Gellert, Christian Fürchtegott – Für alle Güte sei gepreist,

Für alle Güte sei gepreist,
Gott Vater, Sohn und heilger Geist!
Ihr bin ich zu geringe.
Vernimm den Dank,
Den Lobgesang,
Den ich dir kindlich singe.

Du nahmst dich meiner herzlich an,
Hast Großes heut an mir getan,
Mir mein Gebet gewähret;
Hast väterlich
Mein Haus und mich
Beschützet und genähret.

Herr, was ich bin, ist dein Geschenk;
Der Geist, mit dem ich dein gedenk,
Ein ruhiges Gemüte;
Was ich vermag
Bis diesen Tag,
Ist alles deine Güte.

Sei auch, nach deiner Lieb und Macht,
Mein Schutz und Schirm in dieser Nacht;
Vergib mir meine Sünden.
Und kömmt mein Tod,
Herr Zebaoth,
So laß mich Gnade finden.

Gellert, Christian Fürchtegott – Ein Herz, o Gott! in Leid und Kreuz geduldig,

Ein Herz, o Gott! in Leid und Kreuz geduldig,
Das bin ich dir und meinem Heile schuldig.
Laß mich die Pflicht, die wir so oft vergessen,
Täglich ermessen.

Bin ich nicht Staub, wie alle meine Väter?
Bin ich vor dir, Herr, nicht ein Übertreter?
Tu ich zu viel, wenn ich die schweren Tage
Standhaft ertrage?

Wie oft, o Gott! wenn wir das Böse dulden,
Erdulden wir nur unsrer Torheit Schulden,
Und nennen Lohn, den wir verdient bekommen,
Trübsal der Frommen!

Ist Dürftigkeit, in der die Trägen klagen,
Sind Haß und Pein, die Stolz und Wollust tragen,
Des Schwelgers Schmerz, des Neids vermißte Freuden,
Christliches Leiden?

Ist deren Qual, die deinen Rat verachtet,
Nach Gottesfurcht und Glauben nie getrachtet,
Und die sich itzt in finstrer Schwermut quälen,
Prüfung der Seelen?

Doch selbst, o Gott, in Strafen unsrer Sünden
Läßt du den Weg zu unserm Heil uns finden,
Wenn wir sie uns, die Missetat zu hassen,
Züchtigen lassen.

Jag ich nur nach dem Frieden im Gewissen:
Wird alles mir zum Besten dienen müssen.
Du, Herr, regierst, und ewig wirkt dein Wille
Gutes die Fülle.

Ich bin ein Gast und Pilger auf der Erden,
Nicht hier, erst dort, dort soll ich glücklich werden;
Und gegen euch, was sind, ihr ewgen Freuden,
Dieser Zeit Leiden?

Wenn ich nur nicht mein Elend selbst verschulde;
Wenn ich als Mensch, als Christ, hier leid und dulde:
So kann ich mich der Hülfe der Erlösten
Sicher getrösten.

Ich bin ein Mensch, und Leiden müssen kränken;
Doch in der Not an seinen Schöpfer denken,
Und ihm vertraun, dies stärket unsre Herzen
Mitten in Schmerzen.

Schau über dich! Wer trägt der Himmel Heere?
Merk auf! Wer spricht: Bis hieher! zu dem Meere?
Ist er nicht auch dein Helfer und Berater,
Ewig dein Vater?

Willst du so viel, als der Allweise, wissen?
Itzt weißt du nicht, warum du leiden müssen;
Allein du wirst, was seine Wege waren,
Nachmals erfahren.

Er züchtigt uns, damit wir zu ihm nahen,
Die Heiligung des Geistes zu empfahen,
Und mit dem Trost der Hülfe, die wir merken,
Andre zu stärken.

Das Kreuz des Herrn wirkt Weisheit und Erfahrung;
Erfahrung gibt dem Glauben Mut und Nahrung.
Ein starkes Herz steht in der Not noch feste.
Hoffe das Beste!

