unbekannt – Dies irae, dies illa.

Jenen Tag, den Tag der Wehen,
Wird die Welt im Brand vergehen,
Wie Prophetenspruch geschehen.

Welch Entsetzen ob der Kunde,
Dass der Richter kommt zur Stunde,
Prüfend alles bis zum Grunde.

Die Posaun im Wundertone
Sprengt die Gräber jeder Zone,
Nötigt alle zu dem Throne.

Erd und Tod wird schaun mit Beben
Alle Kreatur sich heben,
Antwort vor Gericht zu geben.

und ein Buch wird aufgeschlagen,
Drin steht alles eingetragen,
Wes die Welt ist anzuklagen.

Vor dem Richter, der da thronet,
Wird Verborgnes nun gelohnet
Öffentlich, und nichts verschonet.

Was werd dann ich Armer sagen?
Wen als meinen Fürsprech fragen,
Wenn Gerechte fast verzagen?

König, schrecklich und erhaben,
Deine selgen Gnadengaben
Lass auch mich, o Liebsquell, laben.

Frommer Jesu, meinetwegen
Kamst du einst. Wollst dies erwägen,
Heut mich auf dein Achsel legen.

Hehrer König, Herr der Schrecken!
Gnade nur deckt unsre Flecken:
Gnade, Gnade lass mich decken!

Bist so treu mich suchen gangen,
Hast am Kreuz für mich gehangen:
Nicht umsonst sei Müh und Bangen!

Richter der gerechten Rache,
Meiner Sach ein Ende mache,
Eh zum Richttag ich erwache.

Sieh, ich seufze schuldbeladen,
Schamrot über schweren Schaden:
Hör mein Flehen, Gott, in Gnaden!

Du, der freisprach einst Marien,
und dem Schächer noch verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Mein Gebet gilt nicht so teuer;
Aber lass mich, o du Treuer,
Nicht vergehn im ewgen Feuer!

Zu den Schafen mich geselle;
Fern den Böcken und der Hölle
Mich zu deiner Rechten stelle.

Ruf, wenn die Verfluchten erben.
In den Flammen das Verderben,
Mich mit deines Vaters Erben!

Ganz zerknirschet und elende
Breit ich, Staub und Asch, die Hände
Nach dir aus, sorg für mein Ende!

Tag voll Tränen, da soll gehen
Aus dem Grab der Mensch und stehen
Vor Gericht ganz schuldbeladen!

Gott, ach schone mein in Gnaden!
O mein frommer Jesu du,
Schenke uns die ewge Ruh!

Amen.

unbekannt – Dies irae, Fragment

1. Tag des Zorns, in Flammenmeeren
Wirst du einst die Welt verzehren,
Wie Sibyll‘ und David lehren.

3. Beim Posaunen-Wunderschalle
Tut sich auf der Toten Halle,
Vor dem Thron erscheinen Alle.

4. Wie Natur und Tod erbeben,
Dass die Toten wieder leben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben!

5. Und ein Buch wird aufgeschlagen,
In das Alles eingetragen,
Was die Welt dort wird verklagen.

6. Wenn da nun der Richter thronet,
Der Verborg’nes nicht verschonet,
Und nach Jedes Werken lohnet:

7. Was soll dann ich Sünder sagen?
Wen um Schutz zu bitten wagen,
Wo Gerechte selber zagen?

9. Heil’ger Jesu, Mensch geboren,
Mir zum Heiland auserkoren,
Lass mich dann nicht sein verloren.

10. Hast dich müd‘ um mich geworben,
Bist am Kreuz für mich gestorben,
Und die Frucht wär‘ dir verdorben?

11. Ernster Richter meiner Sünden,
Lass mich noch Vergebung finden,
Eh‘ die Gnadenstunden schwinden!

12. Schamglut rötet meine Wangen,
Schuldig seufz‘ ich voll Verlangen:
Lass, o Gott, mich Gnad‘ erlangen.

13. Der Marien losgesprochen,
Schächers Gnade nicht gerochen1gerächt
Hast ja mir auch Heil versprochen!

16. Wenn den Flammen übergeben
Die Verdammten dann erbeben,
Rufe segnend mich zum Leben!

17. Zu dir heb‘ ich Herz und Hände,
Fleh‘ gebeugt: dich zu mir wende!
Schenke mir ein sel’ges Ende!

unbekannt – Dies Irae

1840

Schreckenstag der Zornesfülle!
Weltenpracht wird Aschenhülle!
David zeugt’s und die Sibylle.

