Heermann, Johannes – Ein christlicher Gesang um neuen Gehorsam

aus den Worten Augustini
Im Ton: In dich hab ich gehoffet, HERR.

Ich armer Sünder weiß, o Gott,
weil du für mich hast in den Tod
dein liebsten Sohn gegeben:
Du liebest mich
beständiglich
und schenkst mir Heil und Leben.

Darum ich schuldig mich befind,
daß ich, o Vater, als dein Kind
Gehorsam dir erzeige,
Allzeit mein Herz
in Freud und Schmerz
mit Liebe zu dir neige.

Werth bin ich nicht ob meiner Sünd,
daß ich dir dien und heiß dein Kind,
doch, weil diß ist dein Wille,
Durch deinen Geist
mir Hilfe leist,
daß ich ihn recht erfülle.

Verleih, daß ich mein Leben führ,
o treuer Gott, zu Ehren dir,
daß ichs auch wol beschließe,
An Christum glaub
und standhaft bleib,
den bittern Tod durchsüße.

Daß ich mit Fried und Freud hinfuhr,
die Seel in deiner Hand bewar,
da sie kein Angst wird schmecken,
Gib, daß der Leib
fein sicher bleib,
bis du ihn wirst erwecken.

Philipp Wackernackel – Johann Heermanns Geistliche Lieder

David Hollaz – Wir glauben, daß wir Sünder sind

wie Eines auf das Andere folgt.

Mel. Herr Jesu Christ, dich zu uns wend rc.

 Wir glauben, daß wir Sünder sind,
wir wollen uns nicht länger wehren!
Sünd, Welt, des Frommseins Ruhm und Ehren,
das werf’n wir dir zu Füßen g’schwind.

Wir nehmen Gnad, weil du’s gern gibst;
wir wollen uns nicht länger wehren;
wir danken dir mit Freudenzähren.
Nun glauben wir, daß du uns liebst.

Nun brennet unser ganzer Sinn,
mit Herzens-Lust und Freud zu wallen,
in deinen Liebeswegen allen:
nun ist’s nicht schwer mehr, wie vorhin.

Bei aller Gnade sind wir klein
und bleiben gern des Heiland’s Sünder,
gehören auch zur Zahl der Kinder,
und gehn im Glauben aus und ein.

So stehn wir fest bei Jesu Blut,
bei Seinem Kreuz! Wir kämpfen, siegen,
Sünd, Teufel, Welt muß unterliegen:
so steh’n wir fest und wohlgemuth.

So gehn wir unter Jesu Fahn
mit so viel tausend tausend Frommen,
wir werden ewig aufgenommen.
Seid treu, es geht gen Himmel an!

Zwick, Johannes – Aus Gotts Geboten d’Sünd bedenk

1.) Aus Gotts Geboten d’Sünd bedenk,
Aus Glauben an sein Gnad‘ dich häng,
Die Liebe such, vermeid den Hass,
Deins Glaubens dich vernehmen lass.

2.) Vermahne jedermann zu Gott,
Auch hör du gern von seinem Wort,
Leide geduldig, wenn krank bist,
Ruf stets zu Gott durch Jesum Christ.

3.) Von aller Sünden halt dich fern,
Der Tod kommt unverhofft gar gern,
Halt dich also, dass du bereit,
Dass dich dein Engel heimwärts leit.

4.) Und du, mein Gott, Vater und Herr,
Dies Wissen mich bei Zeiten lehr,
Und wenn es kommt zu meinem End‘
Mein Seel‘ empfehl ich deiner Händ‘.

Zwick, Johannes – Der von dem G’setz gefreiet war

1.) Der von dem G’setz gefreiet war
Und ledig aller Sünden,
Hat sich doch unterworfen gar
Mit allen Adams Kindern.

2.) Daher auch wir jetzt frei vom G’setz
Und dem nicht unterworfen,
Denn Christus, der ist unser Schatz,
Auf den wir sicher hoffen.

3.) Das Gotteskind hat auch sein Blut
Vergossen zwar gar junge,
Damit uns solches käm zu gut
Und uns das G’setz nicht zwinge.

4.) Wen nun der Sohn ledig erkannt,
Der ist vom G’setz entronnen,
Darum wird Christus Jesus g’nannt,
Der’s Himmelreich hat g’wonnen.

5.) Doch sind wir drum nicht also frei,
Dass d‘ Sünd frei sollte bleiben
Und Sünde nicht mehr Unrecht sei,
Auch allen Mutwillen treiben.

