Freylinghausen, Johann Anastasius – Jesus über alles

Weise: Zerfließ, mein Geist, in Jesu Blut und Wunden.

1. Sag an, o Mensch, wer ist wohl wert zu schätzen,
Dass man ihn liebe nur allein,
Dass Aug und Herz an ihm sich stets ergötzen
Und immer in ihm fröhlich sein?
Der ist es, den man Christus heißt
Und der sich selber uns anpreist,
Dass über alles hier auf Erden
Er würdig sei, geliebt zu werden.

2. Ach ja, der ists, ihm müssen alle weichen
Im Rang der Liebe: Vater, Sohn,
Auch Bruder, Mutter, Tochter und desgleichen,
Des Liebe sonst hat großen Lohn.
Selbst unser Leben ist zu schlecht,
Wenn man es nur bedenket recht,
Dass wir es wollten lieber haben,
Wärs auch geschmückt mit tausend Gaben.

3. Ist er nicht Gott, des Vaters Bild und Spiegel,
Der Glanz der ewgen Herrlichkeit,
Der bei ihm war, eh alle Berg und Hügel
Geschaffen sind hier in der Zeit?
Ach ja, er ist das schönste Licht,
Das selbst des Vaters Angesicht
Mit höchster Luft und Freud erblicket
Und sich an ihm ohn End erquicket.

4. Er ist ein Meer voll aller Trefflichkeiten,
Ein Quell, der ohn Aufhören fleußt;
Niemand vermag die Fülle auszudeuten,
Die seine Gottheit in sich schleußt.
Schau, wie das ganze Engelheer,
Und was im Himmel sonst noch mehr
Von frommen Geistern wird gezählet,
Ihn hat zur eingen Lust erwählet.

5. Er ist es, der uns hat zuerst geliebet,
Da du und ich nur Zorn verdient.
Fragst du, worin er solches hab geübet?
Darin, dass er uns Gott versühnt,
Gott, der von uns war hoch entehrt,
Da wir uns von ihm abgekehrt,
Der uns darum hätt lassen können
In jenen Flammen ewig brennen.

6. Abgrund, der sich hier dem Aug entdecket!
Tiefe der Barmherzigkeit,
Durch deren Trieb er hat das Werk vollstrecket,
Dadurch gewehrt ist unserm Leid!
Er ward ein Mensch, o Menschenkind,
Uns Sündern gleich, doch ohne Sünd,
Ließ auf die höchste Marterzinnen
Sich stellen, um dich zu gewinnen.

7. Dass er dir wiederbringen möcht den Segen,
Wird er ein Fluch am Kreuzesstanm,
Lässt alle deinen Jammer auf sich legen,
Wird zum Brandopfer selbst das Lamm.
Nicht Gold und Silber legt er dar,
Weil dieses zu unkostbar war,
Dich und mich wieder frei zu machen;
Er stürzt sich selbst ins Todes Rachen.

8. Dadurch wird er dein Hirt, dein Arzt, dein Leben,
Das Heil und die Gerechtigkeit,
Dein Bräutigam, der sich hat hingegeben
Für dich, dein Schmuck und Ehrenkleid.
Er ist dir alles, was ist not,
Er ist der Freund, der weiß und rot;
Mein, sollt er nicht sein wert zu lieben?
Ja wohl, dies Eine ist zu üben.

9. Mit höchstem Recht kann jedermann den schätzen;
Anathema, der ihn nicht liebt!
Er selbst, der Herr, wird tödlich ihn verletzen,
Wenn er einst sein Gericht verübt.
Wohl aber allen, deren Sinn
Sich neigt zur Liebe Christi hin;
Denn er wird ihrer ewig schonen
Und ihrer Lieb mit Liebe lohnen.

10. Hilf, Jesu, hilf, dass ich mit reinem Herzen
Dich über alles lieben mag.
Die Welt und eigne Lieb macht lauter Schmerzen,
Dein Lieben weiß von keiner Plag.
Lass mich empfinden mehr und mehr,
Wie du mich liebst so hoch und sehr,
Damit aus solchen reinen Flammen
Die Funken meiner Lieb herstammen.

11. Man hörte ehmals dich wohl dreimal fragen
Den Simon, ob er dich lieb hätt;
Hilf, dass wie er ich könn aufrichtig sagen,
Falls dein Mund gleiche Frage tät:
Ach Herr, du weißest alle Ding,
Du weißt, dass ich, was wahr, vorbring,
Und ich dich als die höchste Gabe
Im Herzen lieb gewonnen habe.