Gottfried Arnold – Um volle Freiheit des Geistes.

Zeuch meinen Geist, o Herr, von hinnen
Ganz über sich, zu Dir hinauf!
Ich sehne mich mit Herz und Sinnen
Nach einem sel’gen Glaubenslauf.
Regier‘ mich nur nach deinem Willen,
Dir nachzufolgen ohne Trug!
Was kann sonst meine Sehnsucht stillen?
Wer tut mir außer Dir genug?

Weil aber so viel widerstrebet
Dem abgewandten Pilgergeist,
Der gern in Gottes Freiheit lebet
Und zum verheiß’nen Erbe reist:
So nimm mir ab die schweren Lasten
Der Sinnenlust und Eigenheit;
Den Geist lass in der Stille rasten,
Durch Dich von allem Bann befreit.

Sei das Erschaffine noch so schöne,
So muss es doch verlassen sein;
Wonach ich mich im Grunde sehne,
Nur das befriedigt mich allein.
Vom Andern kann ich nichts behalten,
Dich zieh‘ ich Selbst in mich, und Du
Zeuchst mich in Dich. Dich lass‘ ich walten,
Du schließest meine Sinnen zu.

Zwar kennt mein Geist noch manche Speisen,
Die geistlich und vergnüglich sind,
Doch kann ich sie nicht fröhlich preisen,
Wenn man darin auch Nahrung find’t.
Nein, Du nur bist das Brot der Seelen,
Und selig, himmlisch werden sein,
Die Dich mit voller Kraft erwählen,
Bis sie in Dich gesunken ein!