Elisa von der Recke – Morgenlied eines Kranken.

Nach einer schmerzensvollen Nacht
Seh‘ ich den Morgen wieder.
Dein Auge, Gott, hat mich bewacht;
Dich preisen meine Lieder:
In großer Angst verliehst du mir
Nicht Trost allein, ich danke dir,
Mein Gott! auch Seelenstärke.

So trag‘ ich gern der Krankheit Schmerz
Und jedes meiner Leiden:
Zu dir erhebe sich mein Herz,
Du Geber wahrer Freuden!
Durch Leiden zogst du mich zu dir,
Und nun, mein Vater, bist du mir
Ein Fels, auf den ich baue.

Ich weiß, dass Gott mich nicht verlässt,
Wenn auch der Tod erscheinet,
Ihn hält mein Glaube dann noch fest,
Wenn alles um mich weinet;
Ich bin getrost, wenn, wer mich liebt,
Mein Sterbelager, tief betrübt,
Mit frommen Tränen badet.

Auch sie verlässt mein Vater nicht,
Er stärket ihre Herzen,
Gibt Trost und frohe Zuversicht,
Und mildert ihre Schmerzen;
Ja, dir empfehl ich sie, o Herr!
Sei du ihr Schutz, Allgütiger;
Dann sind sie wohl versorget.

Doch sollten meiner Tage viel
Auf dieser Erden werden,
Wär‘ ich noch fern von meinem Ziel,
Dem Ende der Beschwerden:
So gib mir, Schöpfer, deine Kraft,
Die mir auch Mut im Leiden schafft
Und in der Not mich stärket.