Albert Zeller – Wohlauf und lasst uns singen

Wohlauf und lasst uns singen
Dem ewig treuen Gott,
Der und aus Satans Schlingen
Und seiner ganzen Rott
Mit starker Hand befreiet
Und nun erlöset hat
Und was verirrt, entzweiet,
Bracht in die ewge Stadt.

Vom Auf- zum Niedergange,
Von Mitternacht zum Meer,
Von Fesseln und vom Zwange
Erlöst ein ganzes Heer;
Das, was da war verschmachtet
In Wüsten voller Brand,
Zertreten und verachtet,
Erhöht zu neuem Stand!

Was hinter Eisengitter
Lag tief in Finsternis,
Was Sturm und Ungewitter
Zerschmettert und zerriss,
Dass sie gen Himmel fuhren
Und in des Abgrunds Schlund,
Jauchz auf den Friedensfluren
Mit dankerfüllten Mund!

Was wär aus uns geworden
Und unsrer Missetat?
Wir stunden an den Pforten
Des Grabes früh und spat;
Uns ekelte der Speise,
Die uns das Leben bot,
Wir riefen laut und leise
Nach dem Befreier Tod.

Du kamst und risst die Seele
Erbarmend aus dem Tod,
Gedachtest nicht der Fehle;
Das Aug, von Tränen rot,
Durft wieder aufwärts schauen
zu deinem Angesicht,
Sich weiden an den Auen
Des Lebens voller Licht.

Wie sollen wir vergelten,
Was du uns wohl getan?
Der Schatz von tausend Welten
Fing nicht zu tilgen an
Die Schulden ohne Maßen,
Und wir so arm und bloß,
Von aller Kraft verlassen,
Was wäre unser Los?

Doch, du, voll Huld und Gnaden,
Begehrst das Alles nicht,
Du tilgest unsern Schaden
Und aus ist das Gericht;
Willst keine andern Gaben,
Als unser ganzes Herz
Und was wir sind und haben,
Nicht Blut, noch Gold, noch Erz.

Drum auf zum Hochgesange
Du hocherlöstes Heer,
Vom Auf- zum Niedergange
Erbraus es wie ein Meer:
Hosianna in der Höhe
Dem Herrn der Herrlichkeit,
Den Menschen Wohl statt Wehe
Und Frieden weit und breit!

Albert Zeller – Wenn sich zwei Freunde von einander scheiden,

Wenn sich zwei Freunde von einander scheiden,
So sagen sie sich wohl ein gutes Wort,
Das sie als stiller Segen mög begleiten;
Jedweden freundlich hin an seinen Ort.
Du gehst von dannen manche ernste Stunde
Hat unsern Geist, hat unser Herz bewegt
Die große Frage und die große Kunde,
Was unser Sein im tiefsten Grunde hegt;
Und eh ein Kreis des Forschens war geschlossen,
War uns die Frist als wie im Nu verflossen.

Ein Kleines nur von seiner Weisheit Fülle
Hat uns der Ewige hier anvertraut,
Und unter bunter, tausendfacher Hülle
Die Welt der Wahrheit schonend aufgebaut.
Wie er das Auge schütte vor Erblindung
Vor seines irdschen Lichtes Überpracht,
Schirmt er den Geist und jegliche Empfindung
Und löset ihre Binde leicht und sacht,
Bis sie erstarkt und mählig sich gewöhnen
Ans volle Anschaun alles Wahren, Schönen.

Groß im Gewähren, größer im Versagen,
Erzieht er sich sein menschliches Geschlecht,
Und übet trotz der ungestümen Klagen
Fest und gelind sein hohes Vaterrecht,
Erschaffend Jeden für die eigne Weise,
Fortbildend, führend nach besondrem Plan,
Auf tausend Wegen bei der einen Reise
Zum gleichen Ziel, zur Seligkeit hinan;
Und jeder Wechsel, jede neue Wendung,
Sie dienen nur zu seines Plans Vollendung.

So nimm auch du dein Teil aus seinen Händen
Mit frohem Sinn und mit Genügen hin!
Reich ist der Herr an Liebe und an Spenden,
Und wer sich freut, der mehret den Gewinn,
Arbeitet mit am großen Gotteswerke,
Und seine Arbeit ist sein höchster Lohn,
Die Schwachheit selbst wird ihm zur neuen Stärke
Und alle bösen Zweifel sind entflohn:
Er wirkt, er ruht, in seinem Gott gegründet,
Im Einklang mit der ganzen Welt verbündet.