6.) Der Herr spricht ja: Dein Gott ich bin,
Doch sollt aufrichtig wandeln.
Dein‘ volle G’nüge will ich sein,
Doch sollst du redlich handeln.

7.) Ach Gott, das lehr uns recht verstahn,
Dein Geist woll’s Herz beschneiden,
Dass wir vom Bösen mögen lan
Und d‘ Sünd‘ selbst willig meiden.

8.) Und werfen hin der Vorhaut Lüst‘
Zum Opfer dir ergeben,
Auch seien durch dein‘ Gnad‘ gerüst’t,
Nach deinem Will’n zu leben.

Weiße, Michael – O Jesu, der du selig machst

1.) O Jesu, der du selig machst,
Die bußfertigen Sünder,
Sehr gütig bist und nicht verachtst
Die unmündigen Kinder:
Lehr uns mit Fleiß
Die rechte Weis‘,
Dein rein‘ Wort zu erfüllen
Und deines Vaters Willen,
Den neuen Bund
Und rechten Grund
Der Seligkeit,
Vorlängst bereit‘
Allen, die dir anhangen,
Und gib, dass wir
Dies alls in dir
Zur Seligkeit erlangen.

2.) O Jesu, hochwürdige Frucht,
Weil wir nun zu dir kommen,
Wie du uns hast in deine Zucht
Durch die Tauf‘ aufgenommen:
Tu uns das Best‘
Und halt uns fest,
Lass uns von dir nicht weichen
Und mit der Welt vergleichen,
Schreib uns ins Herz
Dein neu‘ Gesetz,
Dass wir dein’n Bund
Aus Herzensgrund
Wirklich lernen erkennen,
Dass wir uns nicht,
– Wie viel geschicht,-
Mit Unrecht Christen nennen.

3.) O Jesu, du ewiges Gut,
Lass dich unser erbarmen,
Die du erkauft mit deinem Blut,
Freundlich nimmst in dein‘ Armen.
Halt uns bei dir,
Lehr und regier,
Leg auf uns deine Hände,
Stärk und mach uns behände
Zu tun das Gut
Nach deinem Mut,
Wie sich’s gebührt,
Dabei nun spürt,
Ob wir sein auserkoren
Und durch dein Wort,
Welch’s wir gehört
Innerlich neu geboren.

4.) Straf uns nach väterlicher Weis‘,
Brich unsern bösen Willen.
Und tu mit uns all‘ deinen Fleiß
Unser Bosheit zu stillen.
Und leit uns recht
Durch deine Knecht
Zu tugendreichem Leben.
Und hilf, dass wir uns geben
Unter dein Joch
Und folgen nach
Dem kleinen Heer,
Welch’s deine Lehr
Und Wahrheit recht handhabet,
Welchs du auch hast
Nach deiner Lust
Innerlich fein begabet.

5.) Hilf, dass wir auch ins Glaubens Kraft,
Deinen Segen erlangen.
Und in heiliger Gemeinschaft
Dein’n Leib und Blut empfangen.
Zur Kräftigung,
Versicherung
Dem innerlichen Leben,
Aus Gnad von Gott gegeben,
Durch treuen Dienst
Aus dein’m Verdienst
Stets nehmen zu,
Bis wir mit Ruh‘
Deinem heiligen Namen,
Gebenedeit
Zu aller Zeit,
Lobsingen möchten, Amen.

Weiße, Michael – Menschenkind, merk eben, was da sei dein Leben

1.) Menschenkind, merk eben,
Was da sei dein Leben.
Warum Gott hat seinen Sohn
Gesandt von dem höchsten Thron,
Hat lassen Mensch werden
Hier auf dieser Erden.

2.) Nämlich, dass er lehre,
Dich zu sich bekehre,
Für deine Schuld sterbe,
Gnade dir erwerbe,
Dich vor Gott vertrete
Und stets für dich bete.

3.) Und dass er durch sein‘ Geist,
Den er ein‘ Tröster heißt
Und durch sein Wort ‚kommen,
Dir zu Trost und Frommen,
Möcht‘ in deinem Herzen
Wohnen ohne Schmerzen.

4.) Ei, gib statt dem Geist
Und tu, was dich Gott heißt,
Öffne dein’s Herzens Pfort,
Dass Christus durch sein Wort
In dich möge kommen
Und stets in dir wohnen!