Gellert, Christian Fürchtegott – Gott ist mein Hort!

Gott ist mein Hort!
Und auf sein Wort
Soll meine Seele trauen.
Ich wandle hier,
Mein Gott, vor dir
Im Glauben, nicht im Schauen.

Dein Wort ist wahr;
Laß immerdar
Mich seine Kräfte schmecken.
Laß keinen Spott,
O Herr mein Gott,
Mich von dem Glauben schrecken!

Wo hätt ich Licht,
Wofern mich nicht
Dein Wort die Wahrheit lehrte?
Gott, ohne sie
Verstünd ich nie,
Wie ich dich würdig ehrte.

Dein Wort erklärt
Der Seele Wert,
Unsterblichkeit und Leben.
Zur Ewigkeit
Ist diese Zeit
Von dir mir übergeben.

Dein ewger Rat,
Die Missetat
Der Sünder zu versühnen;
Den kennt ich nicht,
Wär mir dies Licht
Nicht durch dein Wort erschienen.

Nun darf mein Herz
In Reu und Schmerz
Der Sünden nicht verzagen;
Nein du verzeihst,
Lehrst meinen Geist
Ein gläubig Abba sagen.

Mich zu erneun,
Mich dir zu weihn,
Ist meines Heils Geschäfte.
Durch meine Müh
Vermag ich’s nie;
Dein Wort gibt mir die Kräfte.

Herr, unser Hort,
Laß uns dies Wort!
Denn du hast’s uns gegeben.
Es sei mein Teil,
Es sei mir Heil,
Und Kraft zum ewgen Leben!

Gellert, Christian Fürchtegott – Dir dank ich heute für mein Leben;

Dir dank ich heute für mein Leben;
Am Tage, da du mir’s gegeben,
Dank ich dir, Gott, dafür.
Durch freie Gnad allein bewogen,
Hast du mich aus dem Nichts gezogen;
Durch deine Güte bin ich hier.

Du hast mich wunderbar bereitet,
An deiner Rechten mich geleitet,
Bis diesen Augenblick.
Du gabst mir tausend frohe Tage,
Verwandeltest selbst meine Klage
Und meine Leiden in mein Glück.

Ich bin der Treue zu geringe,
Mit der du, Herrscher aller Dinge,
Stets über mich gewacht.
O Gott! damit ich glücklich werde,
Hast du an mich, mich Staub und Erde,
Von Ewigkeit her schon gedacht!

Du sahst und hörtest schon mein Sehnen,
Und zähltest alle meine Tränen,
Eh ich bereitet war;
Und wogst, eh ich zu sein begonnte,
Eh ich zu dir noch rufen konnte,
Mir mein bescheiden Teil schon dar.

Du ließt mich Gnade vor dir finden;
Und sahst doch alle meine Sünden
Vorher von Ewigkeit.
O welche Liebe! welch Erbarmen!
Der Herr der Welt sorgt für die Armen,
Und ist ein Vater, der verzeiht.

Für alle Wunder deiner Treue,
Für alles, dessen ich mich freue,
Lobsinget dir mein Geist.
Er selber ist dein größt Geschenke;
Dein ist’s, daß ich durch ihn dich denke,
Und dein, daß er dich heute preist.

Daß du mein Leben mir gefristet,
Mit Stärk und Kraft mich ausgerüstet,
Dies, Vater, dank ich dir;
Daß du mich wunderbar geführet,
Mit deinem Geiste mich regieret,
Dies alles, Vater, dank ich dir.

Soll ich, o Gott! noch länger leben:
So wirst du, was mir gut ist, geben;
Du gibst’s, ich hoff auf dich.
Dir, Gott, befehl ich Leib und Seele.
Der Herr Herr, dem ich sie befehle,
Der segne und behüte mich!