Albert Zeller – Willst du des Friedens Frucht genießen,

Willst du des Friedens Frucht genießen,
So trachte nach Zufriedenheit:
Nur sie allein kann uns versüßen
Des Lebens herbe Wirklichkeit.
Der Friede wächst aus ihrem Keime
Und steigt allmählig auf zum Licht,
Wie aus des Liedes erstem Reime
Des Sängers herrlichstes Gedicht.

Nimm hin, was dir dein Gott gegeben,
Was er dir nahm, in gleichem Sinn!
So schafft dein Dulden und dein Streben
Dir gleichen himmlischen Gewinn:
So lang wir fordern oder rechten
Mit Menschen oder Schicksalsgunst,
Ist unser Wollen Spiegelfechten
Und schwerer Träume eitler Dunst.

Frei will die höchste Liebe schalten,
Bleibt doch nur Liebe stets ihr Tun;
Wie sie dein Leben mag gestalten,
Du darfst in ihrem Schatten ruhn;
Sie strömt aus einem Vaterherzen,
Wie hier auf Erden keines schlägt;
Sie bleibt sich gleich in allen Schmerzen,
In Allem, was dein Herz bewegt.

Nur frei empfangen, frei erwidern,
Das ist ihr einziges Gebot,
Wie sie sich selber wollt erniedern
Zu jedem Dienste bis zum Tod:
So wird das ganze Leben lieben
Und ausgesüßet jedes Leid;
Was ist vom Leiden dann geblieben,
Als in dem Herren Fried und Freud?

Albert Zeller – Zum letztenmal, zum letztenmal!

Zum letztenmal, zum letztenmal!
Das ist das schwerste Wort,
Das uns in diesem Erdental
Begleitet fort und fort.

Zum letztenmal, zum letztenmal!
Wer sagt und weint es aus,
Des Herzens ganze Lust und Qual,
Die Wonne und den Graus?

Und gibt es denn ein Letztesmal?
Hat lieb und Treu ein End,
Wenn sich der Wege große Zahl
Auch auf ein Kleines trennt?

Von Einem her, zu Einem hin,
Zu Einem selgen Ziel,
Sie scheinen ja sich nur zu fliehn
Und dünken uns nur viel.

Wir schauen hier im dunkeln Wort,
Was ist und wird und war;
Geduld! Geduld! es wird ja dort
Bald Alles offenbar.

Wir trügens nicht das helle Licht,
Vergingen ganz und gar;
Doch was die Treue selbst verspricht,
Bleibt ewig fest und wahr.

Der erste Ring, das letzte Ding
Ruht in der gleichen Hand,
Wie Menschenwitz sich auch verfing,
In ewigem Bestand.

Wer hier sein Werk am Erdentag
Wie du in Treue schuf,
Hat fest gemacht, was kommen mag,
Den himmlischen Beruf.

Der letzten Dinge letzter Sinn,
Geboren in der Zeit,
Schließt sich im herrlichen Gewinn
Der ewgen Seligkeit.

Albert Zeller – Ich steh in Gottes Hand;

Ich steh in Gottes Hand;
Würd mich der Herr nicht tragen,
Ich läg in Nichts zerschlagen,
Ein Trümmer an des Lebens Strand.

Nun seh ich überall
Sein freundlich Antlitz leuchten,
Wie aus der Wellen feucht’n
Spiegeln die Sonne tausendmal.

Dumpf rauscht empor das Meer;
Vom Grund, auf dem sie ruhten,
Stiegen empor die Fluten,
Und rollen hoch und höher her.

Wer hat das Meer bewegt?
Wer hieß empor es wallen
und lässt es wieder fallen,
Wenn seine schwache Stunde schlägt?

O Herz, wie gleichest du
Den wandelbaren Wellen!
Zum Himmel willst du schwellen,
Dann kommt die Ebb‘ und tote Ruh.

Das hat der Herr vollbracht,
Der Herz und Meer beweget,
Der Wellen türmt und leget,
Mich sterblich und unsterblich macht.

Er lass zur Zeit der Flut
Nicht töricht mich vermessen,
Und in der Ebbe nie vergessen,
In welchem Born mein Leben ruht!