5.) Alsdann sieh nur eben,
Dass du dich ergeben
In gottselig‘ Leben,
Ihm nicht widerstreben,
Sondern seinen Willen
Allzeit mögst erfüllen.

6.) Seine Lieb‘ beweisen,
Mit der Tat ihn preisen,
Stets in allen Sachen
Munter sein und wachen,
Dass du ihm in allem
Mögest wohl gefallen.

7.) Wirst du dich recht halten,
So wird er dein‘ walten,
Dich lassen genießen
Friedsames Gewissen,
Dir auch Zeugnis geben
Zum ewigen Leben.

8.) Jetzt musst du viel leiden,
Deinen Willen meiden,
Und auf allen Seiten
Mit dem Satan streiten.
Doch es wird dir wohlgehn,
So du dies wirst ausstehn.

9.) Denn der Herre wird dir
Durch den Tod kommer schier,
Deine Seel‘ abscheiden
Zur ewigen Freuden,
Bis die Posaun‘ angeht
Und alles Fleisch aufsteht.

10.) Denn er wird leibhaftig,
Sehr herrlich und kräftig
Von dem Himmel steigen,
Reden und nicht schweigen,
Dir und allen sagen,
Die jetzt sein Joch tragen:

11.) ‚Kommt, ihr G’benedeiten,
Zu der rechten Seiten,
Kommt, ihr Auserkornen,
In mir Neugebornen,
In meines Vaters Reich.
Es wartet längst auf euch.

12.) Alsdann wirst du froh sein
Und ledig von aller Pein
Im verklärten Leben
Mit dem Herren schweben.
Voller Freud‘ und Wonne,
Leuchten wie die Sonne.

13.) Wohl nun dem, den Gott zeucht,
Und durch seinen Geist erleucht,
Dass er Christum annimmt,
Wenn er durch sein Wort kömmt,
Und bei ihm sein Fleiß tut,
Denn sein‘ Sach‘ ist gut.

14.) Wer aber nichts achtet,
Nach Christo nicht trachtet,
Sein hier zu genießen,
Der soll diesmal wissen,
Dass er dort wird müssen
In der Hölle büßen.

15.) O, komm, Herr Jesu!
Schick dein armes Volk zu,
Dass es deinen Willen tu,
Und danach in deiner Ruh‘
Lobe deinen Namen
In Ewigkeit, Amen!

Weiße, Michael – Als Christus mit seiner Lehr

1.) Als Christus mit seiner Lehr
Versammelt ein kleines Heer,
Sagt er ihm, dass’s mit Geduld
Sein Kreuz ihm nachtragen sollt.

2.) Sprach: ‚O, lieben Jünger mein,
Ihr sollt allzeit munter sein,
Nichts auf Erden lieben mehr
Denn mich und all‘ meine Lehr.

3.) Die Welt wird euch übel tun,
Anlegen viel Spott und Hohn,
Umjagen und sagen frei
Dass der Teufel in euch sei.

4.) Wenn sie euch lästert und schmäht,
Meinethalben schilt und schlägt:
So seid froh, denn euer Lohn
Ist bereit vor Gottes Thron.

5.) Seht an, ich bin Gottes Sohn
Und hab allzeit wohl getan,
Ich bin je der Allerbest‘,
Noch macht sie mir’s trefflich fest.

6.) Weil sie mich ein’n bösen Geist,
Ein’n argen Verführer heißt
Und mir allzeit widerspricht,
Sie schenkt’s euch auch freilich nicht.

7.) Jedoch fürchtet nicht ein’n Mann,
Der nur den Leib töten kann,
Sondern den ewigen Gott,
Der Macht zu verdammen hat!

8.) Der probiert euch, wie das Gold,
Ist euch als sein’n Kindern hold.
So ihr bleibt in meiner Lehr‘,
Verlässt er euch nimmermehr.

9.) Ich bin euer, ihr seid mein,
Wo ich bin, da sollt ihr sein!
Wer euch plagt, der plagt mein Aug‘,
Weh dann ihm an jenem Tag!

10.) Euer Elend, Angst und Pein
Wird euch dort ein‘ Freude sein,
Und die Schand‘ ein Preis und Ehr‘
Vor allem himmlischen Heer.‘

11.) Die Apostel nahmens an
Und lehreten jedermann:
Wer dem Herrn nachfolgen wollt,
Dass es des‘ gewarten sollt.

