Rinkart. Martin – Der deutsche Jeaias, und seiner Mitgefangenen Herzbrechendes Kinderlied

Das vier und sechzigste Kapitel, zu singen im Ton:
Nun freut euch lieben Christen rc.

1. Ich will des Herren Gütigkeit
Auf die Nachkommen bringen,
Dass sie davon in Lieb und Leid
Mit Lust und Liebe singen,
Und seiner Gnaden Vater-Treu
Und auch der Vater-Rut‘ dabei
zu Lehr und Trost gedenken.

2. Er sprach zu seinem lieben Sohn:
Sie sind ja meine Kinder,
Fahr‘ hin meins Herzens werte Kron‘,
Errett‘ die armen Sünder,
Wer ihnen Drangsal leget an,
Der wiss‘, er hab es mir getan,
Ich will es bei ihm suchen.

3. Der Engel zog für ihnen her
In einem Feuer-Zeichen,
Wenn sie bedränget waren sehr,
So ließ er sich erweichen,
Er nahm sie auf als sein Geschlecht,
Ließ Gnade gehen stets für Recht
In allen seinen Taten.

4. Bis sie erbitterten den Geist
Der heiligen Propheten,
Dass sich sein Eifer auch erweist,
ließ sie mit Haufen töten,
Noch dacht Er wieder an die Treu,
Und ihnen stetig half aufs neu,
Alsbald sie Buße täten.

5. Wo bleibet aber jetzt die Hand,
Die dort solch Ehr einleget,
Die uns führt aus Ägyptenland,
Uns jetzt zu Boden schläget,
Wo ist jetzund der Heilig Geist,
Der uns so steten Beistand leist
Und manchen Held erweckte?

6. Wo ist der, der die Wasser trennt,
Und ihm macht einen Namen,
Und den noch alle Welt bekennt?
Er führte Jakobs Samen
Wie eine Herd‘ durchs rote Meer
Und legt ihm mehr und mehr der Ehr
Auf seinen großen Namen.

7. So schaue doch nun auch einmal,
O Gott! vom Thron der Ehren,
Aus deinem großen Himmels Saal
Lass deinen Eifer hören.
Wie hält sich so hart dieser Zeit
Dein herzliche Barmherzigkeit?
Du bist ja unser Vater.

8. Denn Abraham von uns nichts weiß,
Israel uns nicht kennet,
Das aber ist dein alter Preis,
Dass man dich Vater nennet,
So wend doch nun dein Vaterherz
Zu uns, es ist uns ja kein Scherz,
O Vater und Erlöser.

9. Ach! durch was schwere Missetat
Ist unser Herz verstocket?
Wenn du durch deiner Boten Rat
Zur Buß uns hast gelocket!
Wend‘ ab, wend‘ ab, Herr, deinen Grimm,
Lehr und bekehr uns wiederüm
Um deines Erbes willen.

10. Die Feind uns unser Vaterland
Verheeren und verstören,
Dein Heiligtum mit Gräul und Schand‘
Erfüllen und umkehren.
Es geht uns wieder wie vorhin,
Da wir noch mit verkehrtem Sinn
Am Papst und Götzen hingen.

11. Ach! dass du doch einmal im Grimm
Möchte‘st durch die Wolken reißen,
Und auf den Feind mit Ungestüm
Und Donnerkeilen schmeißen,
Ach! dass sie deines Feuer Blitz
Zerstörte, wie von strenger Hitz
Ein Wasser-Topf einsiedet.

12. Auf dass wir deines Namens Ruhm
Verkündigten mit Freuden,
Und mit dem welschen Götzentum
Erzitterten die Heiden,
Vor deiner großen Wunder-Hand,
Damit du tastest an ein Land,
Dass Berg und Tal zerschmelzen.

13. Wie durch dein Hand vom Anbeginn
So manches Ding geschehen,
Des sich kein Sterblicher vorhin
Wohl nimmermehr versehen,
Und was du künftig uns bereit,
Hat noch kein Aug und Ohr zur Zeit,
Noch Menschenherz vernommen.

14. Begegnetest du doch oft hier
Den Fröhlichen mit Freuden!
Und segnetest uns für und für
Ohn‘ übermäßig Leiden:
Und wenn wir gleich nach Menschen-Brauch
Hart und lang‘ übertraten auch,
Ward uns dennoch geholfen.

15. Nun aber sind wir allesamt
Vor deinen strengen Augen
Zur Feuer-Ofen-Qual verdammt;
Denn wir durchaus nichts taugen,
An unsre Wert-Gerechtigkeit
Oft wie ein alt verworfen Kleid
Mit Blut und Schmutz beflecket.

16. Darum wir auch in unsern Sünd-
Und Missetaten allen,
Wie die Baumblätter durch den Wind,
Verwelken und hinfallen!
Wir rufen dich nicht fleißig an!
Wir machen uns nicht auf die Bahn,
Die Zornflut abzuwenden.

17. Wiewohl sich nun dein Angesicht
Von uns will gar abkehren:
So kannst du doch verleugnen nicht,
Dass wir dir angehören;
Du bist der Vater, wir der Sohn,
Du bist der Töpfer, wir der Ton,
Und deiner Hand Gemächte.

18. Herr, zürne doch nicht immerdar,
Verstoß nicht deine Kinder,
Nimm doch nicht mehr als eines wahr,
Dass diese Schmach nicht minder
An dein‘ als unser‘ Ehre geht!
Denn deine Kirchen, Land und Städt‘,
Die werden zu Steinhaufen.

19. Das Haus der großen Herrlichkeit,
Und was wir Schönes hatten,
Ist gegen jener Pracht und Zeit
Nichts als ein Gräul und Schatten;
Herr, willst du sein so felsenhart
Und schweigen wider Vater-Art,
Ist es um uns geschehen!