Zinzendorf, Nikolaus von – Die Seligkeiten Christi.

Kron‘ und Lohn beherzter Ringer,
Der Seligkeit Herwiederbringer,
HErr Jesu, HErr der Herrlichkeit!
Hör‘ zu Deines Thrones Stufen
So viel verbund’ne Herzen rufen:
Wir wären gerne benedeit.
Du segnest ja so gern,
Gesegneter des HErrn!
Wir begehren’s;
So komm herein,
Wir sind ja Dein,
Und lass uns recht gesegnet sein.

Brunnquell aller Seligkeiten!
Fahr‘ immer fort, uns zu bereiten,
So, wie es Dir gefällig ist;
Wir, die von Natur verdorben,
Wir sind dem Leben abgestorben,
Darinnen Du zu finden bist:
So töte doch‘ den Feind,
Der uns zu stürzen meint,
Unser Leben!
Wir wollen nun
Nichts selber tun;
Lass uns in Deinem Tode ruh’n!

Selig sind die geistlich Armen!
Sie finden leichtlich Dein Erbarmen;
Das Land der Himmel bleibet ihr,
Da im Gegenteil die Reichen
Und die gar satt sind, ferne weichen
Vor Deines Königreiches Zier;
Ach! mach‘ uns Arme reich,
Doch Deiner Armut gleich!
Gib uns, Jesu,
Den reichen Mut,
Dem irdisch Gut
Recht weh, und Armut sanfte tut.

Selig sind, die Leide tragen!
Sie sollen Trosts genug erjagen;
Ihr Herzog ging den Weg voran:
Stieg Er auf durch Kreuz und Leiden,
So will Er uns den Kelch bescheiden,
Der Ihm hienieden gut getan.
Uns ist in dieser Zeit
Kein Feiertag bereit;
Hier gilt’s Weinen;
Bei’m Lammesmahl
Ist keine Qual;
Wir aber geh’n durch’s Jammertal.

Selig sind die sanften Geister!
Sie sind auf Erden Herrn und Meister
Und Niemand sieht es ihnen an,
Da sie doch durch stillen Wandel
In allerlei Geschäft und Handel
Ihr Lammeswesen dargetan;
Es ist ihr Bräutigam,
Das erstgeborne Lamm,
Lamm und Löwe,
Gar sanft und weich,
Doch stark zugleich:
So sind auch Die aus Seinem Reich.

Selig, gleich dem Lebensfürsten,
Sind Alle, welche sehnlich dürsten
Und hungern nach Gerechtigkeit;
Sollen auch gesättigt werden,
So, wie ihr Heiland hier auf Erden,
Zur vorbestimmten Leidenszeit,
Den Durst in Seinem Teil
Nach unsrer Seelen Heil
Wohl empfunden;
Wer in der Tat
So Hunger hat,
Und also dürstet, der wird satt.

Selig sind barmherz’ge Seelen,
Barmherzigkeit wird sich vermählen
Dereinst mit ihrer Dürftigkeit:
Wer ein Tröpflein Wassers gibet,
Wird um das Tröpflein auch geliebet,
Und wohl belohnt zu seiner Zeit.
Wohl also Jedermann,
Der hier viel Gut’s getan!
Wehe Denen,
Die sich durch Pracht
Darum gebracht!
Vor Gott wird ihrer schlecht gedacht.

Selig sind die reinen Herzen,
Die ihre Krone nicht verscherzen!
Sie werden Gott im Frieden seh’n;
Alle unbefleckten Tauben,
Die an den Freund der Seele glauben,
Und in der Reinigkeit besteh’n:
Die sehen einst im Licht
Das keusche Angesicht Unsers Lammes!
Lamm, wir sind Dein,
Behalt uns rein,
Und lehr‘ uns Dir recht ähnlich sein!

Selig, die in allen Sachen
Von Herzen gerne Frieden machen!
Gott siehet sie als Kinder an.
Dort in jenen Friedensgrenzen
Soll einst im Friedensschmucke glänzen,
Wer viel zum Frieden hier getan.
Wer ließe sich denn nun
Nicht lieber Unrecht tun?
Friede, Friede
Hat unsre Gunst,
Ist unsre Kunst!
Der reichste Zankgewinn ist Dunst.

Selig sind, die voller Freuden
Hier um der Wahrheit willen leiden,
Und sprechen: „Du bist ja der HErr!
Dulden wir um Deinetwillen,
Die Zahl der Leiden zu erfüllen,
Wird uns aus Liebe gar nicht schwer!
Wie glücklich wären wir
O Jesu, wenn wir hier
Um Dich litten!
So geh‘ voran!
Wir dringen an
Auf dieser Kriegs- und Siegesbahn!

Selig sind schon hier auf Erden,
Die wacker ausgehöhnet werden
Von wegen ihres Bräutigams!
Keine Braut wird sich wohl schämen,
Des Liebsten Namen anzunehmen:
Was schämen wir uns unsres Lamms?
Das müsse ferne sein!
Lass kommen Kreuz und Pein:
Wir sind Christen,
Und allezeit
Mit Freudigkeit
Durch Ehr‘ und Schmach zu geh’n bereit.

Wir sind fröhlich außer Maßen
Und wissen uns fast nicht zu lassen,
Wenn wir die große Seligkeit
Tapfrer Streiter recht erwägen,
Die sich mit Christo niederlegen
An’s Kreuz in Niedrigkeit und Leid.
Wie sanfte wird sich’s ruh’n!
Wie wird die Ehre tun
Nach der Schande!
Wie blitzt der Glanz!
Wie steht der Kranz!
Dort stehen wir in Jesu ganz.

Lass uns rittermäßig ringen,
Durch Tod und Leben zu Dir dringen,
Als Feldherr tritt in’s erste Glied!
Das ist so ein Ritter-Rennen,
Da wir noch manchen Helden kennen,
Der mit uns auf den Kampfplatz zieht.
Das Kleinod ist es wert,
Dass man es ganz begehrt;
Es ist unser;
Wir sprechen schon
Im hohen Ton:
Was gilt’s? wir bringen es davon.

Darum hast Du uns verbunden
Auf gnädig abgemess’ne Stunden;
Du hast aus Allen Eins gemacht,
Dass wir mit verknüpften Machten
Die Krone zu erkämpfen trachten;
Hier stehen wir auf unsrer Wacht.
Wir sind von Deinem Stamm;
Du bist der Bräutigam,
Wir sind Glieder.
O teures Haupt,
Wer also glaubt,
Der wird Dir nimmermehr geraubt!

Also müssen wir auf Erden
Nie, als in Dir erfunden werden,
Du hast uns je und je geliebt;
Du hast erst um uns geworben,
Du bist aus Liebe gar gestorben;
Wer ist, der solche Proben gibt?
Wohlan, wir lieben Dich,
O Liebe, inniglich!
Unsre Liebe
Ist nur ein Bild,
So lang‘ es gilt,
Wie Du uns ewig lieben willt!

(An seinem Hochzeitstage, 7. Sept. 1722.)