Heinrich Puchta – Morgenlied

O Gott der Gnade, treu und voll Erbarmen,
Du warst mein Schutz in der vergang‘nen Nacht;
Ich lag, bedeckt von deinen starken Armen,
Ich schlief, von deinem Angesicht bewacht.
Ich durfte Sorg und Müdigkeit vergessen,
Und alle Last und Arbeit von mir tun;,
Du treuer Vater hast gesorgt indessen,
Dein Werk ruht nicht, wenn unsre Hände ruh‘n.

In stiller Nacht, wenn sich kein Laut lässt hören,
Wenn alles Treiben auf der Erde schweigt,
Da wirkst du fort, du lässest dich nicht stören,
Wenn alle Welt sich in den Schlummer neigt.
Und wenn dein Licht erweckt den neuen Morgen,
Wenn das geschäftige Geräusch erwacht,
Dann geht dein Werk am lauten Tag verborgen,
Doch rastlos fort, wie in der Mitternacht.

Herr! lass auch uns nach deinem Bilde wandeln,
Gib uns des Geistes Kraft und Freudigkeit,
Um ungesäumt zu wirken und zu handeln,
Und Frucht zu schaffen zur gesetzten Zeit.
Gib uns ins Herz Geduld und frohen Mut,
Lass Kraft und Stärke wohnen in den Gliedern;
Nimm allen Schlaf aus unsern Augenlidern,
Und alle Trägheit weg aus Fleisch und Blut.

Lass uns nicht nach vergänglichem Gewinn,
Nach flücht’ger Lust und eitler Ehre ringen;
Wer seinen Schatz erstrebt in solchen Dingen,
Der hat auf Erden seinen Lohn dahin.
Vergänglich ist, womit die Welt sich schmückt,
Woran ihr Herz und Auge sich entzündet;
Nur was das Lob des Heiligen verkündet,
Dem ist ein ewig Siegel aufgedrückt.

Der kleinste Dienst, nach Gottes Wort getan,
Gleicht einem Korn, das sechzigfältig blühet;
Wer um den Lohn der Zukunft sich bemühet,
Der legt sein Pfund zu höchsten Zinsen an.
Lass unsre Augen auf das Künft’ge schauen,
Ein Werk des Lebens gib in unsre Hand;
Mit Gold und Edelsteinen lass uns bauen,
Auf einen Felsen und nicht auf den Sand.

Herr! deine Kraft ist mächtig in den Schwachen,
Du schmückst das Niedrige mit Ruhm und Zier;
Was wir verschmähen, kannst du herrlich machen,
Was wir verachten, das ist groß vor dir.
Die Gnade wirket mehr, als tausend Hände,
Sie ist der Grund, der Gottes Werke trägt;
Wer darauf steht, der blickt getrost ans Ende
Und auf den Tag, der alle Taten wägt.

Anna Schlatter – Morgenlied

In deinem Namen, Jesus Christ,
Steh ich vom Lager auf;
Zu dir, der allenthalben ist,
Richt ich mein Herz hinauf.
Nun wartet wiederum auf mich
Viel Arbeit, Sorg und Müh;
O lieber Herr, ich bitte dich,
Lehr mich vollenden sie!

O lehr mich tun nach deinem Sinn
Das kleinste, größte Werk;
Sei, wenn ich im Gedränge bin,
Nur du mein Augenmerk.
Du siehest, Herr, ich habe nicht
Zum Beten lange Zeit;
Doch du verstehst’s, wenn’s Auge spricht;
Ach, Herr, ich bin im Streit!

Ja, stärke, Herr, mich in dem Streit
Mit dem, was dir missfällt!
Ich werde wieder siegen heut,
Wenn deine Hand mich hält.
Und drängt mich der Geschäfte Last,
Will ich entlaufen dir:
Der du den Sturm gestillet hast,
Still auch den Sturm in mir!

Lehr mich in Allem dich verstehn,
Nur sehn auf deinen Wink;
Heiß’st du mich auf den Wogen gehn,
So halt mich, wenn ich sink!
Ach, lass im Sinken, Herr, mich nicht!
Du weißt’s, ich bin ja dein;
Und wenn mir’s heut an Mut gebricht,
So ruf mir: du bist mein.
Amen!

Karl Johann Philipp Spitta – Abendlied

Herr! des Tages Mühen und Beschwerden
Machtest du durch deine Nähe leicht;
Bleib bei mir, da es will Abend werden,
Bleib bei mir, da sich der Tag geneigt!
Wie am Tag du stärkend bei mir weiltest,
O so tritt am Abend auch herzu;
Wie du meine Müh und Arbeit teiltest,
O so teile segnend meine Ruh.

