Hermann, Nikolaus – Die Passion unsers Herrn Jesu Christi.

Im Ton: Kommt her zu mir, spricht rc.
Oder: Ich hab mein Sach zu Gott gestellt.

Da der Herr Christ zu Tische saß,
Zuletzt das Osterlämmlein ab,
Und wollt von hinnen scheiden,
Sein Jüngern er treulich befahl,
Daß man allzeit verkündigen soll
Sein Tod und bitter Leiden.

2. Denn wer dasselbig recht betracht,
Dem gibt es Stärk, Trost, Muth und Kraft
In Trübsal, Angst und Nöthen,
Sein Kreuz wird ihm nicht halb so schwer,
Ob er gleich kommt in Todsgefahr,
Sein Fleisch der Geist kann tödten.

3. Da er nun an den Ölberg kam,
Drei Jüngr im Garten mit sich nahm,
Die hieß er niedersitzen,
Sprach: Bett und wacht ein kleine Zeit,
Und ging von ihn ein Steinwurfs weit,
Für Angst er Blut that schwitzen.

4. Unser Sünd macht ihm weh und bang,
Mit Teufel, Tod und Höll er rang,
All sein Kraft ihm entginge.
Er sprach: Vater, mag es gesein,
Nimm hin den Kelch und schwere Pein,
Trost er vom Engl empfinge.

5. O Vater, muß dem also sein,
Dein Will gescheh und nicht der mein,
Herzlich gern will ich sterben,
Damit ich nur die Brüder mein
Mag retten von der Höllenpein,
Und ihnn dein Huld erwerben.

6. Judas kam, das verlorne Kind,
Und bracht mit sich das jüdisch Gsind,
Mit Schwerten und mit Stangen;
Mit einem Kuß er ihn verrieth,
Sie griffen ihn und führtn ihn mit,
Gebunden und gefangen.

7. St. Petrus mit dem Schwert schlug drein
Der Herr sprach: Ach nein, stecks nur ein,
Und laß jetzt also gehen,
Es soll und muß gelitten sein,
Sonst etlich tausend Engelein,
Würden bei mir wohl stehen.

8. Sie brachten ihn dem Caiphas dar,
Der dasmal Hoherpriester war,
Den Herren er that fragen
Um seine Jünger und seine Lehr,
Und was sein Thun und Wesen wär,
Das sollt er ihm da sagen.

9. Jesus bald antwort mit eim Wort:
Im Tempel hat man mich gehört
Öffentlich vielmals lehren,
Die mich gehört han, darum frag,
Da gab ein Knecht ein Backenschlag
Dem König aller Ehren.

10. Viel falscher Zeugen stellt man dar,
Der Wahrheit doch nichts ähnlich war,
Caiphas that ihn beschwören
Bei Gott, daß er ihm sagen wollt,
Ob er wär der da kommen sollt,
Und der Messias wäre.

11. Du sagsts, sprach Christ, ich läugn es nicht
Denn ich werd sitzen zu Gericht,
In einer Wolken kommen,
Caiphas gar bald zerreißt sein Kleid,
So hört, was er gibt für Bescheid,
Das habt ihr wohl vernommen.

12. Ein Urtheil drauf gefället war,
Sein Leben mußt er geben dar,
Er wird verspott, verhöhnet,
Sie speiten ihm ins Angesicht,
Kein Schmach sie unterließen nicht,
Sein ward gar nicht verschonet.

13. Gleichwie ein Dieb sie bunden ihn,
Und führten ihn zu Pilato hin,
Fälschlich er ward verklaget.
Da Judas merkt, daß also ging,
Mit einem Strick er sich erhing,
Verzweifelt und verzaget.

14. Pilatus aus der Klag vernahm,
Daß Christus hätt nichts Args gethan,
Herodi ward er gbrachte,
Da er dem nicht gab guten Bescheid,
zog man ihm an ein weißes Kleid,
Verspott ihn und verlachte.