12.) O Christe, hilf deinem Volk,
Dass ’s dir von Herzen nachfolg‘
Und durch ein’n seligen Tod
Los werd‘ aller Angst und Not!

Tersteegen, Gerhard – Zu mir, zu mir, ruft Jesus noch

1.) Zu mir, zu mir, ruft Jesus noch.
Die Kindlein lasset kommen!
Hab ich aus Lieb zu ihnen doch
Die Kindheit angenommen.
Ja, wie ein arm elendes Kind,
Gebüßet und beweint die Sünd,
Der Kinder, die mich hören.

2.) Ich hab am Kreuz für sie mein Blut
Mit bittrem Schmerz vergossen,
Dadurch gelöscht der Hölle Glut,
Den Himmel aufgeschlossen.
Nun steh und ruf ich mit Begier:
‚Kommt, Kinder, kommet her zu mir,
ich will euch selig machen!‘

3.) Zu mir, zu mir, nicht zu der Welt
Und ihren Eitelkeiten,
Die auch euch Kindern sehr nachstellt
Und lockt auf allen Seiten.
Drum sieh dich vor, mein Kind, und tu
Vor ihr dein Aug und Herze zu,
Sie stürzt dich ins Verderben!

4.) Sie beut dir an Lust, Ehre, Pracht,
Freud, Schönheit, Ruh und Schätze.
Doch, wenn man’s alles wohl betracht’t,
So sind’s nur Strick und Netze,
Die Satan braucht, dadurch die Seel
Zu fangen und zu führ’n zur Höll
Auf ebnen, breiten Wegen.

5.) Die Welt gibt Wollust, die zerfließt
Im Blick, und dann folgt Pressen.
Wie bald ist eine Lust gebüßt,
Ein Leckerbisschen ‚gessen!
Und dafür muss die Seele dann
Auf ewig mit dem reichen Mann
Dort in der Flamme darben.

6.) Weltehre, Lieb, Lob, Gunst und Gnad
Ist kaum mit Müh zu kriegen,
Und wem sie’s heut gegeben hat,
Den lässt sie Morgen liegen
In Schmach, Verachtung, Spott und Kot.
Und hielt man’s gleich bis an den Tod,
Folgt dann doch ew’ge Schande.

7.) Ihr Prangen, Pracht und Herrlichkeit,
Ihr Säubern und ihr Zieren
Ihr Phantasie und Eitelkeit,
Zeit-, Müh- und Seelverlieren,
Die, wann der Leib im schwarzen Schoß
Der Erde liegt, muss nackt und bloß,
Mit Kot beschmutzt hinfahren.

8.) Ihr Scherzen, Lachen, Tanzen, Freud
Geht nimmer recht von Herzen
Und wird gar leicht verkehrt in Leid,
Bringt endlich ew’ge Schmerzen.
Dein Schönheit, die sie so hoch acht’t,
Liegt bald verwelket und veracht’t,
Dann hast du ausgedienet.

9.) Die Welt auch Ruhe dir anbeut,
Doch kann sie gar nichts geben
Als Unruh, Grämen, Müh und Streit,
Ein jammervolles Leben.
Und gibt sie Ruh, so ruhet man
Am Höllenrand, drein stürzt sie dann
Im Tod dich plötzlich nieder.

10.) Ihr Reichtum, Schätze, Geld und Gut –
Drum muss man von dem Morgen
Bis in die Nacht, ja bis in’n Tod
Stets laufen, wühlen, sorgen.
Hat man’s, gar leicht verliert man’s noch,
Verliert man’s nicht, so muss man’s doch
Im Tode all’s verlassen.

11.) Nun sieh, mein Kind, dies ist’s wie viel
Die Welt vermag zu geben.
Hüt dich vor ihrem Trauerspiel,
Es gilt dir Leib und Leben.
Merk doch aufs End, du musst davon!
Sonst wirst du einst vorm Richterthron
‚Geht weg von mir!‘ anhören.

12.) Nun ruf ich noch mit süßer Stimm:
‚Kommt her zu mir, ihr Kinder!‘
Steh still und es zu Herzen nimm,
Ich gebe dir nicht minder!
Denn des die Welt so rühmet sich,
Ist Schatten nur und wesentlich
Allein in mir zu finden.