Gellert, Christian Fürchtegott – Gedanke, der uns Leben gibt,

Gedanke, der uns Leben gibt,
Welch Herz vermag dich auszudenken!
»Also hat Gott die Welt geliebt,
Uns seinen Sohn zu schenken!«

Hoch über die Vernunft erhöht,
Umringt mit heilgen Finsternissen,
Füllst du mein Herz mit Majestät,
Und stillest mein Gewissen.

Ich kann der Sonne Wunder nicht,
Noch ihren Lauf und Bau ergründen;
Und doch kann ich der Sonne Licht
Und ihre Wärm empfinden.

So kann mein Geist den hohen Rat
Des Opfers Jesu nicht ergründen;
Allein das Göttliche der Tat,
Das kann mein Herz empfinden.

Nimm mir den Trost, daß Jesus Christ
Am Kreuz nicht meine Schuld getragen,
Nicht Gott und mein Erlöser ist:
So werd ich angstvoll zagen.

Ist Christi Wort nicht Gottes Sinn:
So werd ich ewig irren müssen,
Und wer Gott ist, und was ich bin,
Und werden soll, nicht wissen.

Nein, diesen Trost der Christenheit
Soll mir kein frecher Spötter rauben;
Ich fühle seine Göttlichkeit,
Und halte fest am Glauben.

Des Sohnes Gottes Eigentum,
Durch ihn des ewgen Lebens Erbe,
Dies bin ich; und das ist mein Ruhm,
Auf den ich leb und sterbe.

Er gibt mir seinen Geist, das Pfand,
Daran wir seine Liebe merken,
Und bildet uns durch seine Hand
Zu allen guten Werken.

So lang ich seinen Willen gern
Mit einem reinen Herzen tue;
So fühl ich eine Kraft des Herrn,
Und schmecke Fried und Ruhe.

Und wenn mich meine Sünde kränkt,
Und ich zu seinem Kreuze trete;
So weiß ich, daß er mein gedenkt,
Und tut, worum ich bete.

Ich weiß, daß mein Erlöser lebt,
Daß ich, erwecket aus der Erde,
Wenn er sich zum Gericht erhebt,
Im Fleisch ihn schauen werde.

Kann unsre Lieb im Glauben hier
Für den, der uns geliebt, erkalten?
Dies ist die Lieb, o Gott! zu dir,
Dein Wort von Herzen halten.

Erfüll mein Herz mit Dankbarkeit,
So oft ich deinen Namen nenne,
Und hilf, daß ich dich allezeit
Treu vor der Welt bekenne.

Soll ich dereinst noch würdig sein,
Um deinetwillen Schmach zu leiden:
So laß mich keine Schmach und Pein
Von deiner Liebe scheiden!

Und soll ich, Gott, nicht für und für
Des Glaubens Freudigkeit empfinden:
So wirk er doch sein Werk in mir,
Und reinge mich von Sünden.

Hat Gott uns seinen Sohn geschenkt;
(So laß mich noch im Tode denken!)
Wie sollt uns der, der ihn geschenkt,
Mit ihm nicht alles schenken!

Gellert, Christian Fürchtegott – Wenn zur Vollführung deiner Pflicht

Wenn zur Vollführung deiner Pflicht
Dich Gottes Liebe nicht beseelet:
So rühme dich der Tugend nicht,
Und wisse, daß dir alles fehlet.
Wenn Vorteil, Wollust, Eigensinn
Und Stolz dir nur das Gute raten;
So tue noch so gute Taten;
Du hast vor Gott den Lohn dahin.

Sei durch die Gaben der Natur
Das Wunder und das Glück der Erden!
Beglückest du die Menschen nur,
Um vor der Welt geehrt zu werden;
Erfülle die Liebe nicht dein Herz:
So bist du bei den größten Gaben,
Bei dem Verstand, den Engel haben,
Vor Gott doch nur ein tönend Erz.