Welch ein Zittern vor dem Fluche!
Kommt der Richter – nach dem Buche
Richtend mit gerechtem Spruche!

Du, Drommet‘, mit Schreckenstone
Dringst durch Grüfte jeder Zone!
Alles stellt sich vor dem Throne.

Tod, du staunest! Auf euch Fluren
Zeigen sich des Richters Spuren
Dem erstehn die Kreaturen.

Gottes Rechtsbuch ist zur Stelle;
Deine Schuld zeigt’s klar und helle,
Welt, dass man dein Urteil fälle!

Streng wird nun der Richter rechten;
Alles Böse aus den Nächten
Bringt an’s Licht Er; Weh den Schlechten!

Wo ist Hilf‘? – dass ich sie suche!
Wo ein Schützer vor dem Fluche?
Schuld der Frommen steht im Buche!

Gott, wie heilig ist dein Walten!
Gnade nur kann uns erhalten,
Gnadenquell, lass Gnade walten!

Denke, Jesu, an dein Lieben!
Himmelab hat’s dich getrieben!
Und an mir wär’s fruchtlos blieben?

Wollt’st mich in der Irr‘ nicht lassen,
Suchtest mich bis zum Erblassen,
Kannst mich, Heiland, nimmer hassen!

Richter auf gerechtem Throne,
Gnadenvoll ach! mein verschone!
Eh‘ du nahest mit dem Lohne!

Schuldbelastet steh‘ ich blödig;
Schamrot fleh‘ ich: Sei mir gnädig,
Mach‘ den Beter Sündenledig!

Der du gnädig warst Marien,
Der dem Schächer du verziehn,
Du lässt mir auch Hoffnung blühen.

Würdig wohl ist nicht mein Bitten,
Doch du hast für mich gelitten,
Und der Höll‘ mich abgestritten!

Zu den Schafen mich geselle!
Von den Böcken fern mich stelle,
Dir zur Rechten! Süße Stelle!

Wenn Verdammte dahin fliehen,
Wo die ew’gen Flammen glühen,
Lass mich mit den Sel’gen ziehen!

Herz, du Staub und Asch‘! Hienieden
Fleh‘ gebeugt, dass Gottes Frieden,
Dir beim Scheiden sei beschieden!

O du Tag der Tränenfülle!
Da aus seiner Aschenhülle
Wird ersteh“n der Mensch in Schulden;
Schon‘ dann sein, o Gott, in Hulden!

Jesu, frommer Herre du,
Ach, verleihe ihnen Ruh!

Hähnel – Dies Irae

1840

Tag des Zornes, wirst vergelten,
Lösest auf in Staub die Welten,
Wie Sibyll und David melden.

Welch ein Schrecken wird da walten,
Naht der Herr, – Gericht zu halten,
Alles strenge zu entfalten.

Die Posaun‘ im Wundertone
Dröhnt durch Grüfte jeder Zone,
Zwinget alle hin zum Throne.

Die Natur, der Tod wird beben,
Wenn sich ihre Opfer heben,
Und dem Richter Antwort geben.

Auch das Buch wird aufgeschlagen,
Worin alles eingetragen,
Um hiernach das Recht zu sagen.

Vor des Richters Angesichte
Das Geheimste kömmt zum Lichte,
Nichts entrinnt dem Weltgerichte.

Wie wird’s Armen mir ergehen?
Wo werd‘ ich dann Schutz erflehen,
Wenn Gerechte kaum bestehen?