13.) Die Lüste, die ich tropfweis gieß
Schon jetzt in keusche Herzen
Zart, kräftig, innig, übersüß,
Geist, Seel und Leib ergötzen.
Schmeckt hier so meine Freundlichkeit,
Was wird’s denn sein, in Ewigkeit
Aus Wollustströmen trinken!

14.) Bei mir ist Ehre unverrückt,
Ich liebe, die mich lieben,
Auch ew’ge Gnade man erblickt
Nach wenigem Betrüben.
Ich steh in Not und Tod dir bei,
Ich bleibe ewig dir getreu:
Das hat gar viel zu sagen.

15.) Ich will die Seel mit Heiligkeit
Und Tugendschmuck umhangen,
Drin sie auf’m Thron in Herrlichkeit
Als Königin wird prangen.
Der Leib auf der Posaunen Hall
Wird aufstehn glänzend wie Kristall,
Durch meinen Geist verkläret.

16.) Bei mir ist wahre Freud die Füll,
Die Welt noch Feind kann rühren.
Die macht im Kreuz und Leiden still,
Im Tod wohl jubilieren.
Flieh, eitle Schönheit, die nur Wust,
So werd ich ewig meine Lust
An deiner Schönheit haben!

17.) Ich bin dein’s Geistes Ruhestell‘,
Ich kann ihn nur vergnügen.
Es kann kein Sturmwind, Furcht noch Höll‘
Auf meinem Schoß ihn rügen.
Komm her zu mir, ich rufe noch,
Mein Kind, nimm auf mein sanftes Joch,
So wirst du Ruhe finden!

18.) Mein Reichtum ist beständig’s Gut,
Den ich umsonst will schenken,
Kein Rost, kein Dieb, kein Feu’r noch Flut
Kann solchen ewig kränken.
Ich hab‘ ein ganzes Himmelreich,
Viel‘ Königsschätze drin zugleich,
Die wirst du all‘ ererben.

19.) Sieh da, mein Kind, was Jesus sei,
Wo du nicht ganz ein Blinder.
Folg meiner Stimm‘, weil ich noch schrei:
‚Kommt her zu mir ihr Kinder!‘
Folgst du nun jetzt dem Rufen nach,
So sollst du auch an jenem Tag
‚Komm her zu mir!‘ dann hören.

20.) Wenn dann die Welt samt Lust und Pracht
Im Feuer wird vergehen,
Dann wirst du werden zu mir bracht
Und freudig mit mir gehen.
Zu meinem Reiche, da wirst du
Auf meinen Armen finden Ruh‘,
Und ich dich ewig herzen.

21.) In meiner Liebe, Furcht und Ehr‘
Die schönen Jugendjahren
Und zarte Blüt‘ der Kraft verzehr,
Lass Schein und Schatten fahren,
Kein’n Augenblick verschieb es nicht,
Eh dir der Lebensfaden bricht.
Gib mir, mein Kind, dein Herze!

22.) Der Frommen kleines Häufelein
Sei deine Lust auf Erden,
So wirst auch du ein Engelein
Mit ihnen nachmals werden.
Mein‘ Engel hier bewahren dich,
Mit welchen du wirst ewiglich
im Paradies spazieren.

Tersteegen, Gerhard – O Gott, man kennet dich nicht recht

1.) O Gott, man kennet dich nicht recht,
Mein Schatz, man schätzet dich zu schlecht,
Man sucht dich nicht im Herzen.
Durch Selbsttun will man heilig sein,
Dir gibt man nicht die Ehr allein,
Wie, sollt‘ es mich nicht schmerzen!

2.) Solls, Liebster, mir erlaubet sein,
Dass ich’s einst andern mach gemein,
Wie nahe man dich finde,
Gib Worte dann voll Kraft und Lieb‘,
Viel Tausenden den Ruh’stand gib
Und sie mir dir verbinde!

3.) Du höchst vergnügend Wesen du,
Mein Seelenfreund und ein’ge Ruh,
Den ich in mir gefunden,
Wie bist du mir so innig nah!
Kehr ich hinein, so bist du da,
Du hältst mein Herz gebunden.

4.) Man schreib mir kein Gesetze für,
Dass ich mich kehren soll zu dir,
Ich kann es ja nicht lassen.
Die Liebeskräfte sind berührt,
Sie werden innig eingeführt
Und dich von selbst umfassen.

5.) Ein Etwas ist mir innig nah,
Ein unbekanntes Gut ist da,
Das meinen Geist erfüllet.
Ich darf und will’s nicht frei besehn,
Ich bleib in Liebesehrfrucht stehn
Bestürzt und doch gestillet.