Bau Häuser auf, und brich dein Brot,
Das Volk der Armen zu verpflegen;
Entreiß die Witwen ihrer Not,
Und sei der Waisen Schutz und Segen!
Gib alle deine Habe hin!
Noch hast du nichts vor Gott gegeben.
Wenn Lieb und Pflicht dich nicht beleben:
So ist dir alles kein Gewinn.

Tu Taten, die der Heldenmut
Noch jemals hat verrichten können:
Vergieß fürs Vaterland dein Blut,
Laß deinen Leib für andre brennen!
Beseelet dich nicht Lieb und Pflicht;
Bist du die Absicht deiner Taten:
So schütz und rette ganze Staaten;
Gott achtet deiner Werke nicht.

Läg ihm an unsern Werken nur:
So könnt er uns, sie zu vollbringen,
Sehr leicht durch Fessel der Natur,
Durch Kräfte seiner Allmacht zwingen.
Vor ihm, der alles schafft und gibt,
Gilt Weisheit nichts, nichts Macht und Stärke.
Er will die Absicht deiner Werke,
Ein Herz, das ihn verehrt und liebt.

Ein Herz, von Eigenliebe fern,
Fern von des Stolzes eitlem Triebe,
Geheiligt durch die Furcht des Herrn,
Erneut durch Glauben zu der Liebe;
Dies ist’s, was Gott von uns verlangt.
Und wenn wir nicht dies Herz besitzen:
So wird ein Leben uns nichts nützen,
Das mit den größten Taten prangt.

Drum täusche dich nicht durch den Schein,
Nicht durch der Tugend bloßen Namen.
Sieh nicht auf deine Werk allein;
Sieh auf den Quell, aus dem sie kamen.
Prüf dich vor Gottes Angesicht,
Ob seine Liebe dich beseelet.
Ein Herz, dem nicht der Glaube fehlet,
Dem fehlet auch die Liebe nicht.

Wohnt Liebe gegen Gott in dir:
So wird sie dich zum Guten stärken.
Du wirst die Gegenwart von ihr
An Liebe zu dem Nächsten merken.
Die Liebe, die dich schmücken soll,
Ist gütig; ohne List und Tücke;
Beneidet nicht des Nächsten Glücke;
Sie bläht sich nicht; ist langmutsvoll.

Sie deckt des Nächsten Fehler zu,
Und freut sich niemals seines Falles.
Sie suchet nicht bloß ihre Ruh.
Sie hofft und glaubt und duldet alles;
Sie ist’s, die dir den Mut verleiht,
Des Höchsten Wort gern zu erfüllen,
Macht seinen Sinn zu deinem Willen,
Und folgt dir in die Ewigkeit.

Gellert, Christian Fürchtegott – Mein erst Gefühl sei Preis und Dank;

Mein erst Gefühl sei Preis und Dank;
Erheb ihn, meine Seele!
Der Herr hört deinen Lobgesang;
Lobsing ihm, meine Seele!

Mich selbst zu schützen, ohne Macht,
Lag ich und schlief im Frieden.
Wer schafft die Sicherheit der Nacht,
Und Ruhe für die Müden?

Wer wacht, wenn ich von mir nichts weiß,
Mein Leben zu bewahren?
Wer stärkt mein Blut in seinem Fleiß,
Und schützt mich vor Gefahren?

Wer lehrt das Auge seine Pflicht,
Sich sicher zu bedecken?
Wer ruft dem Tag und seinem Licht,
Die Seele zu erwecken?

Du bist es, Herr und Gott der Welt,
Und dein ist unser Leben.
Du bist es, der es uns erhält,
Und mir’s itzt neu gegeben.

Gelobet seist du, Gott der Macht,
Gelobt sei deine Treue!
Daß ich nach einer sanften Nacht
Mich dieses Tags erfreue.

Laß deinen Segen auf mir ruhn,
Mich deine Wege wallen;
Und lehre du mich selber tun
Nach deinem Wohlgefallen.

Nimm meines Lebens gnädig wahr;
Auf dich hofft meine Seele.
Sei mir ein Retter in Gefahr,
Ein Vater, wenn ich fehle.