15. Für Pilatum er wieder kam,
Der schlug ihn für und Barrabam,
Der ein er los wollt geben,
Vermeint, sie würden bittenlos
Christum, und nicht den Mörder groß,
Den Juden wars nicht eben.

16. Pilatus ließ ihn züchtigen
Mit Ruthen scharf und Geißelen,
Von Dornen auch ein Krone
Flochten die Kriegsknecht zu der Stund,
Damit das heilge Haupt ward wund
Dem Herren, Gottes Sohne.

17. Ein Rohr sie gaben in sein Hand,
Und legten ihm an ein Purpurgwand,
Pilatus ihn h’raus führet.
Da seht doch euren König an,
Mit der Straf wollt euch gnügen lan,
Mehr hat er nicht verdüret.

18. Sie schrieen all: Nimm ihn nur hin
von unsern Augn und kreuzig ihn,
Sonst wirst du nichts Guts schaffen,
Sondern damit du klar beweist,
Daß du kein Freund des Kaisers seist,
Und wollst Aufruhr nicht strafen.

19. Der Red erschrack Pilatus sehr,
Und ließ ihm bringen Wasser her,
Daraus wusch er sein Hände.
Ich bin unschuldig an dem Blut,
Seht drauf, ihr Juden, was ihr thut,
All Schuld auf euch ich wende.

20. Sein Blut (schrie das ganz jüdisch Gsind)
Sei über uns und unser Kind,
Übr uns wirs nehmen wollen:
Gschicht ihm Unrecht an seinem Tod,
So strafs an uns der grechte Gott,
Die Schuld wir tragen sollen.

21. Als er hinaus geführet war,
Da folgt ihm nach ein große Schaar,
Die Weiber weinten sehre;
Weint über euch selbst und eure Kind,
Denn große Straf vorhanden sind,
Zu ihn sprach Christ, der Herre.

22. Zween Schächer man mit ihm ausführt
Zwischen die beid er ghangen wurd,
Christus hub an zu schreien:
O Vater, rechn es ihn nicht zu,
Dieß Volk weiß jetzt nicht, was es thu,
Drum wollests ihm verzeihen.

23. Viel schrieen: Hast du ander Leut
Geholfen, so hilf dir auch heut,
Ein Schächer sprach desgleichen:
Bist du Messias, Gottes Sohn,
So hilf dir selbst und uns davon,
Daß wir dem Tod entweichen.

24. Der ander Schächer straft ihn drum
Und kehret sich zum Herrn herum,
Bat ihn mit ganzem Fleiße:
Gedenk mein in deins Vaters Reich;
Der Herr sprach: Heut mit mir zugleich
Sollst sein im Paradeise.

25. Um sechs Uhr ward ein Finsterniß,
Desgleich nie mehr gewesen ist,
Sich entsetzt die Nature.
Die Erd erbebt, die Felsen hart
Zerrissen, und betrübet ward
Darob all Creature.

26. Zum Vater schrie mit lauter Stimm
Der Herr, sein Seel befahl er ihm,
Damit sein Geist aufgabe,
Darnach Joseph, der fromme Mann
Kam, und nahm sich des Leichnams an,
Bestetigt(Bestattet) ihn zum Grabe.

27. Wir danken dir für deinen Tod,
Herr Jesu, und solch große Noth,
Die du um unsertwillen
Erlitten hast, denn sonst fürwahr
Kein Opfr im Himml und Erden war,
Das Gottes Zorn konnt stillen.

28. Gottes Lamm, Herr Jesu Christ,
Der du für uns geschlachtet bist,
Und ein Sühnopfer worden,
Dadurch du hast all Sünd und Schuld
Für uns bezahlt in großer Gduld
Wehrs Teufels Lügn und Morden.

29. Erhalt für ihm dein Kirch und Wort,
Daß hie zeitlich und ewig dort
Geheiligt werd dein Namen,
Dein Leiden, Kreuz und bitter Tod
Sei unser Trost in aller Noth,
Herr Christ, das helf uns! Amen.