Komm denn nach des Tages lautem Leben,
Komm, du reicher Gast, kehr bei mir ein,
Heil zu spenden, Schulden zu vergeben,
Ruh und Fried und Freude zu verleih‘n!
Des vergang‘nen Tages Wunden, Schmerzen
Heile, lindre und verbanne du,
Und lass mich zuletzt an deinem Herzen
Finden eine sanfte, nächt’ge Ruh!

Amen!

Carl Gerok – Morgenlied

In dieser Morgendämmerung,
Wie fühl ich mich so stark,
An Leib und Seele frisch und jung,
Erquickt bis in das Mark!
Wie süß die reine Morgenluft
Die Schläfe mir umhaucht,
Als wär in Edens Rosenduft
Ihr kühler Strom getaucht!

Wie friedlich glänzt am Himmelssaum
Der blasse Morgenstern,
Dieweil die Welt im dumpfen Traum
Noch schlummert nah und fern!
Und schau! wie nun im Purpurlicht
Die Sonne blitzt hervor!
Ist das des Himmels Pforte nicht
Und Edens goldnes Tor?

So musst auf seiner Wanderschaft
Dem Pilger Jakob sein,
Als er, gestärkt in Gottes Kraft,
Erwacht auf Bethels Stein.
„Wie heilig ist die Stätte hier,“
So rief er schaudernd aus,
Hier ist fürwahr des Himmels Tür
„Und hier ist Gottes Haus!“

Ja wie im Traum der Schläfer dort
Den Himmel offen sah,
So war der Engel Schutz und Hort
Auch mir im Schlummer nah;
So stiegen, da mein Leib geruht,
Die Engel niederwärts
Und gossen frischen Pilgermut
Ins abgelebte Herz.

Drum wird auch mir zum Heiligtum
Dies stille Kämmerlein,
Drum soll auch mir die Welt ringsum
Ein großes Bethel sein.
Drum schließ auch ich zu dieser Stund
Wie Jakob dort aufs Neu,
Mein Gott und Herr, mit dir den Bund
Der Kindeslieb und Treu.

Gib mir, wie du verheißen hast,
Mein Brot und mein Gewand,
Und führ in Tages Hitz und Last
Mich treulich an der Hand:
So will ich heut in Lust und Not
Dein frommer Pilgrim sein,
Und fröhlich dir am Abendrot
Mein Lob- und Danklied weihn.

Carl Gerok – Ps. 84,2-3

Herz, mein Herz, welch sanfte Lust
Hegst du heut‘ in stiller Brust?
Aug, mein Aug, welch mildes Glück
Strahlet dein verklärter Blick?
Ist’s das holde Himmelblau?
Ist’s die bunte Blumenau?
Ist’s der Vögel Morgenpsalm?
Ist’s der Tau auf Gras und Halm?
Schön ist meines Gottes Welt,
Blumenflur und Himmelszelt,
Süß das Wehn der Morgenluft,
Rosenglanz und Nelkenduft.
Aber was mich fröhlich macht,
Heut‘ ist’s mehr als Erdenpracht,
Heut‘ ist meines Herren Tag!
Selig, wer es fassen mag.
Süßer noch als Vogelsang
Tönt mir heute Glockenklang,
Sanfter weht als Frühlingswind
Friede Gottes um sein Kind.
Heut im schmucken Kämmerlein
Kehrt mein Heiland bei mir ein,
Heut im schönen Gotteshaus
Teilt man Himmelsgüter aus.
Wie der Tau sich niedersenkt,
Kraut und Blumen milde tränkt,
So mit Gottes Wort und Geist
Wird die Seele heut‘ gespeist.
Wie die Lerche jubiliert,
Jubelnd sich im Blau verliert,
Also steigt mein brünstig Herz
Heut in Andacht himmelwärts.
Sei willkommen, Tag des Herrn,
Friedensengel, Morgenstern,
Labequell im Wüstensand,
Glockenlaut vom Heimatland!
Nachgeschmack vom Paradies,
Draus die Sünde mich verstieß,
Vorgefühl der Himmelsrast
Nach der Erde Müh und Last!
Tröst auch heute die betrübt,
Sammle was im Herrn sich liebt,
Löse die gebunden sind,
Locke das verlorne Kind!
Bringe der verstörten Welt
Einen Gruß vom Himmelszelt,
Ruf auch mir vom Vater zu:
Heil dir, Gottes Kind bist du!