Gib mir ein Herz voll Zuversicht,
Erfüllt mit Lieb und Ruhe,
Ein weises Herz, das seine Pflicht
Erkenn und willig tue.

Daß ich, als ein getreuer Knecht,
Nach deinem Reiche strebe,
Gottselig, züchtig und gerecht
Durch deine Gnade lebe.

Daß ich, dem Nächsten beizustehn,
Nie Fleiß und Arbeit scheue,
Mich gern an andrer Wohlergehn
Und ihrer Tugend freue.

Daß ich das Glück der Lebenszeit
In deiner Furcht genieße,
Und meinen Lauf mit Freudigkeit,
Wenn du gebeutst, beschließe.

Gellert, Christian Fürchtegott – Der Wollust Reiz zu widerstreben,

Der Wollust Reiz zu widerstreben,
Dies, Jugend, liebst du Glück und Leben,
Laß täglich deine Weisheit sein.
Entflieh der schmeichelnden Begierde;
Sie raubet dir des Herzens Zierde,
Und ihre Freuden werden Pein.

Laß, ihr die Nahrung zu verwehren,
Nie Speis und Trank dein Herz beschweren,
Und sei ein Freund der Nüchternheit.
Versage dir, dich zu besiegen,
Auch öfters ein erlaubt Vergnügen,
Und steure deiner Sinnlichkeit.

Laß nicht dein Auge dir gebieten;
Und sei, die Wollust zu verhüten,
Stets schamhaft gegen deinen Leib.
Entflieh des Witzlings freien Scherzen,
Und such im Umgang edler Herzen
Dir Beispiel, Witz und Zeitvertreib.

Der Mensch, zu Fleiß und Arbeit träge,
Fällt auf des Müßigganges Wege
Leicht in das Netz des Bösewichts.
Der Unschuld Schutzwehr sind Geschäfte.
Entzieh der Wollust ihre Kräfte
Im Schweiße deines Angesichts.

Erwacht ihr Trieb, dich zu bekämpfen;
So wach auch du, ihn früh zu dämpfen,
Eh er die Freiheit dir verwehrt.
Ihn bald in der Geburt ersticken,
Ist leicht; schwer ist’s, ihn unterdrücken,
Wenn ihn dein Herz zuvor genährt.

Oft kleiden sich des Lasters Triebe
In die Gestalt erlaubter Liebe,
Und du erblickst nicht die Gefahr.
Ein langer Umgang macht dich freier;
Und oft wird ein verbotnes Feuer
Aus dem, was anfangs Freundschaft war.

Dein fühlend Herz wird sich’s verzeihen;
Es wird des Lasters Ausbruch scheuen,
Indem es seinen Trieb ernährt.
Du wirst dich stark und sicher glauben,
Und kleine Fehler dir erlauben,
Bis deine Tugend sich entehrt.

Doch nein, du sollst sie nicht entehren,
Du sollst dir stets die Tat verwehren;
Ist drum dein Herz schon tugendhaft?
Ist’s Sünde nur, die Tat vollbringen?
Sollst du nicht auch den Trieb bezwingen,
Nicht auch den Wunsch der Leidenschaft?

Begierden sind es, die uns schänden;
Und ohne daß wir sie vollenden,
Verletzen wir schon unsre Pflicht.
Wenn du vor ihnen nicht errötest,
Nicht durch den Geist die Lüste tötest:
So rühme dich der Keuschheit nicht!

Erfülle dich, scheinst du zu wanken,
Oft mit dem mächtigen Gedanken:
Die Unschuld ist der Seele Glück.
Einmal verscherzt und aufgegeben,
Verläßt sie mich im ganzen Leben,
Und keine Reu bringt sie zurück.

Denk oft bei dir: Der Wollust Bande
Sind nicht nur dem Gewissen Schande,
Sie sind auch vor der Welt ein Spott.
Und könnt ich auch in Finsternissen
Den Greul der Wollust ihr verschließen:
So sieht und findet mich doch Gott.

