unbekannt – Die sieben Tagzeiten.

Anfang des sechzehnten Jahrhunderts.

Einzelner Druck, mit zwei andern Liedern zusammen, 3 Bl. 4°. Siehe H. Hoffmann Geschichte d. deutsch. Kirchenliedes S. 192. Vergl. Nr. 153.

Zur mettenzeit gefangen ward
des vaters weisheit feine,
Das ist der gotlich ware Christ
in seiner menscheit reine;
Verraten, verkauft er do wart
den juden, die mit schalle
schlugen seinen leichnam zart,
seine jünger flohen alle.

Zur primzeit gefüret ward
Jesus vor Pilaten,
Die große falscheit ward fürgekart,
sie war auf in geraten.
Sie schlugen jm halsschläge hart,
sein augen sie jm verunden,
sie spien an sein antlitz zart,
sie schlugen jm vil wunden.

Zur teciezeit spottlich gekleidt,
in purpur und in seiden,
Do rief zumal die judischeit:
am kreuze sol er leiden.
Ein dornekron sein heubt durchgrub,
geschach von unser schulde,
den tramen auch seiner achseln trug,
den tod den mußt er dulden.

Zur sechsten zeit genagelt ward
an das kreuze mit schalle.
So jn von herzen dursten ward,
tränchten sie jn mit galle.
Zwen schächer hiengen sie neben jn,
den ward er gleich geachtet,
das gab der muter traurigen sin,
verfemert und verschmachtet.

Zur none rief der süße Christ:
heli! mit ellende,
Vater, nimm in diser vrist
mein geist in deine hände!
Ein ritter in sein seiten stach
mit einem scharfen spere;
darnach groß erdbeben geschach,
die sonn ward scheine lere.

Jesus vom kreuz genommen ward
zur vesperzeit in leide,
Klägelich tät seine muter zart,
sie tät sam sie wolt verscheiden.
Ein sulchen tod gelitten hat
unsers lebens erzteie,
der eren kron er niderlag
von sünden also freie.

Zur completzeit begraben ward
in trüber handelunge
Der heilige leichnam gottes zart,
des lebens hoffenunge;
Mit salben gut bewart man jn,
die schrift die ward verendet:
den tod nim, mensche, in deinen sin,
so wird dein leid verwendet.

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