Richter, Christian Friedrich – Mein Salomo, dein freundliches Regieren

1 Mein Salomo, dein freundliches Regieren
stillt alles Weh, das meinen Geist beschwert.
Wenn sich zu dir mein blödes Herze kehrt,
so lässt sich bald dein Friedensgeist verspüren;
Dein Gnadenblick zerschmelzet meinen Sinn,
und nimmt die Furcht und Unruh von mir hin.

2 Gewiss, mein Freund gibt solche edle Gaben,
die alle Welt mir nicht verschaffen kann.
Schau an die Welt, schau ihren Reichtum an,
er kann ja nicht die müden Seelen laben;
mein Jesus kann’s, er tut’s im Überfluss,
wenn alle Welt zurücke stehen muss.

3 O süßer Freund, wie wohl ist dem Gemüte,
das im Gesetz sich so ermüdet hat,
und nun zu dir, dem Seelenleben, naht,
und schmeckt in dir die wundersüße Güte,
die alle Angst, die alle Not verschlingt,
und unsern Geist zu sanfter Ruhe bringt.

4 Gewiss, mein Freund, wenn deine Liebeszeichen
mein armes Herz so sänftiglich durchgehn,
so kann in mir ein reines Licht entstehn,
durch das ich kann das Vaterherz erreichen,
in dem man nichts, als nur Vergebung spürt,
da eine Gnadenflut die andre rührt.

5 Je mehr das Herz sich zu dem Vater kehret,
je mehr es Kraft und Seligkeit genießt,
dass es dabei der Eitelkeit vergisst,
die sonst den Geist gedämpfet und beschweret:
je mehr das Herz den süßen Vater schmeckt,
je mehr wir es zur Heiligkeit erweckt.

6 Der Gnadenquell, der in die Seele fließet,
der wird in ihr ein Brunn des Lebens sein.
so in das Meer des Lebens springt hinein,
und Lebensströme wieder von sich gießet.
Behält in dir dies Wasser seinen Lauf,
So geht in dir die Frucht des Geistes auf.

7 Wenn sich in dir des Herren Klarheit spiegelt,
die Freundlichkeit aus seinem Angesicht,
so wird dadurch das Leben angericht’t,
die Heimlichkeit der Weisheit aufgesiegelt,
ja selbst dein Herz in solches Bild verklärt,
und alle Kraft der Sünden abgekehrt.

8 Was dem Gesetz unmöglich war zu geben,
das bringt alsdenn die Gnade selbst herfür.
Sie wirket Lust zur Heiligkeit in dir,
und ändert nach und nach dein ganzes Leben,
indem sie dich aus Kraft in Kräfte führt,
und mit Geduld und Langmut dich regiert.

9 Es müsse doch mein Herz nur Christum schauen;
besuche mich, mein Aufgang aus der Höh‘,
dass ich das Licht in deinem Lichte seh‘,
und könne schlechterdings der Gnaden trauen.
Kein Fehler sei so groß und schwer in mir,
der mich von solchem Blick der Liebe führ.

10 Wenn mein Gebrech mich vor dir niederschläget,
und deinen Geist der Kindschaft in mir dämpft,
wenn das Gesetz mit meinem Glauben kämpft,
und lauter Angst und Furcht in mir erreget,
so lass mich doch dein Mutterherze sehn,
und neue Kraft und Zuversicht entstehn.

11 So ruh ich nun, mein Heil, in deinen Armen,
du selbst sollst mir mein ew‘ger Friede sein;
ich hülle mich in deine Gnade ein,
mein Element ist einzig dein Erbarmen;
und weil du mir mein Ein und Alles bist,
so ist’s genug, wenn dich mein Geist genießt.