Die Wollust kürzt des Lebens Tage,
Und Seuchen werden ihre Plage,
Da Keuschheit Heil und Leben erbt.
Ich will mir dies ihr Glück erwerben.
Den wird Gott wiederum verderben,
Wer seinen Tempel hier verderbt.

Wie blühte nicht des Jünglings Jugend!
Doch er vergaß den Weg der Tugend;
Und seine Kräfte sind verzehrt.
Verwesung schändet sein Gesichte,
Und predigt schrecklich die Geschichte
Der Lüste, die den Leib verheert.

So rächt die Wollust an den Frechen
Früh oder später die Verbrechen,
Und züchtigt dich mit harter Hand.
Ihr Gift wird dein Gewissen quälen;
Sie raubet dir das Licht der Seelen,
Und lohnet dir mit Unverstand.

Sie raubt dem Herzen Mut und Stärke,
Raubt ihm den Eifer edler Werke,
Den Adel, welchen Gott ihm gab;
Und unter deiner Lüste Bürde
Sinkst du von eines Menschen Würde
Zur Niedrigkeit des Tiers herab.

Drum fliehe vor der Wollust Pfade,
Und wach und rufe Gott um Gnade,
Um Weisheit in Versuchung an.
Erzittre vor dem ersten Schritte;
Mit ihm sind schon die andern Tritte
Zu einem nahen Fall getan.

Gellert, Christian Fürchtegott – Wer Gottes Wort nicht hält, und spricht:

Wer Gottes Wort nicht hält, und spricht:
Ich kenne Gott! der trüget;
In solchem ist die Wahrheit nicht,
Die durch den Glauben sieget.
Wer aber sein Wort glaubt und hält,
Der ist von Gott, nicht von der Welt.

Der Glaube, den sein Wort erzeugt,
Muß auch die Liebe zeugen.
Je höher dein Erkenntnis steigt,
Je mehr wird diese steigen.
Der Glaub erleuchtet nicht allein;
Er stärkt das Herz und macht es rein.

Durch Jesum rein von Missetat,
Sind wir nun Gottes Kinder.
Wer solche Hoffnung zu ihm hat,
Der flieht den Rat der Sünder;
Folgt Christi Beispiel, als ein Christ,
Und reinigt sich, wie Er rein ist.

Alsdann bin ich Gott angenehm,
Wenn ich Gehorsam übe.
Wer die Gebote hält, in dem
Ist wahrlich Gottes Liebe.
Ein täglich tätig Christentum,
Das ist des Glaubens Frucht und Ruhm.

Der bleibt in Gott, und Gott in ihm,
Wer in der Liebe bleibet.
Die Lieb ist’s, die die Cherubim,
Gott zu gehorchen, treibet.
Gott ist die Lieb; an seinem Heil
Hat ohne Liebe niemand teil.

Gellert, Christian Fürchtegott – Erforsche mich, erfahr mein Herz,

Erforsche mich, erfahr mein Herz,
Und sieh, Herr, wie ich’s meine.
Ich denk an deines Leidens Schmerz,
An deine Lieb, und weine.
Dein Kreuz sei mir gebenedeit!
Welch Wunder der Barmherzigkeit
Hast du der Welt erwiesen!
Wenn hab ich dies genug bedacht,
Und dich aus aller meiner Macht
Genug dafür gepriesen?

Rat, Kraft und Friedefürst und Held!
In Fleisch und Blut gekleidet,
Wirst du das Opfer für die Welt,
Und deine Seele leidet.
Dein Freund, der dich verrät, ist nah.
Des Zornes Gottes Stund ist da,
Und Schrecken strömen über.
Du zagst, und fühlst der Höllen Weh:
»Ist’s möglich, Vater, o so geh
Der Kelch vor mir vorüber!«

Dein Schweiß wird Blut; du ringst und zagst,
Und fällst zur Erden nieder;
Du, Sohn des Höchsten, kämpfst, und wagst
Die erste Bitte wieder.
Du fühlst, von Gott gestärkt im Streit,
Die Schrecken einer Ewigkeit,
Und Strafen sonder Ende.
Auf dich nimmst du der Menschen Schuld,
Und gibst mit göttlicher Geduld
Dich in der Sünder Hände.

