Albert Zeller – Meine Herde will ich weiden

„Meine Herde will ich weiden“
Hast du Herr zu uns gesprochen,
Und du hast zu keinen Zeiten
Je dein heilig Wort gebrochen.
Wie ein treuer Hirte gehet,
Willst du gehn mit deinen Schafen,
Der zu ihren Seiten stehet,
Ob sie wachen, ob sie schlafen.

Und die Lämmer willst du sammeln
In den starken Liebesarmen;
Wenn sie ihre Wünsche stammeln,
Herzlich ihrer dich erbarmen;
Willst sie in dem Busen tragen
Die Verlassenen, die Kleinen;
Wenn sie um die Mütter klagen,
Sie in deinem Schoß vereinen.

Und die Mütter willst du führen
Als der ewig treue Hirte,
Jung und Alt, und milde rühren,
Was sich nur von dir verirrte;

Locken, rufen, heilen, pflegen,
Was sie mögen nur bedürfen,
Dass sie aus dem Quell voll Segen
Stündlich neue Labung schlürfen.

Guter Hirte sonder Gleichen
Sollten wir dir nicht vertrauen?
Willst du uns doch Alles reichen
Gern auf deines Lebens Auen:
Ja, in deine treuen Hände,
Seien Alle wir empfohlen,
Und zu deiner Wege Ende
Wirst du Lämmer, Mütter holen.

Albert Zeller – Und immer neue Kränze leg ich auf dein Grab

Und immer neue Kränze leg ich auf dein Grab,
Ein still Gedächtnis einzig schöner Jahre;
Hängt doch ein ganzer Frühling rings herab;
Ein Kranz ist fertig, eh ich es gewahre.

Wie weit vom Ufer steuert schon das Schiff,
Seitdem ich dich zum letztenmal gesehen;
Wie gings vorbei an manchem Felsenriff,
Wie wohl und weh ist mir indes geschehen!

Wie manche Blüte ward indessen Frucht
Mein Herz und Auge wonniglich entzückend!
Wie manche Knospe in der Tage Flucht
Zur holden Blume, innig mich beglückend!

Und wie viel Keime schlummern noch im Schoß
Des Werdens still und ahnungsreich verborgen!
Und ringen sich allmählig schwellend los
Zu einem frischen wundervollen Morgen!

Wie mancher Stunde überreiches Glück
Ward nur im Flug des Augenblicks genossen;
Wie schau ich dankbar sinnend nun zurück,
Und zähl die Schätze, die es eingeschlossen!

So bin ich arm und reicher als ich war,
Mein Glück und meines Leides Heil bedenkend,
Und meine Seele innig, still und klar
Ins Meer der Liebe bis zum Grund versenkend.

Verschwunden sind im blauen Himmelsschein
Des Kirchhofs enge schmerzerfüllte Mauern;
Ich schaue Leben, Werden, frohes Sein,
Zum Jubel wird das tränenreiche Trauern.

Und nah und immer näher leuchten mir
Die Berge Gottes, die mir Hilfe bringen:
Bei solchem Anschaun solcher Festeszier
Könnt ich am Grabe Hochzeitlieder singen.

Albert Zeller – Entwöhnen ist des Menschen ernstes Los

Entwöhnen ist des Menschen ernstes Los,
Gewöhnen und dann wiederum entwöhnen
Vom ersten Scheiden aus der Mutter Schoß
Bis zu dem letzten schmerzenreichen Stöhnen.

Am reinsten Duell der zarten Mutterbrust
Trinkt er des Lebens erste süße Züge;
Beschlossen scheint im engsten Kreis der Lust
All sein Verlangen bis zur Vollgenüge.

Hebt er den Blick, so ists zum Mutterblick;
In ihm liegt seine ganze Welt geborgen,
Sein jetziges, sein kommendes Geschick;
In ihm erwacht, entschläft er ohne Sorgen.

Kurz ist sein Glück, ihn trifft der zweite Schmerz,
Das zweite schon bewusstre Scheiden;
Wohl schließt die Mutter ihn noch fest ans Herz;
Doch muss er seine Lebensquelle meiden.

Er weint, er fleht, ach, einmal muss es sein;
Er sieht ihr Aug in hellen Tränen flimmern;
Sie drückt ihn an die Brust in süßer Pein,
Und darf nicht hören auf sein leises Wimmern.

Doch bald verschmerzt ist all sein Herzeleid,
Und neue Freude quillt ihm reich entgegen;
Blau ist der Himmel und die Erde weit,
Und Lust und Leben spielt auf allen Wegen.

Da fasst ihn neues und noch tiefres Weh;
Er muss das liebe Vaterhaus verlassen
Voll Angst und Not, wohin es mit ihm geh,
Und einsam ziehen unbekannte Straßen.

