Recke, Elisabeth von der – Das Glück und die Art zu beten.

Wann ich vor meinen Schöpfer trete,
Und hier in heilger Einsamkeit
Zu ihm aus voller Seele bete,
Was fühl ich da für Seligkeit!
Ganz werd ich Geist, und alles flieht,
Was mich zur Erde niederzieht.

Dann lach ich jener falschen Freuden,
Durch die, in ihrer Flitterpracht,
Die Menschen, die sich drun beneiden,
Die Welt zu ihren Sklaven macht;
Und fühle: Gott gefällig sein,
Das, das ist wahre Freud‘ allein.

Dann weichen auch die schwersten Sorgen,
Das bängste Leiden, das mich drückt;
Ich weiß, sie sind dem nicht verborgen,
Der in des Herzens Tiefen blickt.
Der Gutes seinen Kindern gibt,
Bleibt Vater, wann er sie betrübt.

Ja, das Gebet gibt Kraft im Leiden,
Erhöht zur Tugend unsern Geist,
Und hilft uns alles alles meiden,
Was uns der Tugend sonst entreißt;
Nur müssen unsre Bitten rein
Und eines Christen würdig sein.

Drum bitt‘ ich nicht in meinen Leiden:
„O Vater! nimm du sie von mir!“
Auch bitte ich nicht in meinen Freuden;
Erhalte, Schöpfer, diese mir!
Nur um ein Gott ergebnes Herz
Bet‘ ich in Freuden und im Schmerz.