König, hehr und furchtbar dräuend,
Würd’gen Hilfe gern verleihen,
Hilf auch mir dann, mild verzeihend!

Denke, Jesu, deiner Qualen,
Dass mir galt dein Erdenwallen,
Lass mich, Güt’ger, dort nicht fallen!

Hast gesucht mich unverdrossen,
Hast dein Blut für mich vergossen,
Nicht umsonst sei es geflossen.

Rechter mit gerechter Waage,
Höre meiner Reue klage
Noch vor jenem Rächertage!

Ich erseufze schuldbeladen,
Ich erröt‘ ob meiner Taten,
Mich verschone, Born der Gnaden!

Magdalenen wird verziehen,
Und dem Schächer Heil verliehen,
Hoffnung will auch mich durchglühen.

Zwar unwürdig ist mein Flehen,
Doch lass mich nicht untergehen
In der Flammen ew’gen Wehen!

Bei den Lämmern lass mich weiden,
Woll‘ mich von den Böcken scheiden,
Stellend mich zur rechten Seiten!

Und wenn die Verdammten beben,
Grausen Flammen übergeben,
Ruf‘ mich ein zum ew’gen Leben!

Mit zerknirschtem Herzen wende
Ich im Staub‘ zu dir die Hände:
Schenke mir ein selig Ende!

unbekannt – Dies Irae

1840

Tag des Zorns, der wird erfüllen
Davids Spruch und der Sibyllen,
Und die Welt in Asche hüllen.

Welch ein Schrecken wird entstehen,
Wenn man wird den Richter sehen
Kommen aus des Himmels Höhen!

Die Posaune wird erklingen,
In die tiefsten Gräber dringen,
Alle vor den Richtstuhl bringen.

Tod und Schöpfung wird erbeben,
Wenn, um Rechenschaft zu geben,
Die Entschlaf’nen sich erheben!

Eine Schrift wird aufgeschlagen,
Da von Aller Lebenstagen
Sind die Sünden eingetragen.

Wenn nun das Gericht begonnen,
Kommt an’s helle Licht der Sonnen,
Was Geheimes ward begonnen.

Was will dann ich Armer sagen?
Wo den Beistand mir erfragen,
Da die Frommen selbst verzagen?

König auf erhab’nem Throne!
Niemand hat ein Recht zum Lohne,
Gnade sei’s die mein verschone!

Milder Jesu, in die Waage
Wirf mein Ziel und deine Plage,
Die mich schirm‘ an jenem Tage!

Herr, die Mühsal‘ deines Strebens
Und das Opfer deines Lebens,
Deine Huld sei nicht vergebens.

Richter mit gerechter Waage!
Sprich mich los von aller Klage
Vor dem großen Schreckenstage!

Gott, mit schwerer Schuld beladen
Und mich schämend meiner Schaden,
Fleh‘ ich: Nimm mich auf zu Gnaden!

Der du liebevoll Marien
Und dem Schächer hast verziehen,
Mir auch hast du Mut verliehen.

Ist auch ohne Wert mein Flehen,
Aus Erbarmung lass geschehen,
Dass der Höll‘ ich mög‘ entgehen.

Mit den Schäflein, deinen Frommen,
Lass, der Böcke Schar entnommen,
Mich zu deiner Rechten kommen!

Rufe, wann du zu den Flammen
Die Verworfnen wirst verdammen,
Mit den Heil’gen mich zusammen!

Gott, mit büßender Gebärde,
und zermalmt, wie Staub der Erde,
Fleh‘ ich, dass ich selig werde!

Tag der Zähren! Tag der Wehen!
Da der Mensch soll auferstehen,
Um sein Urteil zu empfangen,
Gott, o lass ihn Gnad‘ erlangen!

Milder Jesu, Herr, verleih,
Dass ihr Schlaf in Frieden sei!

Ludwig Steckling – Dies Irae

1840

Tag der Zorngewalt, der hohen,
Du zerstörst die Welt in Lohen,
Wie Sibyll‘ und David drohen.