Doch neue Bande weben sich um ihn,
Und schlingen ihn in ihre engen Kreise;
Er möchte weilen, möchte vorwärts ziehn,
Und tausend Stimmen locken laut und leise.

Und immer heißer und gewaltger fasst
Ihn Lust und Leid mit allen seinen Sinnen;
Er seufzt und stöhnt und wähnt in jeder Last
Ein goldnes Kleinod siegreich zu gewinnen.

Wie einem Wandrer in der Wüste Glut
Am Horizont die klarsten Ströme fließen,
Und wenn er ihn erreicht und kraftlos ruht,
Die schönen Bilder in ein Nichts zerfließen;

Und, wenn er wirklich eine Quelle fand
Im fühlen Schatten fruchtbeladner Bäume,
Fort muss er wieder; denn kein Heimatland
Gibt es hienieden für die holden Träume.

Das Liebste kommt, das Liebste geht und stirbt,
Und wollt er tausendmal es fest auch halten;
Und Frucht und Blüte welket und verdirbt,
Und jeder Jugend drohet ein Veralten.

Was ihn gelockt und was ihn hoch entzückt
In Duft und Farben, Bildern, Worten, Tönen,
Es wird ihm weit und immer mehr entrückt;
Er fühlts, er muss der Erde sich entwöhnen.

Da greift er tiefer in die eigne Brust,
Und sieht die Fremdling daft in allen Dingen;
Er ist sich eines andern Ziels bewusst,
Und will und muss nach Glück und Frieden ringen.

Der bunte Schein der ganzen Sichtbarkeit
Verschwindet wie ein lichter Nebelschleier;
Er steht erstaunt vor einer Ewigkeit,
Und fasst sein Herz in ernster stiller Feier.

Zerrissen ist das schöne Zaubernetz,
Das ihm bis jetzt die ganze Welt gehalten;
Dafür sieht er ein göttliches Gesetz
In Sein und Werden und Vergehen walten:

Und einen Willen, stärker als die Welt,
Und eine Weisheit, die nicht zu ergründen,
Und eine Liebe, die ihn sicher hält
Hoch über der Vernichtung dunklen Schlünden.

So ringt er sich in Kampf und Schmerz und Not
Empor aus seiner düsteren Umnachtung,
Und schließt den Kreis vom Leben bis zum Tod
In einer tiefen seligen Betrachtung.

Albert Zeller – Ist dirs wieder, wie den Zwein

Ist dirs wieder, wie den Zwein,
Die nach Emmaus gegangen,
Herz und Aug voll stummer Pein,
Kummer, Sehnsucht und Verlangen,
Und du wähnst in deiner Not
Deinen Heiland wieder tot?

Ach wie kurz ist Menschensinn!
Was du tausendmal erfahren,
Deinen seligsten Gewinn
Kannst du nicht einmal bewahren,
Und wie Wind und Woge geht,
Ist dein Glaube auch verweht.

Hat er nicht in jeder Qual
Wie ein Freund mit dir gesprochen,
Und bei jedem Segensmahl
Unsichtbar das Brot gebrochen?
Und du hast ihn doch verkannt,
Wie dir auch dein Herz gebrannt.

Alle Morgen weckt er dich,
Seine Wahrheit neu zu hören;
Und du lässt so williglich
Dich von Lug und Trug betören:
Hättest du ihm still gelauscht,
Wär sein Wort dir nicht verrauscht.

Hast du dich nicht oft von früh
Bis zur Mitternacht besonnen,
Und mit Sorgen und mit Müh
Endlich auch dein Werk begonnen?
Und, wenn du es recht besehn,
War es wie von selbst geschehn!

Und du willst noch Wunder sehn,
Dass du mögest an ihn glauben?
Flammen sollen vor dir gehn,
Engel dir die Zweifel rauben,
Und du glaubst, er wolle ruhn,
Weil so stille ist sein Tun?

Deine Zeit ist allezeit;
Drum, wenn es will Abend werden,
Bist du auch so bald bereit,
Dich voll Ängsten zu gebärden. –
Wär dein Tag mit ihm vollbracht,
Schreckte dich auch keine Nacht.

Bleibt er dir doch immer nah,
Sieht auch dein geheimstes Trauern,
Und auf einmal ist er da
Durch die Riegel, durch die Mauern,
Tritt zu dir in lichtem Schein
Mit dem Friedensgruß herein.

Und er nimmt dich bei der Hand,
Legt sie sanft in seine Wunden,
Und du hast ihn froh erkannt,
Seine Liebe neu empfunden,
Rufst getrost und wieder heil:
Herr, mein Gott, mein ewig Teil!