6.) Dies Gut, das mich genommen ein,
Muss groß und allgenügsam sein,
Man kann’s nicht deutlich nennen.
Es ist was Göttliches mir nah,
Der Gottheit Gegenwart ist da,
Wer sollt dran zweifeln können?

7.) Die tiefe Veneration,
Die große Ruh, die sel’ge Wonn,
Das Beugen ohn‘ Aufhören.
Die geben, wo man geht und steht,
Den Eindruck einer Majestät,
Die Erd‘ und Himmel ehren.

8.) Ich bin im dunklen Heiligtum,
Ich bete an und bleibe stumm,
O ehrfruchtsvolles Schweigen!
Der beste Redner sagt mir’s nicht,
Was man hier ohne Reden spricht
Durch Lieben und durch Beugen.

9.) Hier ist die stille Ewigkeit,
Ein immerwährend‘ sel’ges Heut‘,
Dies Nun kann alles geben.
Die Zeit vergeht mir süß und sacht,
Ich möchte beten Tag und Nacht,
Bei Gott im Geiste leben.

10.) Mein Geist, dies arm‘ verirrte Kind,
Des Vaters Haus nun wieder find’t
Nach langem, bangem Fragen.
Ich bin zurecht, hier kehr ich ein,
Dies ist der Ort, hier muss ich sein.
Mein Gott, was soll ich sagen!

11.) Wie war dem Geiste doch zumut,
Da er sein langgesuchtes Gut
So nah im Herzen funde!
Nun hat er’s alles, was er will,
Umarmet, liebet und ist still
Bei seinem Gott im Grunde.

12.) O Schönheit, alt und neu genannt,
Ach, dass ich dich so spät erkannt,
Geliebet und erfahren!
Ich suchte draußen hier und da
Und wusste nicht, dass wir so nah
Im Geist beisammen waren.

13.) Der Seele Mittelpunkt und Grund
Wird mit Verwundrung bloß und kund
Der Gottheit Haus und Throne,
Denn Gott sich ewig diese Stadt
Geeignet und gefreiet hat,
Dass er allein drin wohne.

14.) Dass er mit seinem Glorieglanz
Erfülle, zier und sel’ge ganz
Den Geist und sich drin liebe.
Wer diesen Adel kennte recht,
Dem wär die ganze Welt zu schlecht,
In Gott er sich erhübe.

15.) Hier ist mein wahres Element,
Ein Friedensland, weit, ohne End,
Von Milch und Honig fließend.
Hier quillt im Grund ein Balsamfluss,
Durch alle Kräfte den Genuss
So sänftiglich ergießend.

16.) Ich werd‘ affenktenlos in mir,
Die Sinne und Gedanken hier
Sind lieblich, süß und stille,
Der Leib tut ruhig, was er macht,
Der Atem gebet immer sacht,
Wie schmeidig wird der Wille!

17.) Er schmilzt wie weiches Wachs dahin,
Weg ist der harte Eigensinn,
Hier gilt nur sanftes Wesen,
Die Adern sind von Friede voll.
Wo wie so ruhig, o wie wohl!
Man kann’s aus allem lesen.

18.) Er hat in seiner Macht mich hin
Nach seiner Lust, nach seinem Sinn.
Ich folge seinen Zügen.
Ich halte mich nicht länger fest.
Wer sich der Liebe überlässt,
Wird Liebe nicht betrügen.

19.) Das Wässerlein bleibt still und klar,
Ich werd kein Windchen mehr gewahr,
Was sonst turbieren sollte.
Mein Treiben ist zur Ruh‘ gebracht,
Es hält mich eine sanfte Macht,
Wo ich mich stören wollte.

20.) Die Seel‘ wird hier verändert sehr,
Sie kennet sich kaum selber mehr,
Sie ist als neu geboren.
Man übt die Tugend, eh man’s denkt,
Sie wird hier wesentlich geschenkt,
Natur scheint gar verloren.

21.) Sonst tat ich’s all’s mit Müh und Zwang,
Es war mir schwer, es fiel mir lang
Verleugnen, Leiden, Beten.
Wie leicht, wie lieblich ist mir’s nun!
Die Liebe kann es alles tun,
Was wir sonst nimmer täten.