Welch Erbeben in den Grüften,
Wann der Richter kommt in Lüften,
Des Gerichtes Stuhl zu stiften!

Der Posaune Wunderschallen
Öffnet die Begräbnishallen,
Alles muss zum Throne wallen.

Da erstaunet Tod und Leben,
Wann Verstorb’ne sich erheben,
Antwort ihrem Herrn zu geben.

Und ein Buch wird aufgeschlagen,
Um dem Richter anzusagen
So Belobungen wie Klagen.

Dunkles bei der Urteilsfällung
Bringt er an des Tages Hellung,
Weh dann, Wehe der Verstellung!

O wo find‘ ich da Befreiung?
Wo erlang ich Schirmverleihung,
Wann der Beste ruft: Verzeihung?
`
Herr der Macht auf Donnerpfaden!
Heiland, heilend mit der Gnaden,
Heile mich von meinem Schaden!

Denke doch an dein Erbarmen,
Da du littest für mich Armen;
Fasse mich in Liebesarmen!

Für mich trugest du Verhöhnung,
Geißelhiebe, Dornenkrönung,
und ich fände nicht Versöhnung?

Richter von gerechter Waltung,
Schenke gnädig mir Erhaltung
Vor des Rachetages Haltung!

Sieh! daher komm‘ ich gegangen
Seufzend überglüht die Wangen,
Lass Vergebung mich erlangen!

Du, der ihre Schuld Marien
Und dem Schächer hat verziehen,
Hoffnung hast du mir verliehen.

Ist mein Flehen kaum beweglich,
So ist deine Huld unsäglich,
Ewig Feuer ohnerträglich.

Von den Böcken, von den Schlechten
Sondre mich zu den Gerechten;
Stelle mich zu deiner Rechten!

Wann du jene wirst verdammen
Zu der Peinigung der Flammen,
Lass mit diesen mich zusammen!

Trauervoll die Asche hüt‘ ich;
Bitte de- und wehemütig:
Mach’s mit meinem Ende gütig!

Tag der Zähren, Tag der Wehen,
Wann die Sünder auferstehen,
Vor den Richterstuhl zu gehen!

Schone, Jesu, schone du!
Lege dein Erbarmen zu,
Und verleih‘ denselben Ruh!

Amen.

Couard, Christian Ludwig – Dies Irae

Tag des Zorns, in Aschenhülle
kleid’st du einst der Welten Hülle,
David zeugt’s und die Sibylle.

Welch‘ Entsetzen weckt die Kunde:
Jetzt ist da des Richters Stunde!
Alles prüft er aus dem Grunde.

Hat Posaunenhall geboten,
Gehn aus ihrer Gruft die Toten,
Zu des Richters Thron entboten.

Tod, Natur mit Schreckensspuren
Sehn erstehn auf allen Fluren
Zum Gericht die Kreaturen.

Und ein Buch wird aufgedecket,
Welches alle Welt entdecket,
Die zu Richtenden erschrecket.

Prüfend wird der Richter sehen,
Was im Finstern ist geschehen,
Nichts wird ungestraft hingehen.

Alle Ausflucht ist entschwunden,
Und kein Helfer zu erkunden,
Wo kein Reiner wird gefunden.

Herr, voll Majestät und Gnaden,
Der uns frei zum Reich geladen,
Rette mich, wend‘ allen Schaden!

Dort, o Jesu, sei dein Lieben,
Das vom Himmel dich getrieben,
Noch der Trost, der mir verblieben!

Littest für mich Angst und Hassen,
Wollt’st für mich am Kreuz erblassen,
O, wie könntest du mich lassen!

Herr, von dem, was ich verbrochen,
Lass mich doch sein losgesprochen,
Eh‘ der Richttag angebrochen!

Ach, vor Scham muss ich erröten,
Schuldbeladen vor dich treten,
Reuig „Herr verschone!“ beten.

Der du gnädig einst Marien,
Und dem Schächer hast verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Wertlos zwar sind meine Bitten,
Doch weil du für mich gelitten,
Reiß‘ mich aus der Hölle Mitten!