Albert Zeller – Ich hab mein Guts empfangen

Ich hab mein Guts empfangen
In dieser schönen Welt;
Was kann ich mehr verlangen,
Wenn Gott es nicht gefällt?
Drum geb ich Herz und Leben
Ihm auch mit Freuden hin;
Er wird mir alles geben,
Wes ich bedürftig bin.

Ein Kindlein, nackt, mit Weinen
Hab ich das Licht erblickt,
Und doch hat zu den Meinen
Der Herr mich einst geschickt,
Die meiner freudig harrten,
Mir selbst noch unbewusst,
Und mich, den Schwachen, Zarten,
Gelegt an Mutterbrust.

Wie war ich still geborgen
In treuster Liebe Schoß!
Und unter ihren Sorgen,
Da wuchs ich fröhlich groß;
Ich habe reich empfangen
Der Liebe beste Kost,
Gefühlt in Leid und Bangen
Den süßen Muttertrost.

Und weiter, immer weiter
Erschloss sich Herz und Blick;
Die Liebe zum Begleiter,
So folgt ich dem Geschick;
Und was nur durchs Gemüte
Als selge Ahnung geht,
Das gab mir Gottes Güte
Oft, eh ich drum gefleht.

Nun, da ich reich gesammelt
Und Alles wohl bedacht,
Mein Mund ihm dankbar stammelt,
Nimmt er mirs über Nacht.
Dahin ist meine Freude,
Des Lebens hellster Schein,
Die süße Augenweide –
Und ich, ich bin allein.

Hab ich umsonst empfangen?
Ward ich umsonst geliebt?
Nein! davor würd mir bangen;
Wer so viel gab, der gibt
Noch mehr in seinem Nehmen:
Sollt ich vergesslich sein?
Des müsst ich mich ja schämen
In aller meiner Pein.

Ich habe Nichts zu fodern,
Doch Alles er von mir:
Drum soll mein Dank auch lodern
In heller Flamme Zier.
Der Liebe schönste Gabe
Bleibt mir zum Unterpfand,
Und Alles, was ich habe,
Ihr ewig zugewandt.

Sie wird mich nicht verlassen,
Weil ich verwaiset bin;
Nur treuer will ich fassen
Sie ganz in meinen Sinn;
Und wird der Tag erscheinen,
Da ich vollendet bin,
Dann führt sie zu den Meinen
Mich wiederum dahin.

Ich weiß nicht Weg und Stege;
Das kümmert mich nicht sehr:
Wenn ich es überlege,
Macht es mir einst Beschwer?
Er, der mich hier die Meinen
So sicher finden ließ,
Weiß uns auch zu vereinen
In seinem Paradies.

Albert Zeller – Warum zagst du Menschenkind?

Warum zagst du Menschenkind?
Warum dieses tiefe Bangen?
Mitten in dem Tode sind
Wir von Leben noch umfangen:
Ist denn auch ein Ungefähr,
Wo der Herr nicht selber wär?

Tod und Leben sind nicht Zwei;
Sterben ist dein ganzes Leben;
Siehst du gleich in bunter Reih
Anders es vorüber schweben;
Und allein der letzte Tod
Endet auch die letzte Not.

Welch ein Trost ist dir bereit
In des letzten Kampfes Nöten,
Wenn dein Mund Erbarmung schreit!
Gott allein vermag zu töten;
Keine andre Kreatur,
Er, dein Schöpfer, kann es nur.

Gottes Odem, Erdenstaub,
Wunderbar in Eins verschlungen,
Liebe Seele hoff und glaub!
Jetzo heißts nur losgerungen,
Staub zu Staub und Geist zu Geist,
Wenn das enge Band zerreißt!

Muss es denn gestorben sei
Von der Hand der Liebe sterben
Nenn ich in der höchsten Pein
Keinen Fluch und kein Verderben;
Blick ihr fest ins Angesicht,
Bis dein Herz und Auge bricht!

Wüsstest du und fühltest du,
Wie die treuste Liebe liebet,
O! wie gern gingst du zur Ruh,
Wenn sie dich genug geübet;
Schliefest still und zweifellos
Ein in deines Vaters Schoß.

Ja so ists! und, der es sagt,
Er hat selbst, wie du, gerungen;
Hat, wie du, geseufzt, gezagt,
Von des Todes Macht bezwungen,
Und geschmeckt die Bitterkeit
Bis zur Gottverlassenheit.

Er, dem Erd und Himmel dient,
Hat aus Liebe dies erduldet,
Und erbarmend ausgesühnt,
Was du armer Mensch verschuldet:
Und es schirmt der Gnade Schild
Selbst im Tod sein Ebenbild.

Du in ihm, und er in dir,
Welche Macht kann da dich schrecken?
Nun so darfst du für und für
Dich mit seiner Allmacht decken:
Erd und Himmel wird vergehn,
Deinen Heiland wirst du sehn.