22.) Wie grundeinfältig wird der Sinn!
Verstellung fället ganz dahin,
Die Unschuld wird gegeben,
Das süße Kinderäugelein
Sieht unverwandt auf Gott allein:
Du liebstes Kinderleben!

23.) Die Liebe führt mich zart und treu,
Kein Wort, kein Fehler geht vorbei,
Ihr Aug‘ prüft Herz und Nieren.
Sie führt ins Sterben ohne Gnad‘,
Sie zeiget’s, wo man Leben hat,
Man will’s auch gern quittieren.

24.) Es ist ein wunderbarer Stand,
Es fällt mir alles aus der Hand,
Ich kann an gar nichts denken.
Die Augen sinken sanfte zu,
Mein Geist in höchst vergnügter Ruh‘
Sich einwärts muss ersenken.

25.) Ich hab die Wahrheit sonst betracht’t,
Ich hab so vieles nachgedacht
Von Gott und seinem Wesen,
Ich übte mich, ich sahe an,
Was er gemacht, was er getan,
Ich hab gehört, gelesen.

26.) Mein weites Feld, das ich durchsucht,
Gab viele Müh‘ und wenig Frucht,
So kümmerlich zu leben.
Jetzt kommt mein Wirken nicht zupass,
Die Speis‘ wird mir ohn‘ Unterlass
Wie vorgekaut gegeben.

27.) Nun stehen meine Bücher da,
Was ich dort suchte, find ich nah,
Dort Bilder, hier das Wesen.
Oft ist mir eine Zeile g’nug,
Dann schließt der zarte Sinn das Buch
Und hat’s schon all‘ gelesen.

28.) Ich bet zwar stets doch ohne Mund,
Es macht der Friedenszug im Grund
Die müden Lippen schließen.
Auch weiß ich nichts zu beten mehr,
Ich hab’s erlangt, was ich begehr‘,
Mein Beten ist Genießen.

29.) Oft sprech und hör ich nur ein Wort
Und werd gesammelt allsofort,
Wie Manna schmeckt’s im Munde,
Ich tu es all‘ in einer Tat,
Drin ich verharre früh und spat,
Ich fei’re Gott im Grunde.

30.) Ein liebevolles, sanft Gemerk‘
Auf Gott in mir ist all‘ mein Werk,
Ihn leidend machen lassen.
O göttelicher Müßiggang,
Wovor man ohne Ursach‘ bang!
Vernunft kann’s nimmer fassen.

31.) Vernunft will immer wirken viel,
Was nutzt ihr magres Bilderspiel?
Gott gibt allein das Wesen.
Was nutzt’s, mit Sorgen wirksam sein?
Gott gibt’s den Seinen schlafend ein,
Was wir von Wundern lesen.

32.) Ich setz mich wie ein Kindlein still,
Das sonst nichts weiß, noch wissen will,
Zu meines Meisters Füßen,
Da ich aus seinem Munde hör‘
In einem Viertelstündchen mehr,
Als alle Bücher wissen.

33.) Ich forschte, dass ich Wahrheit fand,
Doch ward mir Wahrheit nie bekannt,
Ich blieb im Zweifel stecken.
In dieser Schule schauet man
Die Wahrheit als gefunden an,
Ein Blick kann sie entdecken.

34.) Man lockt mich in die Wüste ein,
Da Gott und ich nur sind allein,
Da Geist mit Geist umgehet.
O Einsamkeit, so weit, so weit
Von Kreatur und Ort und Zeit!
Das Liebste draußen stehet.

35.) Nur Gott und ich, sonst keiner mehr.
Ach, dass ich weit von Menschen wär!
Doch nein, ich bin schon einsam,
Ich hab auch unter Menschen Ruh‘,
Gott deckt im Schoß mich heimlich zu,
Wir sind im Geist gemeinsam.

36.) Ich bet daheim und auf der Straß,
Beim Werk und sonst ohn Unterlass
Im Geist und in der Wahrheit.
Ich bin gesammelt, eh ich’s denk,
Anbete, lieb und mich versenk‘
In Gottes dunkle Klarheit.

37.) Hier wird mich Welt und Feind gewahr,
Ich bin entwichen der Gefahr,
Mein Freund hat mich verborgen.
Was sonst zerstreuet meinen Sinn,
Mich alles jetzt zu ihm führt hin,
Er stillet meine Sorgen.