Woll’st mich zu den Schafen stellen,
Nicht den Böcken zugesellen,
Mir ein gnädig urteil fällen!

Wenn dann die Verdammten wimmern,
Wo der Hölle Gluten flimmern,
Lass dein Gnadenlicht mir schimmern!

Angstvoll und gebeugt hienieden,
Fleh‘ ich, Herr, lass deinen Frieden
Mir im Tode sein beschieden!

Lisco, Friedrich Gustav – Dies Irae

Tag des Zorns, Tag zu vergelten!
Feuers Glut verzehrt die Welten,
Denn der Seher Wort muss gelten.

Welch Entsetzen bei der Kunde,
Dass der Richter naht zur Stunde,
Markdurchschneidend Schwert im Munde!

Mit Posaunen-Schreckenstönen,
Die durch alle Gräber dröhnen,
Ruf zum Thron Er Staubessöhnen.

Tod und Höll‘ und die Naturen
Sahn’s erstaunt, wie Kreaturen
Zum Gerichtsplatz aufwärts fuhren.

Und ein Buch wird hergetragen,
Gottes Recht liegt aufgeschlagen,
Richten soll’s ob Menschentagen.

Und der Richter ist zur Stelle,
Was verborgen, kommt an’s Helle,
Rache über Sündenfälle.

Find‘ ich, Sünder, wohl Entschuld’ung?
Wessen Fürsprach‘ schafft mir Duldung,
Da nicht reine ohn‘ Verschuldung?

Hehrer Herrscher! Dein Erbarmen
Hilft Hilflosen, auch mir Armen
Hilf mit mächt’gen Liebes-Armen!

Denke, Jesu, mein in Liebe,
Retter mein aus Liebestriebe,
Dass mein Tod dich nicht betrübe!

Gingst so treu, um mich zu suchen,
Liessest dir am Kreuze fluchen,
Nicht umsonst sei dein Besuchen!

Rechter Rache heil’ger Rächer!
Reiche mir den Gnadenbecher,
Eh‘ du richtest die Verbrecher!

Schamrot, reuvoll ob der Schulden,
Blick‘ ich auf zu deinen Hulden,
Woll’st mein Bitten huldvoll dulden!

Gnade gabst du einst Marien,
Hast dem Schächer selbst verziehen,
Mir auch Hoffnung so verliehen!

Wohl unwürdig, mein Gemüte,
ist dein Fleh’n, doch Herr, aus Güte
Mich vor ew’ger Flamm‘ behüte!

Wollst mich, Hirt, dein Schäflein nennen,
Dir zur Rechten Platz mir gönnen,
Ewig mich von Böcken trennen!

Schickst in grause feuerflammen,
Die du musst, o Herr, verdammen: –
Ruf‘ mit Frommen mich zusammen!

Herzzerknirscht zu Asch‘ und Staube,
Tiefgebeugt fleh‘ ich, und glaube,
Lass mich nicht dem Grab‘ zum Raube!

Tränenreichster aller Tage!
Wo aus Staub ersteht zur Plage,
Wer zu leicht auf Gottes Waage!
All‘ uns, Gott, in Gnaden trage!

Schenk‘ uns, Herr Gott, deine Ruh,
Ew’gen Frieden gib Jesu!

Adalbert Daniel – Dies Irae

Jener Tag der Zornesfülle
Löst in Staub der Welten Hülle —
David zeigt’s und die Sibylle.

Welch Entsetzen vor der Kunde,
Dass der Richter kommt zur Stunde,
Prüfend Alles bis zum Grunde.

Die Posaun‘ im Wundertone,
Dröhnend durch der Gräber Zone,
Sammelt Alle vor dem Throne.

Tod erstarrt samt den Naturen,
Wenn erstehn die Kreaturen,
So herauf zur Antwort fuhren.

Und ein Buch wird dann gesehen,
D’rin sie All‘ geschrieben stehen,
Die zum Richtspruch müssen gehen.

