unbekannt – Dies irae, Fragment

1. Tag des Zorns, in Flammenmeeren
Wirst du einst die Welt verzehren,
Wie Sibyll‘ und David lehren.

3. Beim Posaunen-Wunderschalle
Tut sich auf der Toten Halle,
Vor dem Thron erscheinen Alle.

4. Wie Natur und Tod erbeben,
Dass die Toten wieder leben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben!

5. Und ein Buch wird aufgeschlagen,
In das Alles eingetragen,
Was die Welt dort wird verklagen.

6. Wenn da nun der Richter thronet,
Der Verborg’nes nicht verschonet,
Und nach Jedes Werken lohnet:

7. Was soll dann ich Sünder sagen?
Wen um Schutz zu bitten wagen,
Wo Gerechte selber zagen?

9. Heil’ger Jesu, Mensch geboren,
Mir zum Heiland auserkoren,
Lass mich dann nicht sein verloren.

10. Hast dich müd‘ um mich geworben,
Bist am Kreuz für mich gestorben,
Und die Frucht wär‘ dir verdorben?

11. Ernster Richter meiner Sünden,
Lass mich noch Vergebung finden,
Eh‘ die Gnadenstunden schwinden!

12. Schamglut rötet meine Wangen,
Schuldig seufz‘ ich voll Verlangen:
Lass, o Gott, mich Gnad‘ erlangen.

13. Der Marien losgesprochen,
Schächers Gnade nicht gerochen1gerächt
Hast ja mir auch Heil versprochen!

16. Wenn den Flammen übergeben
Die Verdammten dann erbeben,
Rufe segnend mich zum Leben!

17. Zu dir heb‘ ich Herz und Hände,
Fleh‘ gebeugt: dich zu mir wende!
Schenke mir ein sel’ges Ende!