38.) Ich strenge nicht die Andacht an,
Ich hab’s mir selbst nicht angetan,
Kann mir’s auch jetzt nicht geben.
Gott tut es, wie und wann er will,
Ich bleibe willenlos und still
Und seinem Zug ergeben.

39.) Was eignes Wirken hat erweckt,
Nicht lange währt, nicht göttlich schmeckt,
Es lässt uns, wie wir waren.
Hier setzet mich Gott selbst in Ruh,
Ich stimme seinem Wirken zu
Und will nichts mehr erfahren.

40.) Ich such nicht dies noch jenes Licht,
Ich hab kein bildliches Gesicht,
Entzückung, hohe Gaben,
Mein Leib noch Haupt wird nicht gekränkt.
Ist hier Gefahr, wie mancher denkt?
Ich will nur Liebe haben.

41.) Ein tiefer Eindruck bleibt allzeit
Von Gottes wahrer Wesenheit,
Wie er das Gut der Güter,
Wie innig seine Gegenwart,
Wie er die Liebe rein und zart,
Der Ruhpunkt der Gemüter.

42.) Mein Gott, du bist, du bist allein,
Ach, Gott, du bist ein ander Sein,
Als Menschenkinder meinen!
Viel wird gedicht’t, viel wird gefragt,
Kurz, Gott ist Gott, ich hab’s gesagt,
Du selbst musst uns erscheinen.

43.) Ist dies nicht die Beschaulichkeit,
Der Friede, der so manchen Streit
Den lieben Deinen brachte?
Gib, Herr, dem Tadler diese Ruh
Zu schmecken und zu sehn dazu,
Was nie Vernunft gedachte!

44.) Schaut, müde Seelen, kommet her,
Dies ist ein Tröpflein aus dem Meer
Er ew’gen Gottheitsfülle!
Ihr werdet größ’re Dinge sehn,
Lasst alles nur um alles stehn,
Kehrt ein und werdet stille!

45.) Genug geredt von diesem Stand,
Am Schweigen werden sie erkannt,
Die Gott im Herzen tragen.
Beschauungsstand, du bist gar rein,
Doch wesentlich vereinigt sein,
Will weit ein Mehrer’s sagen.

46.) Davon schweigt meine Zunge still,
Erfahr es selbst, wer’s wissen will,
Ich such nichts mehr auf Erden.
Nur wird dies nicht in uns vollbracht,
Die lange dunkle Leidensnacht
Muss erst durchwandert werden.

Tersteegen, Gerhard – Ich finde stetig diese zwei

1.) Ich finde stetig diese zwei
In meinem Wandel und Gemüte:
Dass ich ein armer Sünder sei
Und Gott die wesentliche Güte.
Ich leb vor Gott zufrieden so
Und bin bei meinem Elend froh.

2.) Ich bin entblößt von allem Gut,
Von allem Licht und Kraft und Leben.
Gott alles ist und hat und tut,
Er kann und will mir alles geben.
Wenn ich mein tiefes Nichts bedenk,
Ich mich in Gott noch tiefer senk.

3.) Pfui, pfui, mit aller Frömmigkeit,
Wo man sich selbst besieht und liebet!
Dies ist der Tugend Lauterkeit,
Wenn man nur Gott die Ehre giebet.
Das Nichts ist manchem wohl im Mund,
Doch sitzt es wenigen im Grund.

4.) Man nennt sich öfters arm und schwach,
Wer glaubt es aber recht von Herzen?
Und wer es glaubt, dem bringt es Plag,
Man glaubt’s mit Unruh und mit Schmerzen.
Im Nichts bringt Armut keine Pein,
Im Nichts ist man mit Frieden klein.

5.) Dies Nichts soll meine Wohnung sein.
Herr, lass mich nimmer etwas werden,
Sei du mein Ruhm und Freud allein,
Mein Alles droben und auf Erden,
Lass mich verschwinden ganz und gar,
Sei du in mir nur offenbar!

6.) Ich will wohl gerne schöne sein,
Doch nur, damit ich dir gefalle.
Ich such vor Menschen keinen Schein,
Willst du, lass mein vergessen alle!
Ich sei veracht’t und du geehrt,
So hab ich, was ich hab begehrt.

7.) Führ mich zur höchsten Heiligkeit,
Doch lass’s die Eigenheit nicht wissen.
Gib mir des Himmels Herrlichkeit!
Ich leg die Kron zu deinen Füßen,
Mit Freuden seh ich nichts in mir,
Mit Freuden geb ich alles dir.