Dass der Richter Urteil fälle,
Tritt das Heimlichste ins Helle,
Nichts bleibt ungerächt zur Stelle.

Wie wird dann mir sein zu Mute?
Wer lenkt ab des Zornes Rute,
Da kaum sicher ist der Gute?

König, du erschütternd prachtvoll,
Hilfst den Deinen gnädig, machtvoll,
Gnadenquell, auch mir hilf achtvoll!

Und mein Jesu, du so milde
Wardst für mich zum Menschenbilde,
Jenen Tag sei mir zum Schilde!

Bist so treu mich suchen gangen,
Hast am Kreuz für mich gehangen,
Nicht umsonst sei Müh‘ und Bangen!

Rechter Richter aller Lohnung,
Gnade schenke mir und Schonung
Eh‘ zerfällt des Leibes Wohnung!

Als ein Sünder muss ich flehen,
Fühle Glut im Antlitz stehen,
Schone, Gott, der Reue Wehen!

Du, der lossprach einst Marien,
Und dem Schächer noch verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Zwar unwürdig ist mein Bitten:
Du, der auch für mich gelitten,
Reiß´ mich aus der Hölle Mitten!

Woll’st mich von den Böcken trennen,
Und den Schafen zuerkennen,
Platz zu deiner Rechten gönnen!

Wenn die Flucht verdammten Sündern
Grause Flammenströme hindern,
Rufe mich zu deinen Kindern!

Ach, ich fleh‘ so ehrerbietig,
Mit dem Herzen tief demütig:
Mach’s mit meinem Ende gütig!

Jenen Tag der tränenfülle
Wird aus seiner Aschenhülle
Zum Gericht der Mensch erstehen:
Gott, lass ihn dann Gnade sehen!

H. Freyberg – Dies Irae

Feuer wird am zornesschweren
Tag‘, was zeitlich ist, zerstören,
Wie Sibyll‘ und David lehren.

Zittern werden Aller Glieder,
Wann der Richter steigt hernieder,
Recht zu sprechen für und wieder.

Da wird, von Posaunenklängen
Aufgeweckt, man Gräber sprengen,
Vor den Richtstuhl sich zu drängen.

Staunen werden Tod und Leben,
Wann die Leiber sich erheben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben.

Und das Buch wird aufgeschlagen,
Worin Alles eingetragen,
Danach wird den Spruch man sagen.

Sitzt der Richter, wird er richten,
Jedes Dunkel wird er lichten,
Rächen die verletzten Pflichten.

Was soll, Armer, ich dann sagen?
Wen zum Schutz zu rufen wagen,
Wo Gerechte schier verzagen?

Fürst mit furchtbar strengen Mienen,
Der du schirmst, die es verdienen,
Lass ein Gnadenreis mir grünen!

Süßer Jesus, denk in Gnaden,
Dass ich Ziel war deinen Pfaden,
Wahr‘ am Richttag mich vor Schaden!

Weil du, folgend meinen Tritten,
Müd‘ um mich am Kreuz gelitten,
Habe nicht umsonst gestritten!

Rächer der gerechten Sache!
Teilhaft der Vergebung mache
Mich noch vor dem Tag der Rache!

Zagend gleich dem Bösewichte,
Rot vor Schuld im Angesichte,
Fleh‘ ich: Herr, barmherzig richte!

Der du schuldfrei sprachst Marien,
Der dem Schächer du verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.

Meiner Bitten Unwert kenn‘ ich;
Hold sei mir, den gnädig nenn‘ ich,
Sonst im ew’gen Feuer brenn‘ ich!

Lass mich mit den Schäflein gehen,
Mich getrennt von Böcken sehen,
Herr, zu deiner Rechten stehen!

Wann ihr Urteil die vernommen,
Die verdammt zur Hölle kommen,
Rufe mich dann mit den Frommen!

Knieend falt‘ ich meine Hände,
Fleh‘ zerknirscht im Herzen: Spende,
Herr, mir einst ein gnädig Ende!