Du trägst der Missetäter Lohn,
Und hattest nie gesündigt;
Du, der Gerechte, Gottes Sohn!
So war’s vorher verkündigt.
Der Frechen Schar begehrt dein Blut,
Du duldest, göttlich groß, die Wut,
Um Seelen zu erretten.
Dein Mörder, Jesus, war auch ich;
Denn Gott warf aller Sünd auf dich,
Damit wir Friede hätten.

Erniedrigt bis zur Knechtsgestalt,
Und doch der Größt im Herzen,
Erträgst du Spott, Schmach und Gewalt,
Voll Krankheit und voll Schmerzen.
Wir sahn dich, der Verheißung Ziel;
Doch da war nichts, das uns gefiel,
Und nicht Gestalt noch Schöne.
Vor dir, Herr, unsre Zuversicht,
Verbarg man selbst das Angesicht;
Dich schmähn des Bundes Söhne.

Ein Opfer nach dem ewgen Rat,
Belegt mit unsern Plagen,
Um deines Volkes Missetat
Gemartert und zerschlagen,
Gehst du den Weg zum Kreuzesstamm,
In Unschuld stumm, gleich als ein Lamm,
Das man zur Schlachtbank führet.
Freiwillig, als der Helden Held,
Trägst du, aus Liebe für die Welt,
Den Tod, der uns gebühret.

»Sie haben meine Hände mir,
Die Füße mir durchgraben,
Und große Farren sind’s, die hier
Mich, Gott! umringet haben.
Ich heul, und meine Hülf ist fern.
Sie spotten mein: Er klagt’s dem Herrn,
Ob dieser ihn befreite!
Du legst mich in des Todes Staub.
Ich bin kein Mensch, ein Wurm; ein Raub
Der Wut, ein Spott der Leute.

Ich ruf und du antwortest nie,
Und mich verlassen alle.
In meinem Durste reichen sie
Mir Essig dar und Galle.
Wie Wachs zerschmelzt in mir mein Herz.
Sie sehn mit Freuden meinen Schmerz,
Die Arbeit meiner Seelen.
Warum verläßt du deinen Knecht?
Mein Gott! mein Gott! ich leid und möcht
All mein Gebeine zählen.«

Du neigst dein Haupt. Es ist vollbracht.
Du stirbst! die Erd erschüttert.
Die Arbeit hab ich dir gemacht,
Herr, meine Seele zittert.
Was ist der Mensch, den du befreit?
O wär ich doch ganz Dankbarkeit?
Herr, laß mich Gnade finden.
Und deine Liebe dringe mich,
Daß ich dich wieder lieb, und dich
Nie kreuzige mit Sünden!

Welch Warten einer ewgen Pein
Für die, die dich verachten;
Die, solcher Gnade wert zu sein,
Nach keinem Glauben trachten!
Für die, die dein Verdienst gestehn,
Und dich durch ihre Laster schmähn,
Als einen Sündendiener!
Wer dich nicht liebt, kömmt ins Gericht.
Wer nicht dein Wort hält, liebt dich nicht;
Ihm bist du kein Versühner.

Du hast’s gesagt. Du wirst die Kraft
Zur Heiligung mir schenken.
Dein Blut ist’s, das mir Trost verschafft,
Wenn mich die Sünden kränken.
Laß mich im Eifer des Gebets,
Laß mich in Lieb und Demut stets
Vor dir erfunden werden.
Dein Heil sei mir der Schirm in Not,
Mein Stab im Glück, mein Schild im Tod,
Mein letzter Trost auf Erden!